Nürburgring Langstrecken-Serie weiterhin vor unsicherer Zukunft
Die NLS befindet sich weiter im Zwist mit sich selbst. Noch immer fehlt ein Konzept für 2024, viele Fragen sind ungeklärt, es geht um Geld und Macht. Fahrer und Teams hoffen dagegen auf schnelle Antworten.

Die Erklärung, die die Interessengemeinschaft Langstrecke Nürburgring (ILN) am vergangenen Donnerstag über ihren Internet-Auftritt veröffentlichte, ließ rund um den Eifel-Kurs aufhorchen, an dem sich der Langstrecken-Zirkus zu ersten Testfahrten vor dem Sechs-Stunden-Rennen um den Ruhr-Pokal versammelt hatte.
"Angesichts der Menge der zu klärenden Fragen und Problemstellungen - vom Reglement bis hin zur organisatorischen Umsetzung - hegen wir ernsthafte Zweifel, dass innerhalb der nächsten zwei Monate belastbare Antworten und Lösungen für die Einführung einer neuen Serie unter einem neuen Dach gefunden werden können", heißt es in der ILN-Mitteilung.
"Sehr unbefriedigend" sei die derzeitige Situation, es drohten "unweigerlich schwere Schäden für den Langstreckensport", bilanziert die ILN, die seit 2015 als Vertreterin der Teams und Fahrer in der Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) gilt und für 2024 nun eine Fortführung der NLS im aktuellen Format anregt.
Uneinigkeit über Gesellschaftsstruktur löst Konflikt aus
Angesprochen fühlen sollte sich von dieser Erklärung vor allem die Veranstaltergemeinschaft Langstreckenmeisterschaft Nürburgring (VLN), in der sich zehn Motorsportclubs und die Nürburgring Holding GmbH zusammengeschlossen haben, um die NLS auszurichten. Die VLN besteht wiederum aus einer Vermarktungsgesellschaft (VLN VV GmbH), die die wirtschaftliche Basis der Serie bildet, und einer VLN Sport GmbH. Doch es gibt Streit zwischen den Partnern. Der Hintergrund dabei ist äußerst komplex.
Im Zentrum steht die Frage, unter welchem Dach die Serie künftig fortgesetzt oder neu aufgebaut wird. Seit die Nürburgring Holding GmbH nach Unstimmigkeiten um die Gesellschaftsstruktur ihren Ausstieg aus der VLN-Vermarktungsgesellschaft zum Jahresende bekanntgegeben und sich danach die Mehrheit der VLN-Sport-Gesellschafter dazu entschieden hatte, die NLS eigenständig betreiben zu wollen, sind die Fronten verhärtet.
Nürburgring Holding als entscheidender Akteur
Auf der einen Seite steht die Nürburgring Holding als Betreiberin der Rennstrecke, die der VLN von 2024 an keine Renntermine mehr zur Verfügung stellen will und den Automobilclub von Deutschland (AvD) als Partner an ihrer Seite hat.
Auf der anderen Seite will die VLN Sport GmbH mit sieben der zehn ausrichtenden Motorsportclubs, von denen sechs dem ADAC angehören, die NLS weiterführen. Das Problem: Die Nürburgring Holding ist als Rennstreckenbetreiberin der entscheidende Akteur: vergibt sie keine Termine, gibt es keine Rennen - aber eben auch kein Geld, sofern Nürburgring Holding und AvD nicht eine neue Serie ins Leben rufen.
Auch die Möglichkeit von zwei konkurrierenden Langstreckenserien steht im Raum. Wie es weitergeht, ist offen. "Ich denke, beide Seiten haben sich etwas verkalkuliert", sagt Langstreckenpilot Patrick Assenheimer. Antworten auf Fragen der Heilbronner Stimme zur Zukunft der Serie konnte die VLN in sechs Tagen nicht beantworten.
Kleineres Starterfeld, aber Faszination ist ungebrochen
"Die letzte Zeit war nicht einfach für die NLS", sagt Yannick Fübrich mit Blick auf Terminprobleme, steigende Nenngelder und zurückgehende Starterzahlen. Der Brackenheimer gehört beinahe zum Inventar der NLS und wurde 2019 Meister in der Serie. In seinen Anfangsjahren seien regelmäßig rund 180 Fahrzeuge am Start gewesen, am Wochenende waren es noch 109.

