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Die Sportvereine sollen 20 Prozent Energie einsparen: Wie kann das gehen?

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Die Energiekrise droht in den 90000 deutschen Sportvereinen die Lichter langsam ausgehen zu lassen. So ist die Situation in den Vereinen in der Region.

Von unserer Redaktion und dpa
Düstere Aussichten: In den deutschen Sporthallen und auf den deutschen Sportplätzen wird es diesen Winter kalt und finster. Doch es gibt strahlende Ausnahmen. Auch in der Region.
Foto: michaklootwijk/stock.adobe.com
Düstere Aussichten: In den deutschen Sporthallen und auf den deutschen Sportplätzen wird es diesen Winter kalt und finster. Doch es gibt strahlende Ausnahmen. Auch in der Region. Foto: michaklootwijk/stock.adobe.com  Foto: michaklootwijk/stock.adobe.com

Der sportliche Winter wird kalt und finster. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat seine etwa 90 000 Sportvereine kürzlich aufgerufen, "in den nächsten Monaten mindestens 20 Prozent Energie einzusparen". Die Energiekrise erzwinge Sparmaßnahmen, mit denen eine pauschale Schließungen von Sportstätten und Schwimmbädern vermieden werden soll. Das ist allerdings ein warmer Wunsch. Wie sieht derzeit die kalte Wirklichkeit aus? Wir haben uns bei Vereinen in der Region umgehört.

 

Potenziell große Ersparnis beim Strom, Beispiel RV Schwaigern

20 Prozent einsparen? "Da gibt es nicht viele Möglichkeiten", sagt Oliver Schmiech, zweiter Vorsitzender des Reitvereins Schwaigern. "Wir haben keine Duschen." Und mit dem Runterdrehen der Heizung des nur ab und an bewirteten Reiterstübles lasse sich nicht die Welt retten. "Seit der Pandemie ist alles auf dem Prüfstand."

Seither sei die Vollbeleuchtung in den Hallen beim Training vorbei. Interessant: Die neue, dritte Halle sei mit LED-Lampen ausgestattet. "Beim Stromverbrauch macht sich die kaum bemerkbar", sagt Oliver Schmiech. Daher glaubt er auch, dass mit der Umrüstung auf LED-Technik "tendenziell 20 Prozent Ersparnis rauszuholen wären". Aber es wolle gerade jeder seine Beleuchtung austauschen, daher gehe das nicht mal soeben. "Und die Preise für Lampen haben sich verdoppelt."

 

Zwölf Seiten Empfehlungen vom DOSB

"Ich bekomme jeden Tag Schreiben von Sportvereinen, die Hilfe wollen", hat Bundesfinanzminister Christian Lindner diese Woche getwittert: "Steigende Energiekosten sind für Vereine existenzbedrohend. Wichtig, dass schnell und unbürokratisch Hilfe kommt, sonst wird nicht nur dieser Winter bewegungsarm." DOSB-Präsident Thomas Weikert sagt: "Der Winter bereitet uns schon Sorgen."

Alles nicht so einfach. Wobei sich der DOSB Mühe gemacht, zwölf Seiten "Empfehlungen zur Energiereduktion für Sportvereine" zusammengestellt hat. Allgemein, für Sporthallen und für Sportplätze, je in drei Stufen. Die aufgeführte Entlüftung der Heizkörper mag man belächeln, doch die Liste ist lang, auch energetisches Kleinvieh macht Mist. Aber langfristige Umrüstungen etwa auf Wärmepumpen oder der Einbau von Zisternen kostet Geld. Apropos: Im dritten Entlastungspaket des Bundes in der Pandemie kommt die 27 Millionen Mitglieder große Sportbewegung mit 90.000 Vereinen gar nicht vor. Düstere Aussichten.


