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Gewalt in der Pflege ist ein Tabuthema

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Verbale Entgleisungen und psychischer Missbrauch sind die häufigsten Formen von Gewalt in der Pflege. Eine bestimmte Personengruppe ist besonders gefährdet, doch Prävention ist möglich.

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Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) fordert bei der Überarbeitung des sogenannten Pflege-TÜVs mehr Aufmerksamkeit gegenüber Gewalt in der Pflege. Foto: Frank Rumpenhorst/Illustration
Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) fordert bei der Überarbeitung des sogenannten Pflege-TÜVs mehr Aufmerksamkeit gegenüber Gewalt in der Pflege. Foto: Frank Rumpenhorst/Illustration

Gewalt in der Pflege ist ein brisantes Thema und eines, über das deshalb auch häufig geschwiegen wird. Dabei ist psychische oder körperliche Gewaltausübung gegenüber pflegebedürftigen Menschen in Einrichtungen oder im häuslichen Umfeld keine Seltenheit, das zeigen Zahlen des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP).

So geben 47 Prozent der befragten Leitungskräfte aus dem Pflegebereich an, dass Gewalt in der stationären Pflege eine besondere Herausforderung ist. Verbale Aggressivität und Vernachlässigung seien dabei die häufigsten Formen, so der ZQP-Vorsitzende Ralf Suhr.

Risikoprofil: Weiblich, 75plus, psychische Probleme

32 Prozent der befragten Pflegenden gaben selbst an, mindestens einmal psychische Gewalt gegenüber einer hilfebedürftigen Person angewandt zu haben. Zwölf Prozent räumten körperliche Gewalt ein, elf Prozent Vernachlässigung. An Demenz Erkrankte sind zu einem deutlich höheren Anteil von Übergriffen betroffen als geistig fitte Ältere. Frauen über 75 Jahre mit einem hohen Maß an Pflegebedürftigkeit und psychischen Problemen oder herausforderndem Verhalten gelten als besonders gefährdet.

„Wir können zusätzlich von einem hohen Dunkelfeld ausgehen“, sagte Ralf Suhr am Rande des Deutschen Pflegetags in Berlin. Auch unpassende Rahmenbedingungen für ältere, bewegungseingeschränkte Menschen könnten als Gewalt gewertet werden, so der Mediziner. „Wenn ich einen Sprudelkasten auf den Boden im Gang stelle und der alte Mensch hat überhaupt keine Möglichkeit, da ranzukommen, ist das auch eine Form von Gewaltausübung.“

 


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Genauso sei es nicht in Ordnung, wenn ältere Frauen, die das in der Regel nicht wollten, von männlichen Pflegern gewaschen würden. Für viele ältere Frauen sei das sehr beschämend, so Suhr, „auch wenn sie sich nicht trauen, das offen zu sagen“.

Durch Aufklärung, Schulungen und Hilfeangebote lässt sich das Problem bekämpfen

Gewalt gegen Ältere sei zwar ein weit verbreitetes Problem. Durch Aufklärung, Schulungen, anonyme Krisentelefone und Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehöriger könne man es jedoch gut eindämmen, so Suhr. Dafür sei es nötig, auch in der Familie schon früh über Perspektiven für das Alter und mögliche Wohn- und Pflegesituationen zu sprechen. „Wir haben die zweitälteste Bevölkerung der Welt und wir müssen lernen, damit umzugehen.“

Dafür sei ein „Prozess des gesellschaftlichen Wandels“ und mehr Offenheit im Umgang mit dem Thema nötig. Außerdem seien gewaltpräventive Strukturen in Einrichtungen zu schaffen. „Gewaltprävention taucht bislang gar nicht als Kriterium für die Beurteilung der Qualität in Heimen auf“, bemängelt Suhr. Auch bei betreuenden Ärzten gebe es großen Schulungsbedarf, um Probleme besser erkennen und angehen zu können.

Auch Pflegebedürftige werden manchmal zu Tätern

Gewalt in der Pflege sei in einem deutlich geringeren Rahmen auch in die andere Richtung ein Problem, sagt Suhr. Etwa, wenn ein Senior die junge Pflegerin verbal belästigt oder sie ungewollt anfasst. Hier gelte es von Seiten der Heimleitung sofort, deutliche Grenzen einzuziehen, rät er. Dem Täter müsse unmissverständlich klargemacht werden, dass ein solches Verhalten nicht toleriert werde und er damit rechnen müsse, bei weiterem Fehlverhalten seinen Platz im Heim zu verlieren.

Weitere Infos

Bei der ZQP-Stiftung gibt es weitere Infos 

 

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