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Wie Donald Trump die Wissenschaft torpediert

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Der Klimawandel ist für US-Präsident Donald Trump ein Witz, das Coronavirus verursacht laut ihm nur eine leichte Grippe. Wegen solcher Aussagen liegt Trump mit der Wissenschaft im Streit. Wir haben drei Forscher gefragt, wie sich die Wissenschaft verändert hat.

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Mit Donald Trump sitzt ein Präsident im Weißen Haus, der sich seine Fakten aussucht, wie er sie gerade braucht und wissenschaftliche Erkenntnisse in Zweifel zieht, wenn sie ihm nicht genehm erscheinen. Das sieht man zum Beispiel in der Klimapolitik, aber auch bei Trumps Umgang mit der Corona-Krise. Der diesjährige Physik-Nobelpreisträger Reinhard Genzel bezeichnete die Situation für die Wissenschaft im "Heute Journal" gar als "Katastrophe". Wie nehmen Wissenschaftler, die in Deutschland und den USA geforscht haben, die Lage wahr?  


Andreas Daum ist Professor für Neuere Geschichte an der State University of New York und lebt seit fast 25 Jahren in den USA. Zuletzt erschien von ihm auf Deutsch eine kurze Biographie von Alexander von Humboldt.

Der deutsche Geschichtsprofessor Andreas Daum lebt seit 25 Jahren in den USA.
Der deutsche Geschichtsprofessor Andreas Daum lebt seit 25 Jahren in den USA.

"Donald Trump hat versucht, das öffentliche Meinungsbild von Wissenschaft und Wissenschaftlern zu beeinflussen. Er und viele rechtskonservative Meinungsmacher haben immer wieder Skepsis gegenüber Wissenschaft, vor allem den modernen Naturwissenschaften, genährt - bis hin zur offenen Wissenschaftsfeindlichkeit. Das hat durchaus Tradition; zum Beispiel gibt es in den USA seit dem frühen 20. Jahrhundert öffentlichen Widerstand gegen die Erkenntnisse der modernen Evolutionslehre, der sich zum Teil aus fundamentalreligiösen Vorbehalten nährt.

Auch haben Trump und seine Mitstreiter wiederholt negative Stereotype über die akademische Lehre gestreut - als ob Wissenschaftler in den USA ihre Aufgabe darin sehen würden, den amerikanischen „Patriotismus“ zu untergraben, „linke“ Ideologie zu verbreiten und junge Menschen staatsfeindlich zu indoktrinieren. Solche pauschalen und oft absurden Angriffe haben viel Wissenschaftler im Lande frustriert und in eine Abwehrhaltung gedrängt.

Damit verbunden waren und sind Befürchtungen, dass langfristig Forschungsgelder und Forschungsunterstützung negativ beeinflusst werden können, vor allem im Falle eines zweiten Wahlsiegs von Trump. Auch leiden amerikanische Studenten, die ins Ausland gehen, zunehmend an der Gleichsetzung ihrer Kultur mit den radikalen, oft anti-demokratischen Äußerungen des Präsidenten.
Die entscheidende Veränderung aber kam mit der Corona-Pandemie. An vielen amerikanischen Universitäten ist das Budget eingebrochen, etwa durch den Wegfall der internationalen Studenten, die erhebliche Studiengebühren bezahlen."


Rolf-Ulrich Kunze ist Professor für Neuzeitgeschichte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). 1985 hat er ein Jahr an der Lindale-Highschool absolviert, unweit von Dallas (Texas). Die USA sind regelmäßig Gegenstand seiner Forschung.

Prof. Rolf-Ulrich Kunze ist Neuzeithistoriker am Karlsruher KIT.
Prof. Rolf-Ulrich Kunze ist Neuzeithistoriker am Karlsruher KIT.  Foto: Foto: Zachmann, KIT

"Während seiner Präsidentschaft hat Donald Trump der Wissenschaft vor allem Zeit gestohlen. Das liegt an seiner Art, wie er Politik betreibt: Er mobilisiert den inneren Schweinehund, schürt Vorurteile in seiner Wählerschaft und wehrt sich gegen allgemein bekannte Erkenntnisse. 