Bei ihrem Start 1977 hieß die Rennserie zunächst "Langstreckenpokal" bevor sie ab der Jahrtausendwende unter dem Namen "VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring" firmierte und zur Saison 2020 schließlich zum aktuellen Namen wechselte.
Kein Mehrwehrt durch zwei konkurrierende Serien
Die Erklärung der ILN sei bei der Fahrerbesprechung vor dem Sechs-Stunden-Rennen kurz angesprochen worden. "Uns wurde gesagt, dass es die NLS und die VLN weiter geben soll", berichtet Yannick Fübrich. Er schätzt das derzeitige Serienkonzept: "Man bekommt mit verhältnismäßig wenig Geld als Fahrer viele Rennen und am gesamten Wochenende viel Fahrzeit. Und für die Fans wäre es mit Sicherheit weniger attraktiv, wenn es zwei konkurrierende Meisterschaften mit jeweils 60 Fahrzeugen gäbe, statt einer mit 120. Das wäre auch für die Charakteristik der Nürburgring-Rennen schade", sagt der 31-Jährige.
Die Faszination der Serie speist sich vor allem aus der Renndistanz über vier und je einmal sechs und zwölf Stunden, der Streckenkombination aus Grand-Prix-Kurs und Nordschleife sowie den vielen unterschiedlichen Fahrzeugen und Klassen.
Breitensport benötigt Planungssicherheit
Patrick Assenheimer sieht es ähnlich wie Fübrich: Einer Serie mit 60 Fahrzeugen würde wohl die wirtschaftliche Basis fehlen, mutmaßt der Weinsberger. "Natürlich gibt es immer Interessenskonflikte, wenn mehrere Parteien in einem Topf rühren. Aber es ist schade, dass da ein Machtkampf vor allem auf dem Rücken der kleinen Teams geführt wird", sagt der 31-Jährige.
Für den Breitensport brauche es Planungssicherheit: "Werkssport wird es immer geben, die großen Teams finden nötigenfalls eine andere Serie, in der sie fahren können", sagt Assenheimer, "aber für die anderen, bei denen aktuell die Budget-Planungen laufen, zählen jeder Tag und jeder Cent. Ich kann nur hoffen, dass alle Beteiligten schnell eine Lösung zum Wohle des Motorsports finden."
Sechs-Stunden-Rennen um den Ruhr-Pokal
Die Bilanz beim Ruhr-Pokal-Rennen, dem fünften von neun Wertungsläufen der NLS, war aus regionaler Sicht gemischt. Im 109 Starter großen Feld waren Patrick Assenheimer, Marcel Marchewicz und Tim Neusser (Mercedes-AMG GT3) als Gesamt-Zweite am besten platziert. Das Schnitzelalm-Trio wurde als Dritter abgewunken, profitierte aber von der Disqualifikation von Dennis Fetzer/Martin Ragginger (Falken Motorsport). Am Porsche 911 GT3 R des Duos hatte der Einstellwinkel des Heckflügels nicht dem Reglement entsprochen.
"Man muss fairerweise sagen, dass es nur sehr schmale Gradzahlen sind, die da den Unterschied ausmachen. Bei einer kleinen Änderung am Auto, ändern sich auch andere Parameter", sagt Patrick Assenheimer. "Ich unterstelle dem Falken-Team da keine Absicht." Für Schnitzelalm Racing war es das bislang beste Ergebnis in der NLS.
Ganz vorne in der BMW-M240i-Klasse landete erneut Yannick Fübrich. Der Startfahrer baute von der Pole Position seine Führung aus, so dass er und die Teamkollegen Sven Markert, Nils Steinbach und Nick Deißler am Ende Gesamt-36 wurden.
Pech hatte hingegen Fabio Sacchi aus Weinsberg. Der 25-Jährige hatte von Startplatz 48 bereits einige Plätze gutgemacht, als sich das Getriebe seines Porsche Cayman GT4 noch in der ersten Runde im Eingang Brünnchen verabschiedete. "Beim Abbiegen auf die Nordschleife hatte ich leider schon Geräusche im Auto, die da eigentlich nicht hingehören", hatte Sacchi das Unglück bereits erahnt.
Weniger gut lief der Samstag ebenso für Heiko Hammel. Der Forchtenberger landete im VW Golf VII von Max Kruse Racing auf dem dritten von vier Plätzen in der SP3T-Klasse.