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Rallye-Beifahrer Stefan Kopczyk: "Ich möchte nicht jedes Wochenende bei irgendjemand anderem im Auto sitzen"

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"Rallye-Sport sollte kein Zufall, sondern sehr, sehr kalkuliert sein", sagt der Bad Friedrichshaller Stefan Kopczyk. Im Interview spricht der 43-Jährige auch über Bescheidenheit, Menschenkenntnis und gibt Einblicke in seine Arbeit.

Privat gerne vorne links, in Rallye-Autos stets vorne rechts: Als Co-Pilot ist Stefan Kopczyk mehr als nur Mitfahrer.
Privat gerne vorne links, in Rallye-Autos stets vorne rechts: Als Co-Pilot ist Stefan Kopczyk mehr als nur Mitfahrer.  Foto: R&L Content Creation

Der Rallye-Sport hat Stefan Kopczyk in über 20 Jahren an viele entlegene Ecken Europas geführt. Der Bad Friedrichshaller Co-Pilot hat auf finnischem Schotter und dem harten Asphalt Zyperns seinen Fahrern ebenso die Richtung vorgegeben wie durch die malerischen Landschaften portugiesischer Atlantik-Inseln oder auf den verschneiten Alpen-Straßen Frankreichs.

In 16 verschiedenen Ländern ist Kopczyk insgesamt 275 Rallyes gefahren, hat dabei auf Autos verschiedener Fabrikate und an der Seite von verschiedenen Fahrern 52 Gesamt- und 115 Klassensiege gefeiert. Im Interview spricht der 43-Jährige über die Herausforderungen des Rallye-Sports, Bescheidenheit, die Wichtigkeit von Menschenkenntnis und er erklärt, warum der Motorsport noch nicht aus der Zeit gefallen ist.

 

Herr Kopczyk, wie muss man sich einen Rallye-Beifahrer im Alltag vorstellen? Sind Sie im Urlaub oder bei Ausflügen mit der Familie grundsätzlich derjenige, der rechts vorne mit der Landkarte in der Hand die Kommandos gibt?

Stefan Kopczyk: Ich bin ausschließlich Rallye-Beifahrer und kann sehr gut zwischen privat und dem Sport trennen. (lacht) In der Familie bin ich sogar eher der Fahrer und die elektronischen Navigationsmittel, der man sich heute bedient, nimmt man dann auch gerne privat in Anspruch. Dass man im Urlaub mit der Familie, wie vielleicht noch vor 20 Jahren, mit der Karte auf dem Schoß navigiert, ist ja dann doch nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit.

Wo haben Sie sich zuletzt verfranzt?

Kopczyk: Beim Vorlesen des Aufschriebs im Prinzip gar nicht. Da liegt das Fehler-Ziel bei nahezu null Prozent. Das erwarte ich von mir und kann das über die Jahre auch gut erfüllen. Es gab eine Situation in diesem Jahr, in der ich mich mit Dennis Rostek auf einer Prüfung eingedreht habe und ich den Baum auf mich habe zukommen sehen. Da war ich für einen kurzen Moment aus meinem Schrieb draußen und brauchte ein paar Sekunden, um den Ansatzpunkt wiederzufinden. Sonst passiert das aber unter normalen Umständen nicht.

Was tut man, wenn man sich bei 170 km/h trotzdem einmal verzettelt und nicht mehr weiß, wie und wo es weiter geht?

Kopczyk: Bevor man etwas Falsches vorliest, sollte man seinem Fahrer vor allem sofort signalisieren, dass man rausgekommen ist und sich sortieren muss. Das lernt man in jedem Beifahrerlehrgang. Glücklicherweise ist mir das aber bis heute nicht passiert. Und der Fahrer hat ja immer noch Augen, nach denen er fahren kann.

Die helfen je nach Streckenverlauf aber nur bedingt.

Kopczyk: Auf klassischen Gebirgsstraßen wie auf Gran Canaria oder in den französischen Seealpen bei der Rallye Monte Carlo, bei denen rechts die Felsmauer steht und links die Leitplanke, kann man um keine Kurve herumschauen. Da braucht es einen Beifahrer und einen guten Aufschrieb, nach dem man möglichst richtig, schnell und sicher fahren kann. Aber auch wenn man mit 180 km/h auf einem Feldweg auf eine Kuppe zufährt und 30 Meter hinter dieser Kuppe kommt ein 90-Grad-Abzweig – da wäre es vorher ganz gut zu wissen, dass dieser Abzweig kommt.

Namen wie Walter Röhrl, Sébastien Ogier und Sébastien Loeb sind dem ein oder anderen ein Begriff. Aber von ihren Beifahrern Christian Geistdörfer, Julien Ingrassia und Daniel Elena werden die meisten außerhalb des Service-Parks noch nie gehört haben. Wer über einen ausgeprägten Geltungsdrang verfügt, ist als Rallye-Beifahrer unbrauchbar, oder?

Kopczyk: Man muss fairerweise sagen, dass der Fahrer immer im Mittelpunkt steht; dessen muss man sich bewusst sein. Wenn ein Fernsehteam vor Ort ist, wird meist immer der Fahrer interviewt. Ich bin aber auch nicht derjenige, der sich dann krampfhaft ins Bild drängt. Für mich ist das völlig in Ordnung, im Hintergrund die Verantwortung für das Gesamtergebnis zu haben. Außerdem bringen mir meine Fahrer immer eine sehr hohe Wertschätzung entgegen. Das gibt mir auch Genugtuung; ich brauche als Beifahrer nicht das ganz große Publikum.

Dennis Rostek und Co-Pilot Stefan Kopczyk (links) jubeln bei der Saarland-Pfalz Rallye in der Deutschen Rallye-Meisterschaft (DRM). Das Duo hatte als Gesamt-Dritter in diesem Jahr mehrfach Grund zur Freude.
Dennis Rostek und Co-Pilot Stefan Kopczyk (links) jubeln bei der Saarland-Pfalz Rallye in der Deutschen Rallye-Meisterschaft (DRM). Das Duo hatte als Gesamt-Dritter in diesem Jahr mehrfach Grund zur Freude.  Foto: ADAC Motorsport

Apropos Beifahrer: Stört Sie eigentlich die Terminologie? Es soll ja Kollegen Ihrer Zunft geben, die betonten, sie fahren nicht nur bei, sondern sind vielmehr Co-Pilot.

Kopczyk: Die Terminologie im Reglement des Rallye-Sports lautet tatsächlich nicht Beifahrer, sondern „Zweiter Fahrer“. Aber ich fahre nicht; ich lenke nicht, ich gebe nicht Gas und ich bremse nicht. Daher ist Beifahrer oder Co-Pilot völlig okay. Aber ich kann mit meiner Stimme und meinen Ansagen viel Einfluss nehmen; das unterschätzt man häufig.

Es gibt am Theater den schönen Spruch: Den König spielen immer die anderen. Schnell fahren können viele, gut beifahren die wenigsten. Sind Beifahrer daher die eigentlichen Königsmacher im Rallye-Sport?

Kopczyk: Das ist wie überall: Rallyefahren ist ein Teamsport. Dazu gehören auch nicht nur Fahrer und Beifahrer, sondern auf dem Niveau, auf dem wir unterwegs sind, auch viele Techniker, Ingenieure, Reifenexperten und teilweise Wetterspione, die für das richtige Material und die Betankung verantwortlich sind oder schauen, wie sich das Wetter in den nächsten Stunden verändern wird. Es braucht ein eingespieltes Orchester, das dahintersteht. Der Rallye-Sport ist hoch komplex und eine Kombination aus so vielen Dingen, die am Ende den Erfolg ausmachen, dass es auf das Zusammenspiel ankommt; besonders, wenn es um die letzten Sekunden und Zehntel geht.

Säßen Sie denn manchmal gerne selbst am Steuer?

Kopczyk: Ich bin mit der Rolle des Beifahrers hundertprozentig einverstanden und strebe keine Karriere als Fahrer an. (lacht) Nichtsdestotrotz hat, glaube ich, jeder Beifahrer irgendwann den Wunsch, es selber mal auszuprobieren. Für mich war Beifahren am Anfang eigentlich auch nur das Sprungbrett, um in den Sport zu kommen; ich wollte ursprünglich selbst fahren.

Wieso sind Sie dann vorne rechts sitzen geblieben?

