Stimme+
Motorsport
Lesezeichen setzen Merken

Freie Fahrt auf dem Nürburgring - Aber für wen?

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat die Nürburgring Langstrecken-Serie in ihrem Umfang beschnitten, doch die NLS weiß sich zu helfen. Der Nürburgring selbst vergibt unterdessen Termine an die neue, von ihm initiierte Konkurrenzserie NES. Wann es losgeht, steht allerdings offiziell noch in den Sternen.

Die Nürburgring Langstrecken-Serie ist bei Zuschauern − hier bei der Doppelveranstaltung im September 2023 − auch aufgrund ihrer Fan-Nähe beliebt. Die Planungen der Serie für 2024 gestalteten sich jedoch bislang schwierig.
Die Nürburgring Langstrecken-Serie ist bei Zuschauern − hier bei der Doppelveranstaltung im September 2023 − auch aufgrund ihrer Fan-Nähe beliebt. Die Planungen der Serie für 2024 gestalteten sich jedoch bislang schwierig.  Foto: Gruppe C Photography

Viele Namen, viele Abkürzungen, viele Parteien und ein großer Streit: Die Zukunft des Langstrecken-Sports auf der Nordschleife des Nürburgrings steht seit Sommer 2023 auf wackeligen Beinen. Es geht um Exklusivität, Nutzungsrechte und am Ende auch um Geld. Nun hat sich der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Koblenz mit dem Fall befasst (U 1102/23 Kart).

Involviert sind dabei drei Parteien: Auf der einen Seite steht die Veranstaltergemeinschaft Langstreckenmeisterschaft Nürburgring (VLN), hinter der neun, zum Großteil dem ADAC angehörige Automobilsportclubs stehen, die auf der Rennstrecke in der Eifel seit 1977 die Breitensport-Veranstaltung Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) ausrichten.


Mehr zum Thema

Das Schnitzelalm-Trio mit dem Weinsberger Patrick Assenheimer (Mitte), Marcel Marchewicz (links) und Tim Neuser feierte das bislang beste NLS-Resultat des Teams.
Stimme+
Motorsport
Lesezeichen setzen

Nürburgring Langstrecken-Serie weiterhin vor unsicherer Zukunft


Auf der anderen Seite steht die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG, die sich als Betreibergesellschaft der gleichnamigen Rennstrecke um deren Betrieb, Verwaltung und Vermarktung kümmert, sowie die NR Holding, die die Eigentümerin der Rennstrecke ist. Dritter Akteur ist die im Sommer 2023 vom AvD ins Leben gerufene Breitenrennsport-Veranstaltung Nürburgring Endurance Serie (NES).

Nachdem der Nürburgring der VLN für das Jahr 2024 keine Renntermine zur Verfügung gestellt hat, klagte die VLN vor dem Landgericht Mainz und erstritt sich das Recht, in diesem Jahr an acht Terminen Rennen auf dem Nürburgring veranstalten zu dürfen. Daraufhin ging die Nürburgring GmbH in Berufung.

Was hat das OLG Koblenz Anfang Januar konkret entschieden?

Das OLG hat das Urteil aus Mainz, das die Rennstrecke als "Essential Facility" und damit als eine Art Allgemeingut klassifiziert hatte, teilweise revidiert. Demnach muss die Nürburgring GmbH der VLN für das Jahr 2024 nur insgesamt fünf Termine zur Verfügung stellen − vier davon über zwei, einen (für zwei Läufe an einem Wochenende) über drei Tage. Damit könnte die VLN nun sechs NLS-Läufe austragen.

Wie kam es zu dem Konflikt?

Bis zum Jahresende 2023 war die Nürburgring (NR) Holding GmbH als Hauptgesellschafterin der VLN-Vermarktungsgesellschaft offiziell Teil der VLN. Seit Monaten führten die Nürburgring-Eigentümer allerdings Gespräche mit dem AvD, um ab 2024 mit ihm als Partner eine neue Langstrecken-Serie − die NES − auszurichten.

Das Angebot, an dieser Serie mitzuwirken, schlug die VLN mit ihren ADAC-Clubs aus, weil sie nicht die Kontrolle über den von ihnen aufgebauten Langstrecken-Sport auf dem Eifelkurs abgeben wollte. Stattdessen kündigte die VLN an, die NLS fortan selbst auszurichten, worauf der Nürburgring ihr keine Termine hierfür zuwies.

Was bedeutet das Urteil aus Koblenz für die Zukunft der NLS?

"Ich sehe das Urteil positiv für uns. Ursprünglich wollte man uns gar nicht mehr fahren lassen. Daher ist es ein Erfolg für uns, auch wenn ich mir mehr Termine gewünscht hätte", sagt Mike Jäger, Geschäftsführer der VLN Sport GmbH & Co. KG. Ein möglicher Vergleich zwischen den Streitparteien sei "ohne greifbares Ergebnis" geblieben.

