Verpasster Zweitliga-Aufstieg als Chance für Drittligist SG Schozach-Bottwartal
Evolution statt Revolution: SG Schozach-Bottwartal visiert mit einer abermals verjüngten Mannschaft die Spitzengruppe an. Die Qualität in der Süd-Gruppe der 3. Liga hat allerdings zugenommen.

„Nein, nein“, winkt Hannes Diller schnell ab, „wir haben das handballerische Rad nicht neu erfunden“. Dafür hatten der Trainer von Handball-Drittligist SG Schozach-Bottwartal und sein Trainerkollege Adrian Awad in den Sommermonaten schlicht zu wenig Zeit, zu wenige Spielerinnen und zu wenig Platz.
Nachdem im Mai in der Aufstiegsrunde verpassten direkten Sprung zurück in die 2. Bundesliga – Vierter war die SGSB nach einem Sieg in der Fünfer-Gruppe geworden; mindestens Platz drei hätte es sein müssen, um an der Relegation teilnehmen zu können – ging es mal wieder etwas holprig zu im Bottwartal.
Viel Kleingruppen-Training in den ersten Vorbereitungswochen
Die Langhanshalle war im Sommer eine Dauerbaustelle und stand mehrere Wochen nicht zur Verfügung. Urlaubspläne durchkreuzten Vorbereitungspläne und auch das Verletzungspech begleitete den Drittligisten abermals auf Schritt und Tritt.
„Wir haben erst Anfang des Monats zum ersten Mal im Sechs-gegen-Sechs trainiert und vorher viel in Kleingruppen gearbeitet“, gibt Hannes Diller einen Einblick in die zurückliegenden Vorbereitungswochen. Dennoch seien das Angriffsspiel verfeinert und in der Abwehr die Aufgaben und Erwartungen an die Spielerinnen und Positionen klarer benannt worden.
Enttäuschung ist inzwischen neuem Tatendrang gewichen
Die Enttäuschung rund um den verpassten Aufstieg ist jedoch allen Widrigkeiten zum Trotz längst neuem Tatendrang gewichen. Nicht zuletzt, weil die abermals verjüngte Mannschaft das vielleicht spannendste Handball-Projekt der Region ist. Hannes Diller (25) und Adrian Awad (28) gehören zu den jüngsten Drittliga-Trainern weit und breit und leiten einen 19er-Kader mit einem Altersdurchschnitt von gerade einmal 22,3 Jahren an. „Wir setzen noch deutlich mehr auf die eigene Jugend und haben mehrere Spielerinnen auf A-Jugend-Bundesliga-Niveau dabei“, sagt Diller. Diese Akteurinnen gelte es während der Saison schrittweise an den Aktiven-Bereich heranzuführen.
„Wir setzen noch deutlich mehr auf die eigene Jugend und haben mehrere Spielerinnen auf A-Jugend-Bundesliga-Niveau dabei.“
Hannes Diller
Die Frage sei erlaubt, ob sich die Spielgemeinschaft angesichts dessen und mit Blick auf die Entwicklung der Spielerinnen mit der zweiten Liga überhaupt einen Gefallen getan hätte. Schließlich hat die 3. Liga – die Süd-Gruppe im Besonderen – ohnehin an Qualität gewonnen.
Aus vier Drittliga-Staffeln sind nach den vom Deutschen Handballbund (DHB) beschlossenen Spielklassenreformen deren drei geworden. Weil im Süden keine Aufsteiger hinauf, dafür mit den Zweitliga-Absteigern HSG Freiburg und HCD Gröbenzell Qualität von oben herabgekommen ist, hat Hannes Diller großen Respekt vor den Aufgaben, die in den nächsten Wochen auf ihn und seine Mannschaft zukommen werden.
Hannes Diller muss zwei Langzeitausfälle kompensieren
„Klare Ziele zu benennen, ist unfassbar schwer. Man darf ja auch nicht vergessen, dass in der letzten Saison noch drei andere Teams vor uns in der Tabelle standen.“ Ein Platz unter den besten vier Mannschaften sollte es allerdings schon sein. Ob auch eine erneute Teilnahme an der Aufstiegsrunde realistisch ist, darüber könne man sich im Januar noch einmal unterhalten.
Viel wird davon abhängen, wie die Mannschaft bis dahin durch die Saison gekommen ist. Auf dem Papier ist der Kader tiefer besetzt als in der vergangenen Spielzeit, „aber uns fehlt die qualitative Breite“, gibt Diller zu bedenken, ohne das als Vorwurf verstanden wissen zu wollen. Seinen Neuzugängen Liv Fiederer (17, Rückraum), Paula Sturm (17, Linksaußen) und Paula Hofer (16, Rückraum) fehlt schlicht die Erfahrung im Aktiven-Bereich und Noemi Hoefs (23, Rückraum) ist mit einer Knöchelverletzung vorerst außen vor. Hinzu kommen die mit Kreuzbandrissen ohnehin verletzten Seema Awad (bis Dezember) und Nina Dierolf (bis Mai).
Problemposition auf Rechtsaußen ist fortan wieder doppelt besetzt
Sofort helfen werden hingegen die zweitligaerfahrene Saskia Fackel (31), die es vom 1. FSV Mainz 05 ins Bottwartal verschlagen hat, und Esther Adam, die gemeinsam mit der nach einem Kreuzbandriss zurückgekehrten Sophie Räuchle (21) die Problemposition auf Rechtsaußen besetzen kann.
Fackel soll vor allem den (Teil-)Abgang von Top-Talent Lara Däuble kompensieren, die nach ihrem Wechsel zu Bundesligist Frisch Auf Göppingen nur noch mit einem Zweitspielrecht bei der SGSB spielt. „Sie soll einmal pro Woche bei uns mittrainieren und kann theoretisch bei uns spielen, sofern Frisch Auf spielfrei hat oder sie freigibt“, erklärt Hannes Diller. Eine Musterlösung gebe es nicht, sondern stattdessen einen regelmäßigen Austausch mit FAG-Trainer Nico Kiener. Allzu oft dürfte die inzwischen 18-Jährige in der Langhanshalle aber wohl nicht auflaufen.
Aylin Bornhardt kehrt als WM-All-Star zurück ins Bottwartal
Dieser Umstand bietet jedoch anderen Akteurinnen die Chance, sich ins Rampenlicht zu spielen, schließlich stehen Diller und Awad U-Nationalspielerinnen mit Bundesliga- und Verbandsauswahl-Erfahrung und seit August mit Kreisläuferin Aylin Bornhardt sogar ein U18-WM-All-Star zu Verfügung. Mindestens zum Start werden jedoch die arrivierten Kräfte die Richtung auf dem Feld vorgeben.

Jana Brausch ist im Tor ein zuverlässiger Rückhalt und Hanna Krause an guten Tagen ein fast gleichwertiger Ersatz. Spielführerin Elena Fabritz wird mit Carlotta Hees am Kreis für Unruhe sorgen, Lisa Loehnig und Fackel die Halbpositionen ausfüllen. Die linke Außenbahn gehört aufgrund Seema Awads verletzungsbedingter Abwesenheit Hannah Hönig, auf Rechtsaußen scheinen die Karten hingegen noch nicht endgültig verteilt. Für Kreativität sorgt aus der Rückraum-Mitte weiterhin Natascha Fabritz (geb. Weber).
Erneut wird über sie das in der Vorsaison häufig erfolgreiche Tempospiel laufen. Allerdings, so wünscht es sich Hannes Diller, mit schnelleren Passstafetten und mehr Breite im Spiel. Evolution statt Revolution eben.