Kopczyk: Ich wollte ehrlicherweise das Geld nicht ausgeben, dass es braucht, um ein Auto zu kaufen und zu unterhalten. Außerdem habe ich relativ schnell festgestellt, dass man als guter Beifahrer mit einem guten Leumund unter den Fahrern auch relativ schnell Angebote von guten Fahrern bekommt. So bin ich im vierten Jahr schon in der Deutschen Meisterschaft gefahren und 2009 in der JWRC, der Junioren-Weltmeisterschaft.

Manche Fahrer benötigen die Ansagen aus dem „Gebetbuch“ nur als Bestätigung ihrer eigenen Erinnerung, andere sind ohne Ansagen völlig hilflos. Wie schafft man es, sich auf die Bedürfnisse verschiedener Fahrer einzustellen, dabei aber trotzdem seinen eigenen Stil nicht zu verlieren?

Kopczyk: Der Stil, wie ich aufschreibe, das ist mein eigener. Aber ansonsten stellt sich der Beifahrer immer auf den Fahrer ein. Bevor ich zum ersten Mal mit meinem jetzigen Fahrer Dennis Rostek gefahren bin, habe ich mir erst einmal angeschaut, was nutzt er überhaupt für Bezeichnungen und Begrifflichkeiten. Da musst du dir als Beifahrer schon mal ganz neue, kurze und prägnante Abkürzungen für deine „Steno-Schrift“ ausdenken.

Zur Person

Im thüringischen Gera geboren, zog Stefan Kopczyk 1999 nach dem Abitur mit der Familie in die Region nach Schwäbisch Hall, seit 2022 lebt er in Bad Friedrichshall.2003 fuhr Kopczyk seine erste Rallye-Saison und wurde 2012 mit Mark Wallenwein Deutscher Meister. Auch der zweite Platz beim EM-Lauf 2017 auf den Azoren mit Marijan Griebel und der unerwartete Sieg an der Seite des Abstatters Rainer Noller in einem handgeschalteten Porsche 996 GT3 bei der Sachsen-Rallye in der Deutschen Meisterschaft (DRM) 2016 haben für Kopczyk einen hohen Stellenwert. In diesem Jahr wurde er mit Dennis Rostek Dritter in der DRM.

Hauptberuflich arbeitet der 43-Jährige als Verkaufsleiter in einem Heilbronner Autohaus. Weil aktuell die Zeit für das Mountainbike-Fahren fehlt, dreht sich abseits des Motorsports inzwischen alles um die Familie und seine beiden Kinder.


Helfen solche Anpassungsfähigkeiten auch außerhalb des Rallye-Autos im Alltag?

Kopczyk: Ja, absolut. So wie jeder Rallye-Fahrer unterschiedlich ist, so ist auch jedes Individuum im Alltag unterschiedlich. Sich auf unterschiedliche Menschen und Charaktere einzustellen, das kann ich ganz gut und ist natürlich auch in meinem Beruf erforderlich.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, mit wem Sie eine Rallye fahren?

Kopczyk: Für mich sind Konstanz und langfristige Beziehungen wichtig. Ich möchte nicht jedes Wochenende bei irgendjemand anderem im Auto sitzen. Dabei geht es auch um Vertrauen; es ist ja kein ganz ungefährlicher Sport. Ich hatte auch nicht so viele Fahrerwechsel, sondern bin in 22 Jahren mit zwölf Fahrern gefahren – das schaffen viele schon nach drei Jahren.

Was macht einen guten Rallyefahrer aus, bei dem man als Beifahrer gerne einsteigt?

Kopczyk: Schnell Autofahren und schnell Rallyefahren sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wenn man auf der Rundstrecke schnell ist und eine gute Fahrzeugbeherrschung hat, bedeutet das noch nicht, dass man auch schnell Rallyefahren kann. Ich halte daher auch nicht viel von solchen Rallye-Castings, die auf Slalomplätzen oder abgesperrten Rundkursen stattfinden. Da kannst du nur erkennen, ob Talente ein Auto bewegen können. Nicht aber, ob sie eine Straße lesen und aus der Theorie interpretieren können, wie schnell sie später fahren können. Das sind aber Eigenschaften, die ein Rallyefahrer unbedingt braucht. Man muss schon mehr abfragen, als nur schnell um ein paar Hütchen fahren.


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Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie mit einem jungen oder einem älteren Fahrer unterwegs sind?

Kopczyk: Der Unterschied liegt nicht unbedingt im Alter, sondern in der Erfahrung. Ein 25-Jähriger, der schon sieben Jahre fährt, hat mehr Erfahrung als ein 40-jähriger Quereinsteiger. Grundsätzlich gilt: Kein Fahrer würde ohne Beifahrer so schnell und sicher fahren, wie wenn das Zusammenspiel der beiden sehr gut funktioniert. Als Beifahrer kann man schon beim Schrieb viele Hilfen und Hinweise geben. Ein erfahrener Beifahrer sieht Dinge, die Fahrer in ihren ersten Jahren nicht sehen, oder kann Einschätzungen zu Straßenverläufen geben, weil er weiß, wie die Beschaffenheit einer Straße aussieht, wenn dort schon 20 Fahrzeuge zuvor drüber gefahren sind und dabei die Kurven geschnitten haben. Auch beim Einschätzen von Kurvenradien kann er großen Einfluss nehmen.

Walter Röhrl ist der Meinung: „Unfälle, die heute beim Rallyefahren passieren, werden beim Aufschreiben gemacht.“ Was sind die größten Gefahren dabei?

Kopczyk: Ich würde das unterschreiben, auch wenn das natürlich kein Ausschließlichkeitskriterium ist. Aber die Wahrscheinlichkeit, ob es gut geht oder nicht, steigt tatsächlich mit einem guten Aufschrieb. Alles, was dort drin steht und was du dir bewusst machst, darauf kannst du dich einstellen; das ist nicht dem Zufall überlassen. Und Rallye-Sport sollte kein Zufall, sondern sehr, sehr kalkuliert sein. Deswegen liegt in der Aufgabe der Streckenbesichtigung ganz oft der Schlüssel zum Erfolg.



Co-Piloten sind ja nicht nur „Ansager“. Was gehört alles zu Ihren Aufgaben während einer Rallye?

Kopczyk: Das kommt auf die Größe des Teams an. In meiner Anfangszeit habe ich es erlebt, dass der Beifahrer auch Team-Organisator war und die kompletten Reisepläne gemacht und Hotelbuchungen für alle getätigt hat. Das sind Aufgaben, von denen ich heute sage, dass ich sie nicht mehr übernehmen möchte, weil ich die Kapazitäten dafür nicht habe. Nichtsdestotrotz musst du an einem Wochenende immer wissen: Wann ist die Dokumenten-Abnahme, wann ist die technische Abnahme, wo gibt es einen Service, wann findet das Regrouping statt.

Stefan Kopczyk schraubt bei der Hunsrück Rallye in der Deutschen Rallye-Meisterschaft (DRM) an seinem Skoda Fabia RS Rally2. Auch das gehört zum Aufgabenspektrum eines Beifahrers.
Stefan Kopczyk schraubt bei der Hunsrück Rallye in der Deutschen Rallye-Meisterschaft (DRM) an seinem Skoda Fabia RS Rally2. Auch das gehört zum Aufgabenspektrum eines Beifahrers.  Foto: ADAC Motorsport

Viel zu tun gibt es sicherlich auch schon im Vorfeld der eigentlichen Veranstaltung.

Kopczyk: Man muss die Ausschreibungen jeder Rallye genau lesen und verinnerlichen. Als wir zum ersten Mal in Holland gefahren sind, musste ich mich natürlich mit dem holländischen Rallye-Reglement beschäftigen, um zu wissen, wie es dort abläuft. Die meiste Arbeit habe ich im Vorfeld aber mit der Planung der Besichtigungsfahrten. Wenn wir beispielsweise im Dunkeln fahren, schaue ich natürlich, dass wir einen Zeit-Slot finden, um die Strecke auch im Vorfeld einmal im Dunkeln zu fahren. Falls die Strecken bekannt sind, schaue ich, ob sie in der Vergangenheit schon einmal befahren worden sind und ob es dazu Onboard-Videos gibt, die ich dann für den Fahrer aufbereiten kann.

Das klingt nach reichlich Arbeit.

Kopczyk: Das macht auch bestimmt nicht jeder, aber wir sagen: Alles, was uns hilft, müssen wir nutzen. Diese Videos geben wir auch an die Ingenieure weiter, die sich dann vor einer Rallye schon einmal anschauen können, wie vor Ort die Gegebenheiten sind und wie zum Beispiel die Fahrwerkseinstellungen aussehen könnten. Diese Möglichkeiten hatten Röhrl und Co. vor 40 Jahren natürlich nicht.