Einen großen Teil der Motorsport-Teams dürfte die NLS weiterhin auf ihrer Seite haben, was für die Durchführung der Serie unerlässlich ist, schließlich hängt ihre Wirtschaftlichkeit maßgeblich von der Zahl der Teilnehmer ab. Auch Sportwarte wie Streckenposten oder Rennkommissare stehen dem Vernehmen nach in großen Teilen hinter der NLS. Konkrete Renn-Termine sind bislang allerdings nur intern an die Teams kommuniziert worden.

Klar ist hingegen: Zu den sechs gerichtlich erstrittenen NLS-Läufen werden auch die beiden "Qualifiers" des 24-Stunden-Rennens für die NLS gewertet. Darauf einigten sich die VLN und der ADAC Nordrhein als Ausrichter des 24-Stunden-Rennens. So kommt die NLS 2024 insgesamt doch auf acht Rennen.

Was sagen die Fahrer?

"Die ganze Geschichte ist total unnötig und hat nur Unruhe hineingebracht", sagt Yannick Fübrich (32). Der NLS-Meister von 2019 wird mit seinem Team Adrenalin Motorsport der NLS treu bleiben. Aber für die Sponsorensuche und die Budget-Planungen sei es schwierig, wenn man im Januar noch keine echte Planungssicherheit habe. Der Brackenheimer ist sich zudem sicher: "Die NES wird sich nicht durchsetzen." Die Ablehnung vieler großer Teams und die Tatsache, dass die umstrittenen ehemaligen NLS-Rennkommissare nun in der Nürburgring Endurance Serie in gleicher Position tätig sein werden, dürfte laut Fübrich nicht zur Akzeptanz der neuen Langstrecken-Serie beitragen.

Ähnlich sieht es Heiko Hammel. Dem 35-jährigen Forchtenberger, im Vorjahr für Max Kruse Racing unter anderem in der NLS unterwegs, erschließt sich wie vielen seiner Kollegen nicht, was mit der NES bezweckt werden soll. "Niemandem ist so richtig klar, worum es den Personen dahinter wirklich geht. Es gibt ja noch nicht einmal ein Reglement." Für ihn sei die Situation angesichts vorhandener Alternativen für Starts in anderen Rennserien noch erträglich. Doch für Teams, die Gehälter etwa an Mechaniker zahlen, und Fahrer oder Pay-Driver, die auch mit Hilfe von Sponsoren ihren Lebensunterhalt finanzieren müssten, sei die aktuelle Situation schlicht "eine Katastrophe". Er merkt zudem an: "Mit der NES 500 gibt es ja auch schon eine Langstrecken-Serie mit einem ähnlichen Namen."

Diese National Endurance Series des Deutschen Motorsport Verbandes (DMV), die nicht nur auf dem Nürburgring, sondern zum Teil auch im europäischen Ausland ausgetragen wird, hatte Hammel im Vorjahr gemeinsam mit Reinhard Nehls in einem Opel Astra TCR als Gesamtmeister gewonnen.


Mehr zum Thema

2023 gewann das ViVa-Endurance-Team beim Sechs-Stunden-Rennen auf dem Circuit de Spa-Francorchamps die Endurance-Wertung. Mittendrin: der Zaberfelder Sven Seidler neben seinen Teamkollegen Mario Peuker (li.) und Ralph Uhlig.
Foto: Linde Helme
Stimme+
Motorsport
Lesezeichen setzen

Sven Seidlers 24-Stunden-Traum ist nur aufgeschoben


Wie geht es weiter?

Der Haupteigentümer des Nürburgrings ist seit 2014 die NR Holding AG hinter der der russische Milliardär Viktor Charitonin steht. Als Betreiber fungiert die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG, die der neuen Langstrecken-Serie NES laut „Auto Motor und Sport“ fünf Veranstaltungstermine in Aussicht gestellt hat, so dass in diesem Jahr zwei Langstrecken-Serien in Konkurrenz zueinander auf dem Nürburgring fahren könnten.

Ob diese Rechnung für alle Beteiligten wirtschaftlich aufgeht, ist fraglich. Doch während die VLN mit ihrer NLS zumindest viele Teams und Fahrer auf ihrer Seite zu wissen scheint, könnte die NES (in ihrem Premierenjahr) im Falle zu weniger Starter über die NR Holding AG finanziell ge- und unterstützt werden. Doch bis es soweit ist, brauchen die einen erst noch ein Reglement und die anderen einen endgültig festgezurrten Termin-Kalender.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben