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Westernach - die Wurzel des Widerstands in der Region

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Im Kampf gegen eine geplante Sondermüllverbrennungsanlage Westernach mobilisierte die Bürgerinitiative im Jahr 1990 Tausende Menschen. Der Tag des Protests hat sich tief eingebrannt ins kollektive Gedächtnis der Hohenloher. Auch unsere Autorin prägt Westernach bis heute.

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Der 31. März 1990 hat sich tief eingegraben in das kollektive Gedächtnis des Hohenlohekreises. Und dieser 31. März war es auch, der dafür sorgte, dass sich mein persönlicher Berufswunsch von der Pädagogin hin zur Journalisten verschoben hat. Warum? Weil ich damals in der Menge von über 20.000 Menschen meine ersten Fotos machte, beeindruckt von der Macht des Volkes, beeindruckt von der sichtbar gewordenen Angst und Wut der sonst eher stillen Hohenloher, beeindruckt von dem Erfindungsreichtum der Landwirte, die der Sorge um ihre wertvollen Ackerböden Ausdruck verliehen haben.

Schwarz-lila, die Farben des Protests

Schwarz-lila waren diie Farben des Protests.
Schwarz-lila waren diie Farben des Protests.

An diesem 31. März 1990 protestierten in Westernach über 20.000 Menschen gegen die geplante Sondermüll-Verbrennungsanlage. Überall waren die Farben des Protests zu sehen: schwarz und lila.

In nur sechs Wochen hatte dazu die Bürgerinitiative Westernach aufgerufen. Erst noch unerfahren, dann immer mächtiger, quer durch alle Bevölkerungsgruppen. Um es vorweg zu nehmen: Die BI hat ihr Ziel erreicht. Noch heute wachsen Weizen, Gerste und Mais auf den fruchtbaren Böden. Die BI ist natürlich nicht mehr als solche aktiv. Doch es hat sich ein Verein gegründet, der das Ziel einer intakten Umwelt weiterverfolgt. Das Modell Hohenlohe wurde gegründet. Es wird ein Umweltpreis ausgeschrieben und vergeben. Und nicht zuletzt spiegelt das traditionell gute Abschneiden der Grünen in Waldenburg die Erfahrungen der 1990er Jahre wieder. Bei der Landtagswahl 2021 wurden die Grünen dort Wahlsieger mit 37 Prozent.


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Mit Macht

Diese BI Westernach war die erste Bürgerinitiative in dieser Größe und mit dieser Macht in der Region. Es folgten kleinere Initiativen gegen Bauvorhaben an ungeeigneten Standplätzen (Mulfingen) oder Straßen (Neckarsulm) oder Firmenansiedlungen, oder Windkraft, oder, oder, oder. Die Liste lässt sich zwischenzeitlich beliebig lang fortführen. Für Schlagzeilen sorgte Prima Klima West in jüngster Vergangenheit. Die Öhringer BI machte erfolgreich mobil gegen ein geplantes Hochregallager im Öhringer Westen.

20.000 Menschen demonstrieren im März 1990 in Westernach gegen eine Sondermüllverbrennungsanlage. Foto: privat
20.000 Menschen demonstrieren im März 1990 in Westernach gegen eine Sondermüllverbrennungsanlage. Foto: privat

Doch nochmal zurück zu den Wurzeln des Widerstands in Hohenlohe: Als am 13. Februar bekannt wurde, dass der Kupferzeller Teilort Westernach zu den möglichen Standorten für eine zweite Sondermüllverbrennungsanlage in BadenWürttemberg gehört, wurde eine handvoll Menschen aktiv. Sie schafften es, eine bis dahin unvorstellbare Protestwelle über den Kreis rollen zu lassen.

Innerhalb kurzer Zeit hatte die BI fast 5000 Mitglieder, über 20.000 Hohenloher demonstrierten erst in Westernach und 15.000 kurz danach in Stuttgart gegen den Giftmüllofen, 51.000 Unterschriften wurden gesammelt und 50.000 Einwendungen vorgebracht.

Aktive blieben lange bei der Stange

Zu den Aktiven der ersten Stunde gehörte Monika Stier. Im Gespräch mit einem Kollegen schilderte sie 2005, wie sie beim Bügeln im Esszimmer gewesen sei, als sie es im Radio gehört hatte. Hermann Ludwig aus Kupferzell hatte es am Abend aus der Landesschau erfahren, Manfred Schlegel aus Bauersbach erst am nächsten Tag an seinem Arbeitsplatz im Künzelsauer Landratsamt.


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Eines haben die drei gemeinsam: Sie sind von Anfang an dabei gewesen und blieben aktiv. Knapp vier Jahre dauerte es, bis Westernach am 14. Januar 1994 aus dem Suchverfahren ausschied. Im Juli 1995 beschloss die Landesregierung, gänzlich auf den Bau einer Sondermüllverbrennungsanlage zu verzichten. Knapp drei Monate später löste sich die BI auf und brachte ihr angesammeltes Kapital in die Umweltstiftung ein. Mit einem Kapital von 112.000 Euro, drei Vorstandsmitgliedern und vier Beiräten versucht die Stiftung, den Umweltgedanken im öffentlichen Bewusstsein zu halten. Das ist nicht immer leicht.

Widerstand braucht Geld. Gutachten müssen erstellt, Daten erhoben werden. Und so lag lange auf einem Dachboden noch das Nebelmessgerät, das die BI einst für 35.000 Mark gekauft hatte. Fünf Jahre lang wurden Wetterdaten aufgezeichnet, um zu beweisen, dass Westernach ungeeignet ist für eine Sondermüllverbrennungsanlage. Ein einziges Mal sind die Daten abgefragt worden. Von einer Firma, die sich im Gewerbepark Hohenlohe ansiedeln wollte.

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