Ein Rallye-Beifahrer muss also sehr detailversessen sein...

Kopczyk: Auf jeden Fall. Den Anspruch habe ich auch an mich selber. Erfolg ist kein Zufall. Er ist das Ergebnis von harter Arbeit, Fleiß und Disziplin. Ein bisschen Talent gehört sicher auch dazu.

Was sorgt bei so viel Aufwand und Anstrengungen für den Spaß am Rallye-Sport?

Kopczyk: Schön ist es immer wieder, wenn man zu einer neuen Rallye kommt, zu der es noch überhaupt keine Referenzen gibt. Nichts. Wenn man dann eine solche Rallye erfolgreich fährt, ist das auch als Beifahrer die größte Genugtuung. Das macht richtig Spaß.


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Viele reden vom Klima, in der Formel 1 ist Deutschland inzwischen ein weißer Fleck und viele Kommunen tun sich schwer mit Genehmigungen für motorsportliche Veranstaltungen. Ist der Motorsport aus der Zeit gefallen?

Kopczyk: Aus meiner Perspektive ist er natürlich nicht aus der Zeit gefallen. Aber ich verstehe, dass solche Diskussionen geführt werden. Ich bin dafür, dass Menschen, die sich schnell mit einem Auto oder einem Motorrad fortbewegen wollen, das auf abgesperrten Straßen und Rennstrecken tun und nicht im Straßenverkehr. Außerdem bin ich auch davon überzeugt, dass Motorsport weiterhin eine Zukunft hat, weil motorsportlicher Wettbewerb für die Automobilhersteller immer ein Bestandteil von technischer Entwicklung war und Hersteller dabei ihre Kompetenzen vermitteln konnten. Wir waren jüngst beim DTM-Finalrennen am Hockenheimring und da hatte ich nicht den Eindruck, dass Motorsport keine Relevanz mehr hat. Es war für die heutige Zeit richtig voll.

Das alles beherrschende Thema in der Automobilbranche ist die Elektromobilität. Wie passt die mit dem Motorsport zusammen?

Kopczyk: Mit dem ADAC Opel Electric Rally Cup etwa gibt es Initiativen und Hersteller, die sich dort positionieren. Mit Sicherheit auch, weil es in diesem ökologischeren Umfeld aktuell einfacher ist, Sponsoren zu finden und die Akzeptanz in der Gesellschaft höher ist. Es gibt inzwischen auch unglaublich viele Elektro-Gleichmäßigkeits-Rallyes, bei denen es darum geht, wer mit einem Elektro-Fahrzeug die weitesten Distanzen zurücklegen kann. Das wird alles weiter Zukunft haben.

Von den schönen Landschaften wie hier bei der Mittelrhein Rallye in der diesjährigen Deutschen Rallye-Meisterschaft bekommen die Co-Piloten meist nur wenig mit. Der volle Fokus liegt auf der eigenen Arbeit.
Von den schönen Landschaften wie hier bei der Mittelrhein Rallye in der diesjährigen Deutschen Rallye-Meisterschaft bekommen die Co-Piloten meist nur wenig mit. Der volle Fokus liegt auf der eigenen Arbeit.  Foto: ADAC Motorsport

Wie sind Ihre Erfahrungen mit E-Fahrzeugen?

Kopczyk: Als Fahrer wird man in der Komplexität der Dinge und bei der Tatsache, schnell ein Auto zu bewegen, kaum einen Unterschied spüren: Sie werden sich weiter als Rennfahrer fühlen, egal ob sie einen Verbrennermotor fahren oder ein Elektroauto bewegen. Als Zuschauer muss hingegen jeder für sich selbst bewerten, wie es ist, Motorsport ohne Sound zu erleben. Ich vermisse das, für mich gehört das dazu. Man muss aber alles mit Maß und Ziel betrachten. Ich habe größten Respekt und ziehe den Hut vor jedem Veranstalter, der die Wege zu den Genehmigungsbehörden geht. Aber auch da gibt es sehr große Unterschiede.

Was meinen Sie damit?

Kopczyk: Als Teilnehmer unterhalten wir uns bei Rallyes auch immer wieder mit Bürgermeistern, die zum Beispiel im Rahmen von Siegerehrungen ein paar Worte an die Teilnehmer richten. Da gibt es viele, die sehr gerne eine Rallye in ihrem Umfeld haben, weil sie dafür sorgt, dass Menschen dort übernachten, essen, dass Hotels ausgelastet sind und die Region bekannt wird. Das alles hat schließlich auch einen Marketing-Effekt und belebt die Wirtschaft.

