Vor Spiel gegen Ungarn: Thomas Müller warnt vor zu viel Euphorie
EM-Nationalspieler Thomas Müller warnt die deutsche Mannschaft nach 5:1 gegen Schottland vor Emotionsgedusel im Vorfeld des Ungarn-Spiels am Mittwoch.

Herrje, die Gefühle. So schön, so gefährlich. Aufbrausend. Trügerisch. Und enorm subjektiv. Als der deutsche 5:1-Auftaktsieg gegen Schottland perfekt war, sah man den Bundestrainer küssen. Julian Nagelsmann war glücklich, weil seine Mission Sommermärchen 2024 derart famos begonnen hatte. Weil er nun wusste, dass ein Wochenende des Lächelns vor ihm liegen würde, ohne Spott und Häme, ohne Expertenkritik zuhauf. Es ist ein enormer Druck, wenn die Erwartungshaltung des gesamten Fußballvolks auf einem lastet.
Kuss für die Liebste: Nagelsmann über die Anwesenheit seiner Lebensgefährtin
Nagelsmann küsste also erleichtert seine Partnerin Lena Wurzenberger. Angesprochen auf die innige Umarmung, sagte der Bundestrainer: "Unterstützung von meiner Lebensgefährtin und meiner ganzen Familie ist extrem wichtig." Auch er muss emotional stabil bleiben in dieser stimmungsmäßig gewaltig aufgeladenen Heim-Europameisterschaft, nicht nur die Spieler. Lena Wurzenberger im Nationaltrikot und mit Schwarz-Rot-Gold-Bemalung auf den Wangen ist also auch ein Turnierfaktor. "Ich freue mich, dass sie im Stadion ist", sagte Julian Nagelsmann. "Das ist sehr wertvoll, tut gut und hilft hoffentlich auch auf dem Weg, gute Arbeit zu machen."
Es soll ein langer Weg werden, der möglichst bis ins EM-Finale in Berlin führt. Der Bundestrainer hat noch viel Arbeit vor sich, denn Rückschläge werden kommen, er wird Dinge ändern müssen. Es gibt keinen Turnier-Höhenflug ohne Tiefschläge, das zeigt die Vergangenheit. Thomas Müller ist einer, der das genau weiß. 34 Jahre ist er alt, bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika war er erstmals bei einem großen Turnier dabei.
Thomas Müller tritt auf die Euphorie-Bremse

Heutzutage ist Thomas Müller kein Stammspieler mehr, aber als Sprücheklopfer und kommunikationsfreudiger Kerl eine wichtige Spezialkraft im deutschen Team. Auch, weil er von früher erzählen kann. Von dem, was schon schiefgegangen ist (oder beinahe).
Gleich als mit dem 5:1 gegen die völlig überforderten Schotten die ersten EM-Punkte geholt waren, stellte sich Thomas Müller als Mahner hin und bremste die deutsche Euphorieaufwallung, wenn auch nur ein klitzekleines bisschen. "Wir haben drei Punkte geholt, dürfen uns freuen. Aber dann geht es natürlich im nächsten Spiel weiter. Rückschläge kommen schneller als man denkt", sagte der 34-Jährige. "Deswegen genießen – und trotzdem auf dem Boden bleiben."
Gefährliches zweites Gruppenspiel gegen Ungarn
Ja, die Gefühle. Trügerisch können sie sein. Am Schluss kommt es auf die objektiven Fakten an, auf Punkte und Siege. Thomas Müller blickte zurück auf 2014, als es ja mit dem WM-Titel noch ein deutsches Superhappy-End gab, und auf sein Debütturnier: "Wir hatten immer tolle Gefühle und haben dann gegen Ghana 2:2 gespielt und 2010 gegen Serbien verloren."
Es waren jeweils die Turnierspiele Nummer zwei. In Südafrika folgte auf ein 4:0 der DFB-Elf gegen Australien ein 0:1 gegen Serbien, es musste im letzten Gruppenspiel gegen Ghana bis zum Siegtor von Mesut Özil ums Weiterkommen gezittert werden. Vier Jahre später bei der WM in Brasilien gab es nach dem 4:0 gegen Portugal ein dürftiges 2:2 gegen Ghana. Erst das 1:0 gegen die USA machte den K.o.-Runden-Einzug perfekt.
Thomas Müller: Nicht von "Emotionsgedusel" ablenken lassen
Nun wird in nationaler Glückseligkeit das Start-5:1 bei der Heim-EM gefeiert. Thomas Müller will sich von "Emotionsgedusel" lieber nicht ablenken lassen. "Es trägt dich keiner durchs Turnier." Es kommt darauf an, immer wieder aufs Neue starke Leistungen zu bringen. Am Mittwoch (18 Uhr, Stuttgart) geht es fürs deutsche Team gegen die Ungarn weiter, die ihr Auftakt-1:3 gegen die Schweiz ausbügeln wollen. Mittelfeldspieler Adam Nagy forderte: "Wir müssen neu anfangen, auch in den Köpfen." Von einem anderen "Mindset" sprach er, einem erfolgversprechenderen Denken. Schnell weg mit dem Frust, her mit neuer Gier.
Thomas Müller kennt sowas. In seinem langen Fußballer-Leben hat er gelernt: "Du musst die Spiele gewinnen." Nur dann gibt es auch die ersehnten Gefühle und die richtigen Küsse. Trostküsse schmecken nämlich fad. Meinung "Weitermachen"