Das Problem ist: In der Wissenschaft gibt es immer Streit. Trump missbraucht das und mobilisiert dadurch außerordentlich erfolgreich seine Wählerschaft. Das zeigt sich etwa im Stahlgürtel in Pennsylvania, dem ehemaligen Herzen der Montanindustrie. Wenn er dort Stimmung gegen den Klimaschutz macht, hat er es leicht. Genauso würde das hier im Saarland oder dem Ruhrgebiet funktionieren. Populistische Politik hat immer damit zu tun, einfache Antworten zu geben und Sündenböcke zu finden.

Man muss sich das vor Augen führen: 1972 erscheint der Club of Rome Bericht und löst weltweite Bewegungen für mehr Klimaschutz aus. Erst 1992 kommt es zum Klimagipfel in Rio de Janeiro, wo anerkannt wird, dass es einen Prozess geben muss. 2015, nochmal 13 Jahre später, folgt das Paris-Abkommen. Und innerhalb einer Legislaturperiode ist Trump dazu in der Lage, diesen Prozess der Wissensbildung und der gesellschaftlichen Akzeptanz dauerhaft, womöglich irreparabel, zu schädigen. 

In der Politik geht es immer darum, um Akzeptanz zu werben. Das sehen wir in der Corona-Pandemie: Das sind richtig dicke Bretter, die die Politik da bohren muss. Damit eine bestimmte Politik akzeptiert wird, braucht es Zeit. Hier sehe ich den größten Schaden. Trump hat die westliche Gesellschaft der USA bewusst tief gespalten. Und ich glaube, dass auch ein anderer US-Präsident das nicht ohne Weiteres beheben kann."


Rüdiger Glaser ist Professor für physische Geographie an der Universität Freiburg. Die USA sind Schwerpunkt seiner regionalen Studien. Er bereist das Land häufig und pflegt familiäre Beziehungen.

Rüdiger Glaser ist Professor für physische Geographie an der Universität Freiburg. Foto: Kilian Glaser
Rüdiger Glaser ist Professor für physische Geographie an der Universität Freiburg. Foto: Kilian Glaser  Foto: Foto: Kilian Glaser

"Donald Trump hat die Wissenschaft durch seine üble Polemik diskreditiert und in eine Ecke mit Verschwörungstheorien gestellt. Er behauptet, Wissenschaftler würden Fake News verbreiten. Kollegen erzählen mir, dass sie den Begriff "Klimawandel" in öffentlichen Diskussionen meiden. Das ist für deutsche Studierende ein Erwachen, zu merken, dass man zentrale Begriffe nicht mehr verwenden kann. Die Freiheit der Wissenschaft, wie sie unsere Verfassung garantiert, wird dort ad absurdum geführt.

Dabei sind die USA ein Land, das sehr viel für die Klimaforschung getan hat. Viele Klimamodelle stammen aus den USA. Außerdem sind die Amerikaner innovativ: Bleifreies Benzin, Katalysatoren, Umweltverträglichkeitsprüfungen, das wurde dort entwickelt. Gleichzeitig ist die Szene der Klimawandelleugner dort sehr stark. Trump hat das von Anfang an befeuert, indem er aus dem Paris-Abkommen aussteigt und behauptet, der Klimaschutz würde die US-Wirtschaft beeinträchtigen.

Trump ist ein demokratisch gewählter Präsident, das darf man nicht vergessen. Aber es gibt genauso starke Gouverneur und die Macht des Faktischen: Kreative Menschen, die sich innovative Dinge ausdenken. Trump sieht nicht die großen IT-Cluster in Kalifornien, die immer noch etablierten Wissenschafts-Cluster, wie am MIT und in Harvard, den Finanz-Cluster in New York. Er will lieber zurück zu einer Industrie der 60er-Jahre.

Sicherlich wird Joe Biden vieles revidieren. Er wird sich wieder an Abkommen beteiligen und die Europäer stärker einbinden, wenn auch aus einer starken Position heraus. Biden hat außerdem erkannt, dass er im Land ein Gleichgewicht in der Gesellschaft wieder herstellen muss. Es wäre bei uns kaum vorstellbar, dass bewaffnete Gruppen ins Parlament eindringen, wie es in Michigan passiert ist. Hier wird er versuchen, zu vermitteln."

