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Siegelsbach und der brutale Raubüberfall: Ein Dorf im Ausnahmezustand

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Der ehemalige Bürgermeister Uli Kremsler erinnert sich an den brutalen Raubüberfall vor 17 Jahren. Im Oktober 2004 stürmte der Bäcker Alfred B. die Sparkasse des 1600-Seelen-Dorfs und tötete einen Menschen. Der Fall sorgte deutschlandweit für Aufsehen.

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Während des Prozesses zum Raubüberfall auf die Sparkassenfiliale in Siegelsbach kam das Heilbronner Landgericht zu einem Vor-Ort-Termin in die 1600-Seelen-Gemeinde. Viele Siegelsbacher wollten schauen, was los ist. 
Foto: Archiv/Veigel
Während des Prozesses zum Raubüberfall auf die Sparkassenfiliale in Siegelsbach kam das Heilbronner Landgericht zu einem Vor-Ort-Termin in die 1600-Seelen-Gemeinde. Viele Siegelsbacher wollten schauen, was los ist. Foto: Archiv/Veigel  Foto: Archiv /Veigel

Auch wenn die Sparkassen-Filiale in der Ortsmitte in Siegelsbach Geschichte ist, der brutale Raubüberfall, der sich am 7. Oktober 2004 dort abspielte, wird wohl unvergessen bleiben. "So einen Krimi könnte man gar nicht schreiben", sagt Uli Kremsler, der damals Bürgermeister in Siegelsbach war.

An jenem Donnerstag vor 17 Jahren stürmte ein unmaskierter Mann die Sparkasse des 1600-Seelen-Dorfs und zwang den damals einzigen anwesenden Bankangestellten, den Tresor zu öffnen. Rund 33.000 Euro hat er sich von dem 29-Jährigen aushändigen lassen, ehe er ihn auf die Knie zwang und ihm mit dem Griff seiner Pistole mehrmals auf den Kopf schlug. Als kurz darauf ein Ehepaar aus dem Nachbarort die Bank betrat, verpasste der Täter dem Ehemann einen Nackenschuss, dessen Frau schoss er zweimal ins Gesicht und flüchtete.

Ob er sich nach dem brutalen Raubüberfall in Sicherheit wog, weil er mögliche Zeugen getötet hatte? Gut möglich. Doch der Bankangestellte und der Ehemann überlebten. Beide waren sich in ihrer Aussage einig und benannten den ortsansässigen Bäcker Alfred B. als Täter.

 


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Bürgermeister erinnert sich an "Presserummel"

"Dass der Raubüberfall passiert ist, war schon schlimm genug. Aber das sich die rechtskräftige Verurteilung vier Jahre in die Länge zog, bis Klarheit herrschte, das war das eigentlich Belastende", sagt Uli Kremsler mit Blick auf das Hin und Her. Jedes Mal ging der Presserummel von vorne los, erinnert sich Kremsler an die lange Verfahrensdauer. Alle Medien, die man sich vorstellen kann, hätten über den Raubüberfall und die nachfolgenden Gerichtverhandlungen berichtet, ihn um Interviews gebeten oder die Bürger im Ort angesprochen.

An jenen Tag kann sich der 65-Jährige noch gut erinnern. "Ich kam gerade aus einer Kreisverbandsversammlung aus Schwäbisch Hall, als mir schon in Gundelsheim eine große Polizei-Präsenz aufgefallen ist", beschreibt er seine Eindrücke. Vor der Sparkasse dann ein ganz ähnliches Bild: Polizei, Krankenwagen, Notarzt. Vielleicht ein Unfall? "Das war mein erster Gedanke." Aber als Kremsler einen Polizisten ansprach, wurde er aufgeklärt. "Ich habe sofort meine Frau angerufen und gesagt, sie und die Kinder sollen zu Hause bleiben."

Noch am selben Tag habe er in der Bäckerei von Alfred B. ein Brot mit nach Hause genommen. "Jeder in Siegelsbach war Kunde dort." Als herauskam, dass Alfred B. der Tatverdächtige sein soll, war es eine "verwirrende Situation", sagt Kremsler. "Wir haben alle gemutmaßt, wer es gewesen sein könnte, und dachten, der Täter kommt von außerhalb."


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Aber der endgültigen Verurteilung ging jahrelange Unsicherheit voraus. Auch wenn Blutspuren vom Bankangestellten im Fahrzeug von Alfred B. und mehr als 20.000 Euro auf seinem Bäckerei-Anwesen gefunden worden sind, hat ihn das Landgericht Heilbronn im April 2006 freigesprochen. Das Alibi eines Nachbars, wonach er den Bäcker auf der Straße gesehen und ihn gegrüßt haben soll, hat ihn entlastet. Die Staatsanwaltschaft legte erfolgreich Revision ein. Alfred B. wurde schuldig gesprochen und 2008, vier Jahre nach dem Raubüberfall, zu lebenslanger Haft verurteilt.

Erst Militär-Image, dann Mord-Image

In Siegelsbach selbst sei nach dem Blutbad eine unheimliche Trauer zu spüren gewesen, erzählt Kremsler. Selbst im Urlaub holte der Raubüberfall den Rathauschef immer wieder ein. Egal, wo er mit seiner Familie war, er habe nur erwähnen müssen, dass sie aus Siegelsbach kommen, schon hätten die Menschen den Ort mit dem Raubüberfall in Verbindung gebracht. "Das war belastend. Irgendwann habe ich dann gesagt, wir kommen aus der Heilbronner Gegend." Hinzu kam, dass Siegelsbach gerade auf dem besten Weg war, sein Militär-Image zu verlieren, erklärt Kremsler mit Blick auf die Bundeswehr, die nach 70 Jahren Präsenz 2010 ihr Depot bei Siegelsbach räumte. "Das Militär-Image war weg. Dann hatten wir das Mord-Image. Das war wie ein Nackenschlag."

Der Raubüberfall war nicht der erste Kriminalfall, den Uli Kremsler während seiner 32-jährigen Amtszeit erlebte. Bereits neun Jahre zuvor war die 16-jährige Manuela Kreis aus Siegelsbach spurlos verschwunden. Kremsler erzählt, dass er mit Hunderten von Polizeibeamten durch die Wälder stapfte und nach dem Mädchen suchte. Vergeblich. Rund ein Jahr später fanden Spaziergänger einen skelettierten Schädel in der Nähe eines Waldweges bei Sinsheim - den Kopf der Vermissten, wie sich herausstellte. Der Mord wurde nie aufgeklärt. "Es war eine schwierige Zeit, die ich keinem wünsche", sagt Kremsler.

 

Kriminalfälle sind immer noch Thema

Wegen der Vorfälle in Siegelsbach gelangte das 1600-Seelen-Dorf deutschlandweit in die Schlagzeilen. Der Sender Sat.1 Gold hat am 6. September in seiner Dokuserie "Im Kopf des Verbrechers" den Raubüberfall des Bäckers thematisiert. Auch der ungeklärte Mord an Manuela Kreis ist nicht von der Bildfläche verschwunden. Ein Blogbetreiber hat vor zwei Jahren auf seiner Website für Vermisste und ungeklärte Morde den Fall in Erinnerung gerufen. "Der Zweck der Seite ist es, Zeugen zu finden, etwas zur Aufklärung eines Falls beizutragen", steht dort geschrieben. 

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