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Wenig Handlungsmöglichkeiten bei SUN-Handballern

Für die Handballerinnen und Handballer der Sport-Union Neckarsulm bezeichnet Geschäftsführer Kai Stettner die Handlungsmöglichkeiten des Vereins als überschaubar: "Dadurch, dass wir überwiegend in städtischen Hallen unterwegs sind, haben wir wenig Einfluss darauf, welche Maßnahmen dort umgesetzt werden." Das, was die Stadt Neckarsulm an Energiesparmaßnahmen bereits umgesetzt habe, trage man selbstverständlich mit. Dazu zählen unter anderem eine reduzierte Hallenbeleuchtung mit der Unterscheidung zwischen Trainings- und Spielbetrieb sowie der Verzicht auf Warmwasser in den Duschen.

Das Zusammenlegen von Trainingszeiten scheitere hingegen am Platz. "Wir haben ohnehin zu wenig Hallenzeiten", sagt Kai Stettner. Weil in der Ballei-Sporthalle in Kürze der Boden ausgetauscht wird, die Sulmhalle renoviert wird und die Sporthalle der Christian-Schmidt-Schule derzeit als Notunterkunft für Flüchtlinge benötigt wird, bleibe ohnehin nur noch die Pichterichhalle als Spiel- und Trainingsstätte.

In der Ballei ist beispielsweise durchaus noch Energiespar-Potenzial vorhanden. Die Beleuchtung ist noch nicht auf LED umgestellt. Die Lampen fungieren quasi ganz nebenbei auch noch als Heizung, ähnlich wie eine Wärmelampe über dem Wickeltisch.


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Besonders große Sorge bei den Schwimmern

Besonders groß ist die Sorge des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), nach der Corona-Krise "in die nächste große Notlage zu schlittern", sagt Leistungssportdirektor Christian Hansmann. Wenn viele Bäder in Deutschland schließen oder man die Temperatur herunterregeln müsste, beträfe es die breite Basis genauso wie die Elite. "Da sehe ich eine große Gefahr, dass wir in einem Jahr niemand mehr in die Spitze bekommen, weil die Trainingsbedingungen sich weiter verschlechtern", mahnt Hansmann.

Ein Schwimmer, der zweimal am Tag zwei Stunden im Wasser sei, könne bei 25 Grad nicht leistungsorientiert trainieren: "Das ist einfach zu kalt. Das Verletzungsrisiko steigt, Erkältungen häufen sich." Daher sollten hochtemperierte Außenbecken abgeschaltet, Saunen und Freizeitbecken nicht geöffnet werden. Wenn alles nicht mehr reicht, sollte die Wassertemperatur in Sport- und Lehrsportbecken gesenkt werden. "Das sollte aber das allerletzte Mittel sein."

 

Ein Grad kühler im Aquatoll-Sportbad

Nicht nur bei Meisterschaften herrscht im Neckarsulmer Sportbad Aquatoll reger Betrieb. Die Wassertemperatur ist derzeit ein Grad kühler. "Wir richten uns nach den Maßnahmen der Stadt", sagt SUN-Vorstandsmitglied Christian Hirschmann.
Foto: Bertok
Nicht nur bei Meisterschaften herrscht im Neckarsulmer Sportbad Aquatoll reger Betrieb. Die Wassertemperatur ist derzeit ein Grad kühler. "Wir richten uns nach den Maßnahmen der Stadt", sagt SUN-Vorstandsmitglied Christian Hirschmann. Foto: Bertok  Foto: Bertok

Bei den Schwimmern der Sport-Union Neckarsulm herrscht ob dieser Problematik Gelassenheit. "Das Wasser wird definitiv kühler sein im Aquatoll-Bad. Aber das stört keinen. Jeder muss in der momentanen Situation Einschnitte hinnehmen", sagt Vorstandsmitglied Christian Hirschmann - die Normal-Wassertemperatur liege bei 26 bis 27 Grad. "Aktuell ist es ein Grad kühler", so Hirschmann. "Geht es nochmals ein Grad runter, ist das halt so. Wir richten uns nach den Maßnahmen der Stadt."

Im Eishockey mit den besonders energieintensiven Flächen steht die Zukunft vieler Hallen auf dem Spiel. Für die Vereisung von 1800 Quadratmetern braucht man jährlich rund 600.000 Kilowattstunden - so viel wie 150 Vier-Personen-Haushalte im Jahr. Je nach Standort und Alter der Halle sind die Energiekosten um den Faktor zwei bis vier gestiegen. Dass sich das Sterben der älteren Hallen nun beschleunigt, gilt als ausgemacht. Und Deutschland hat schon nicht gerade viele Eisflächen.


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Heilbronner Eisstadion verbraucht mehr als 700.000 Kilowattstunden

Die Eishockey-Clubs selber können entsprechend wenig zum Energiesparen beitragen. "Wir sind am Tag eineinhalb Stunden in der Halle, da ist nicht viel machbar", sagt Marco Merz, Geschäftsführer der Heilbronner Falken. Der DEL 2-Club hat aber mit dem Stammverein Heilbronner EC sowie den Stadtwerken als Betreiber der Halle nach Möglichkeiten gesucht - und auch gefunden, wie Erik Mai sagt. Der Geschäftsführer der Stadtwerke war in den vergangenen Wochen als Detektiv gefragt. Und ist es noch. "Wir suchen jeden Tag nach jeder Kilowattstunde, die wir einsparen können", sagt Mai.

Im Eisstadion sind die Energiespar-Fahnder an eher unerwarteter Stelle fündig geworden: "Wir haben die Lüftung unter der Woche im Trainingsbetrieb reduziert", sagt Mai. Auf die Weise lassen sich beim Gas etwa 30 Prozent einsparen. Bei mehr als 700.000 Kilowattstunden, die das Eisstadion in Heilbronn pro Jahr verbraucht, eine Menge.

 

Luftfeuchtigkeit sorgt für weiches Eis und greift Konstruktion an

Allerdings bleibt das nicht folgenlos. Die Luftfeuchtigkeit in der Halle steigt, das Eis ist weniger fest. "Aber man schwimmt auf Kufen auch nicht davon", sagt Erik Mai. Das Eis habe zwar nicht mehr die Top-Qualität, die die Stadtwerke liefern könnten. "Ein regulärer Trainingsbetrieb ist aber weiterhin möglich." Über einen langen Zeitraum lässt sich die Maßnahme allerdings nicht aufrechterhalten. "Feuchtigkeit greift die Hallenkonstruktion an", sagt Mai.

Bei Holz wäre es deutlich problematischer, bei einer Stahlkonstruktion wie in Heilbronn dauert es dagegen länger. "Aber mehr als ein, maximal zwei Saisons können wir die Lüftung nicht runterfahren", sagt Erik Mai. Der Stadtwerke-Chef ist froh, dass die beiden Clubs der Maßnahme zugestimmt haben. "Die Botschaft lautet: Alle wissen, dass sie ihren Beitrag leisten müssen." Parallel werde in den Büros im Eisstadion wie in der Verwaltung die Raumtemperatur gesenkt. Die Einsparungen dadurch fallen jedoch in den Promillebereich, sagt Erik Mai.

 

Empfohlene Mindesttemperatur für Sporthallen: 15 Grad

Vom Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen wird eine Mindesttemperatur von 15 Grad Celsius in Sporthallen empfohlen. Sportverbände haben zudem eigene Vorgaben. Für den internationalen Volleyballverband darf es bis zehn Grad Celsius kalt sein; die deutschen Verbände für Tischtennis und Handball schreiben 15 Grad vor. Wie weit angesichts der explodierten Gaspreise Luft und Wasser heruntergekühlt werden, entscheiden zumeist die Kommunen.

