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Klimawandel ist für den Weinbau zweischneidig 

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Hitze, Trockenheit, Frost, neue Schädlinge: Der Klimawandel stellt auch die Weingärtner vor große Herausforderungen. Er bringt aber auch Chancen mit sich. Endlich wird der Trollinger richtig reif. Selbst in Württemberg wachsen inzwischen südländische Rotweinsorten.

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Extreme nehmen zu. Mit dem Klimawandel ist mit allem zu rechnen, mit Sonnenbrand auf Trauben – und womöglich auch bald mit Raureif auf Trollinger. Foto: Kilian Krauth
Extreme nehmen zu. Mit dem Klimawandel ist mit allem zu rechnen, mit Sonnenbrand auf Trauben – und womöglich auch bald mit Raureif auf Trollinger. Foto: Kilian Krauth

Müssen die Rebflächen vom Neckarufer und von der Hohenloher Ebene auf die Löwensteiner Berge verlegt werden – oder gar auf die Schwäbische Alb? Ist die hohe Bewertung von Top-Lagen wegen Trockenheit und Hitze womöglich bald hinfällig? Wird der Riesling wegen Fäulnisgefahr südländischen Sorten Platz machen? Schmecken manche Württemberger nicht jetzt schon wie Bordeaux? Fragen wie diese treiben die Wengerter angesichts des Klimawandels zunehmend um. Immer wieder beschäftigten sich damit auch Fachtagungen.

Fakt ist: Angesichts der Wetterextreme hat der Weinbau in unseren Breiten zunehmend mit Widrigkeiten zu kämpfen. Flexibilität ist gefragt, ein starres Schema zur Arbeit im Weinberg gibt es nicht mehr. Ein Weinsberger Forscher sagte es einmal so: „Das ist wie bei einem Formel-Eins-Rennen: Manchmal ist Vollgas gefragt, manchmal Bremsen - die Unfallgefahr nimmt zu.“

Spätfröste schlagen öfter zu

Die Winter werden immer milder. Dies birgt die Gefahr, dass die Reben zu früh im Saft stehen und bei einem Temperatursturz erfrieren. Dies kommt in jüngster Zeit immer öfter vor, auch 2020 schlugen die Eisheiligen vielerorts Mitte Mai zu, was jetzt im Herbst zu großen Mengeneinbußen führt. Fest steht derweil, dass sich die Rebblüte in den letzten 25 Jahren von Ende auf Anfang Juni verschoben hat. Die 100 Tage danach beginnende Lese zog sich in den 1970ern oft bis in den November hinein, heute startet sie Mitte September und endet Mitte Oktober. „Früher haben wir mit dem Parka Trauben gelesen, heute im T-Shirt“, ist zum geflügelten Wort geworden.

Bewässerung wegen Trockenheit

Das ganze Jahr über müssen sich die Wengerter auf veränderte Bedingungen einstellen. Bei längeren Trockenperioden setzen etliche Betriebe auf Beregnungsanlagen, bis 2002 war das in Württemberg nur in Steillagen erlaubt, heute überall. Früher fand man in den Rebzeilen kaum ein Gräschen. Bei der Bodenpflege empfehlen Experten heute eine so genannte „gestörte Begrünung“.

Dabei wird der Boden zwar aufgerissen, das Grün aber in den Rebzeilen belassen: Je nach Wetterlage soll sich das System selbst steuern und sowohl Erosion wie auch Austrocknung verhindern. Gestresste Reben bilden weniger Zucker, all zu üppige erfordern zusätzliche Regulierungsmaßnahmen. Zur arbeitsintensiven Ertragsregulierung oder auch „grünen Lese“ werden bereits Vollernter eingesetzt. 

Pilzgefahr steigt mitunter

Positiv: Bei Trockenheit hält sich die Pilzgefahr in Grenzen. Wenn es nachts aber nicht mehr richtig abgekühlt, steigt bei Schwüle die Peronospora-Gefahr. Das ist ein Pilz, der nur mit Pflanzenschutzmittel in den Griff zu bekommen ist. Trostpflaster: Der sowieso schon hohe Pilzdruck durch Oidium dürfte sich nicht weiter erhöhen. An der Schädlingsfront lässt die neue Schwarzholzkrankheit erahnen, was auf die Weinberge zukommt.

Aus südlichen Ländern rücken Insekten vor, gegen die bisher kein Kraut gewachsen und noch kein natürlicher Schädling angetreten ist. Stichwort: Kirschessigfliege, die ihre Eier in Beeren ablegt, was zu Fäulnis führt. Trotz des hohen „Gruselfaktors“ warnen Forscher aber vor Panik. Die Rahmenbedingungen hätten sich im Weinbau von je her immer wieder verändert. 

Rotweine profilieren von Klimaerwärmung

Früher wurden Merlot, Cabernet Sauvignon oder Sauvignon blanc in Württemberg gar nicht reif. Mit der Klimaerwärmung aber inzwischen schon. Manche Winzer setzen verstärkt auf solche internationale Rebsorten, die weltweit einen guten Namen haben und sich dadurch besser vermarkten lassen. Rotweine dürfen sowieso als Gewinner gelten, weil hier vollreifes Lesegut besonders wichtig für Aroma, Geschmack und Dichte ist.

Bei Weißweinen, die von frischer Säure und Frucht leben, ist ein Management bei der Laubarbeit bis hin zur Lese besonders wichtig. Viele Winzer haben das inzwischen gut im Griff. Stark im Kommen sind zum Beispiel besonders robuste pilzwiderstandfähige Sorten, kurz Piwis, deren Namen leider noch gewöhnungsbedürftig sind. Inzwischen gibt es auch Versuche in höhere Regionen abzuwandern. So gibt es bereits Versuche auf der Schwäbischen Alb, Hobby-Weinberge auf Sylt und die EU vergibt sogar Pflanzrechte an skandinavische Länder und an Polen. Ob dies dies Weinqualität fördert steht auf einem anderen Blatt – beziehungsweise Etikett.

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