Thierry Neuvilles Co-Pilot Nicolas Gilsoul hatte 2014 in Mexiko die glorreiche Idee, einen überhitzten Kühler auf einer Verbindungsetappe durch das Einfüllen des zuvor vom Sponsor der Rallye als Preis erhaltenen Bieres zu kühlen und damit den dritten Platz des Duos zu retten. Verraten Sie uns abschließend Ihr kuriosestes Rallye-Erlebnis?

Kopczyk: Also Bier als Kühlflüssigkeit habe ich noch nicht benutzt; aus einem Bachlauf Wasser nachfüllen, das gab es schon. Aber bei der Rallye Monte Carlo 2011 hat es angefangen zu schneien und Fahrer Mark Wallenwein und ich waren auf spiegelglatten Straßen super langsam unterwegs. Mit dem rechten Hinterrad sind wir trotzdem in eine Felswand eingeschlagen, aber noch ins Ziel der Prüfung gekommen.

Es war dann aber nur noch die Felge drauf und vor uns lagen noch 60 Autobahn-Kilometer bis in den Service-Park. Ich hatte den Feuerlöscher in der Hand und habe in den Rückspiegel geschaut, weil es Funkenschlag ohne Ende gegeben hat und es im Auto unglaublich laut war. Wir sind dann, in der Hoffnung, dass uns die Polizei in unserem ja nicht unbedingt straßenverkehrstauglichen Auto nicht anhält, in den Service-Park gefahren und die Mechaniker haben gesagt, es waren noch zwei Schrauben drin, die das Ganze irgendwie zusammengehalten haben.

Rallye-Jargon

Beim sogenannten Recce, der Besichtigungsfahrt, werden die Wertungsprüfungen vor der eigentlichen Rallye in der Regel zweimal abgefahren und der Fahrer diktiert seinem Co-Piloten dabei den Streckenverlauf und wie er diesen später fahren möchte. Diese Wünsche schreibt der Co-Pilot in abgekürzter Form in eine Kladde, die im Rallye-Jargon „Gebetbuch“ oder „(Auf-)Schrieb“ genannt wird, und gibt dazu Tipps und Hinweise. Daraus liest er dann später bei der eigentlichen Rallye vor.

Mit Hilfe von Zahlen zwischen eins und fünf/sechs werden die Kurvenradien angegeben, wobei 1 für eine enge, langsam zu befahrende Kurve steht, 2 für eine Kurve mit einem etwa 90-Grad-Knick und 5 oder 6 einen offenen, schnellen Richtungswechsel darstellen. Plus- und Minuszeichen dienen als Abstufungen der einzelnen Angaben.

Das untenstehende Bild zeigt Kopczyks Aufschrieb eines Streckenabschnittes der Hellendoorn Rally in den Niederlanden. Hinter dem Kürzel „KL1+ um Bake · 70“ verbirgt sich eine sehr langsame Linkskehre, in der eine Hindernisbake steht und die sich – wie das Pluszeichen signalisiert – etwas weiter fahren lässt, bevor sich in 70 Metern die nächste Kurve anschließt.

Den Aufschrieb „L3+ früh < · 120“ hat Kopczyk seinem Fahrer Dennis Rostek als „Links drei plus, früh, macht auf, 120“ vorgelesen, so dass Rostek wusste, dass ihn eine mittelschnelle, offene Linkskurve erwartet, in die es früh einzulenken gilt und an dessen Ende er das eingeschlagene Lenkrad schnell wieder „aufmachen“ kann, bis in 120 Metern die nächste Kurve folgt. 

Sowohl beim Erstellen als auch beim späteren Vorlesen des Aufschriebs muss es schnell gehen. Daher verwenden Rallye-Beifahrer eine Art Steno-Schrift hinter der sich die Streckenführung verbirgt.
Sowohl beim Erstellen als auch beim späteren Vorlesen des Aufschriebs muss es schnell gehen. Daher verwenden Rallye-Beifahrer eine Art Steno-Schrift hinter der sich die Streckenführung verbirgt.  Foto: Buchmann, Nils
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