Der Kunstrasenplatz im Heilbronner Hockeypark muss vor Benutzung stets gewässert werden. Dabei kommt Wasser aus einer unterirdischen Quelle zum Einsatz. "Selbst in diesem trockenen Sommer ist sie nicht versiegt", sagt Sportwart Uwe Schöneck von der TSG Heilbronn.

 

Weniger Lichttechnik und Show bei den Red Devils

Die Bundesliga-Ringer der Red Devils Heilbronn stehen an diesem Samstag vor ihrem ersten Heimkampf. Viele Möglichkeiten, ergänzend zur Energie-Einsparung der Stadt beizutragen, hat die Abteilung des SV Heilbronn am Leinbach nicht. "Wir fahren die Lichttechnik über der Kampfmatte etwas herunter", sagt Devils-Geschäftsstellenleiter Dominik Bauer. "Es wird nur das Licht eingeschaltet, das für den Grundbedarf nötig ist, um die Matte zu beleuchten." Ausufernde bunte Licht-Shows wie in der vergangenen Saison soll es nicht mehr geben.

"Uns erreichen fast täglich neue Hilferufe von Sportvereinen, die aufgrund von explodierenden Energiekosten um ihre Existenz fürchten. Wir fürchten nachhaltige strukturelle Schäden in der Vereinslandschaft", hat Thomas Weikert bei der DOSB-Präsidiumssitzung vor einer Woche gesagt. Die Sorgen vieler Vereine seien noch größer als in der Hochphase von Corona, vor allem Vereine mit vereinseigenen Sportstätten seien betroffen. Um den genauen Finanzbedarf beziffern zu können, hat der DOSB mit den Landessportbünden eine Befragung von Vereinen in Auftrag gegeben. "Wir brauchen ein klares Bild, an welcher Stelle Hilfen zielgerichtet eingesetzt werden müssen."

 

Offener Brief von 572 Vereinen aus dem Ländle

In einem eindringlichen Appell haben sich allein 572 baden-württembergische Sportvereine an ihre Landesverbände gewandt und vor einem Vereinssterben wegen der stark steigenden Energiekosten gewarnt. Die Lage sei bedrohlicher als die Folgen der Pandemie, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben an die drei Präsidenten des Badischen Sportbundes Freiburg und des Badischen Sportbundes Nord sowie des Württembergischen Landessportbunds. Vielen Vereinen seien von ihren Energieversorgern teils massive Preiserhöhungen angekündigt worden. Das Schreiben ist als Offener Brief unter anderem an Ministerpräsident Wilfried Kretschmann gegangen.

Auch aus der Region haben zahlreiche Vereine unterschrieben, darunter die Sektion Heilbronn des Deutschen Alpenvereins, die Handballakademie Heilbronn-Franken, die Ruderschwaben und die Großvereine TSG Heilbronn, TG Böckingen sowie SV Heilbronn am Leinbach. Darüber hinaus sind neben dem TSV Künzelsau und der TSG Öhringen auch viele Hohenloher Clubs und Vereine aus dem Kraichgau vertreten.

"In unseren Sportvereinen wächst die Angst, dass wir dieses Mal nicht nur mit einem blauen Auge davonkommen werden", schreibt der Vereinsmanager Harald Link von der SV Böblingen.

 

Kalter Lockdown befürchtet

Aus sozialen Gründen sei es zudem nicht möglich, die Mitgliedsbeiträge zu erhöhen, so Link. Dann würden die Mitglieder "in Scharen davonlaufen". Es sei nur eine Frage der Zeit, bis ein Verein seinen Betrieb erheblich einschränke oder seine Sportstätten ganz schließe, schreibt Harald Link im Namen der Vereine. "Welche gesundheitlichen und sozialen, welche gesellschaftlichen und persönlichen Folgen ein solcher "kalter Lockdown" im organisierten Sport hätte, wissen wir aus den vergangenen schweren Corona-Jahren nur zu genau."

 
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