Familienleben während der Pandemie: Belastungsprobe oder Qualitytime?
Wie unterschiedlich Familien die Corona-Zeit mit Homeschooling und Homeoffice erleben. Zwei Mütter berichten.

Seit März 2020 ist die Schul-Welt eine andere. Für viele Eltern bedeutet das neben Homeoffice Homeschooling. Die heimische Küche wird zum Schreibtisch für Eltern und Kinder, zur Mensa und zur Kantine. Das kann gut gelingen, wie Beispiele zeigen. Der veränderte Rhythmus und die vielen unterschiedlichen Anforderungen können aber auch aus verschiedenen Gründen sehr an den Nerven aller Beteiligten zerren.
Sei es wegen schlechter Internetverbindungen oder wegen unterschiedlich stabiler Lernplattformen, sei es wegen mehr oder weniger verständnisvollen Arbeitgebern und mehr oder weniger günstigen Wohnverhältnissen - und nicht zuletzt wegen der Lernbereitschaft und Belastbarkeit der Eltern. Wir haben zwei Mütter und zwei Meinungen zu Corona, Schule und Familie. Und egal, wie gut das Nervenkostüm jeweils noch ist: Alle sehnen das Licht am Ende des Tunnels herbei.
Inka Thomßen-Pils, Mutter von zwei Kindern, Brettach:
Als selbständiges Gastronomen-Ehepaar haben Bernd Pils und Inka Thomßen-Pils sehr unter dem Lockdown gelitten. Abholservice und neue Ideen für Bernds Speisekammer statt Verwöhnmenüs im schön dekorierten Gastraum. Die weniger Zeit im Betrieb kam der Familie zugute. "Wir haben einige Rituale entwickelt, die ganz gut getan haben", sagt Inka Thomßen-Pils. Dazu zählt das verspätete gemeinsame Frühstück um zehn, dann, wenn die Kinder sonst große Pause haben. Die haben zudem jeden Tag statt des Schulvespers eine Snackbox bekommen.
Mit Brainfood und Obst zum Snacken haben die Kinder die Zeit bis zum gemeinsamen warmen Abendessen überbrückt. Gemeinsam am Tisch sitzen, gut und gesund zu essen und dabei zu reden, das ist in der Familie wichtig. "Im Stehen essen gibt es bei uns nicht", sagt Inka Thomßen-Pils. Und auch sonst legt sie Wert auf einen gesunden Lebensstil.
Spazieren gehen
Meist dreht sie schon über Mittag eine Runde mit der bald 14 Jahre alten Tochter. Auf jeden Fall gibt es abends noch einen Abendspaziergang mit der ganzen Familie. "Corona macht nicht alles negativ", sagt Inka Thomßen-Pils. "Als Familie war die Zeit sogar sehr schön", überlegt sie. Es wurde noch mehr gebastelt und gewerkelt. Die Kinder hätten die Familie unterstützt, indem sie zu Festtagen beispielsweise für die Kunden gebastelt oder gebacken hätten. Der Achtjährige kann schon Kekse backen, auch Pudding kochen oder andere kleine Gerichte. "Er braucht nur ein Rezept." Außerdem hat er in der Coronazeit Skateboardfahren und Inlinern gelernt "und Pfannkuchen auf einmal essen", fügt Laurenz hinzu.
Selbstorganisation gelernt
Die große Tochter Jette kann schon länger alleine backen und werken. Sie habe vor allem Selbsorganisation für die Schule gelernt. Und den Trend Hoolahuup für sich entdeckt. "Und dann haben wir hier ja noch den Wald und den Bach und nun jede Menge Staudämme", berichtet Inka Thomßen-Pils von der Idylle rund um Brettach.
Rita Erru, zwei Kinder, Neuenstein:

Es gibt Tage, da hat Rita Erru das Gefühl, am Ende ihrer Kraft zu sein. Dann, wenn die siebeneinhalbjährige Tochter ohne Grund weint. "Das ist dann schon beängstigend, wenn man nachfragt, sie aber gar nicht weiß, warum sie weint", berichtet Rita Erru. Oder wenn sie den viereinhalbjährigen Sohn beschäftigen muss, während die Zweitklässlerin lernen soll. Ein halbes Jahr habe die Tochter ihr Leben als Erstklässlerin genossen. Seither habe sie die meiste Zeit mit der Mutter als Lehrerin verbracht.
Rita Erru ist selbstständig im Beauty-Bereich. Körpernahe Dienstleistungen seien nicht erlaubt, also sei sie mit den Kindern daheim, erklärt die junge Mutter. Wenige Tage habe der Kleine im Kindergarten verbracht. Die Zeit dort sei zu wenig, um sich einzugewöhnen und Freundschaften zu schließen.
Kinderfreundschaften sind empfindlich
Auch die Freundschaften, die die Tochter schon geknüpft hätte, seien teils schon wieder mangels gemeinsam verbrachter Zeit vergessen. Abgesehen von der Familie gebe es nur das Kind einer Freundin, mit dem hin und wieder gespielt werde. Zwischenzeitlich kenne sie jeden Stein und jede Blume rund um das Haus in Neuenstein. "Und ja, ich weiß, das ist Jammern auf hohem Niveau, uns geht es gut, wir haben Platz", sagt Rita Erru. Und trotzdem falle es manchmal schwer.
Kinder brauchen auch ihre Freiheiten
Dass die Kinder auf soziales Lernen verzichten müssten, das beschäftigt Rita Erru am meisten. Dass es keine Ausflüge gibt, keine Kindergeburtstage nach der Schule, kein Verein. Den ganzen Tag mit der Mama zu verbringen und dann noch mit der zu lernen, das erscheint ihr aus Sicht ihrer Tochter viel. Kinder brauchen für ihre persönliche Entwicklung auch Freiheiten, meint Rita Erru. Sie kommt gefühlt immer wieder an ihre Grenzen, weil ihr ihre Normalität, ihr Alltag fehlt. "Man muss funktionieren, dazu die Ungewissheit, wann man wieder richtig arbeiten kann." Und auch wenn es nicht voll laufe, müssten Termine eingehalten werden.
Sie versuche, das Beste daraus zu machen und die Zeit auch zu genießen. "Aber man merkt, dass die Akkus auf beiden Seiten leer sind und Normalität einkehren muss. Strukturierte Tagesabläufe und das Gefühl, dass es auch noch etwas anderes gibt als 24/7/365 den gleichen Trott."