 

Wie Trump die Wissenschaft torpediert - Eine Auswahl

1. Juni 2017

Trump kündigt Ausstieg aus Paris-Abkommen an

Wenige Monate nach seiner Wahl zum US-Präsidenten kündigt Donald Trump an, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Die internationale Gemeinschaft kritisiert den Schritt, da die USA für rund ein Fünftel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind.

11. Dezember 2017

Trump will Astronauten früher zurück zum Mond schicken

Bis 2024 und damit innerhalb einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps sollen wieder US-amerikanische Astronauten zum Mond fliegen. Das fordert der Präsident und setzt damit seine Weltraumbehörde NASA unter Druck. Diese hatte frühestens das Jahr 2028 für eine erneute Mondmission angesetzt und kämpft nun mit dem Zeitplan und der fehlenden Finanzierung.

1. Januar 2018

Weißes Haus löscht Informationen über Klimawandel

Eine Analyse der Organisation "Environmental Data and Governance Initiative" zeigt, dass das Weiße Haus und weitere Regierungsbehörden Informationen über den Klimawandel auf ihren Webseiten entfernt oder versteckt haben. Die Begriffe "Klimawandel" und "Treibhausgase" wurden durch die Begriffe "Nachhaltigkeit" und "Emissionen" ersetzt.

7. August 2018

Wissenschaftler schlagen Alarm

Die "Union of Concerned Scientists" veröffentlicht einen Bericht, nachdem sie 4200 Wissenschaftler in Regierungsbehörden befragt hat. 80 Prozent berichten, dass Personal reduziert wurde, jeder Fünfte gibt an, dass Veröffentlichungen politisch beeinflusst werden, etwa, indem das Wort "Klimawandel" verboten wird.

1. September 2019

Trump behauptet, Alabama drohe ein Hurrikan

Als Hurrikan "Dorian" auf die Ostküste der USA zusteuert, behauptet Trump, der Bundesstaat Alabama werde "wahrscheinlich (viel) härter getroffen, als angenommen". Der Wetterdienst korrigiert ihn: Der Sturm habe keinerlei Auswirkungen auf Alabama. Trump beharrt jedoch darauf, Recht zu haben und zeigt später eine Karte, die per Stiftzeichnung so verändert wurde, dass es aussieht, als ob Alabama von dem Hurrikan bedroht gewesen wäre. Die Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) veröffentlichte später ein Statement, in dem sie Trumps falsche Aussage als "mögliche Interpretation" bezeichnete.

1. Februar 2020

Trump spielt Gefahr durch Coronavirus herunter

Trump verbreitet während der Corona-Pandemie zahlreiche falsche Behauptungen. So hält er das Coronavirus zunächst für eine "milde Grippe". Später werden Aufzeichnungen bekannt, in denen Trump das Virus als "tödliches Zeug" bezeichnet. Er habe die Situation heruntergespielt, um keine Panik zu verursachen. Im Februar behauptet er außerdem, das Virus werde im April auf "mysteriöse" Weise wieder verschwinden.

29. Mai 2020

USA zieht sich aus WHO zurück

Nachdem er die Weltgesundheitsorganisation WHO mehrfach beschuldigt hatte, die Corona-Pandemie nicht bekämpft zu haben, ziehen sich die USA aus der Organisation zurück. Kurz darauf behauptet der US-Präsident fälschlicherweise, dass es nur halb so viele Corona-Infizierte in den USA gäbe, wenn man die Zahl der Tests halbiere.

14. September 2020

Trump-Regierung beeinflusst Pandemie-Behörde

Die Demokraten im Kongress starten eine Untersuchung, nachdem die Trump-Regierung der Pandemie-Behörde "Centers for Disease Control and Prevention (CDC)" im Sommer Kompetenzen abgesprochen hatte. Kennzahlen zur Corona-Pandemie, die vorher an die Behörde gingen (ähnlich des RKI), werden seitdem dem Gesundheitsministerium gemeldet. Später berichten Medien über E-Mails, aus denen hervorgeht, dass die Trump-Administration Einfluss auf die Corona-Berichte genommen hat oder die Veröffentlichung verzögerte.

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