Wie der Feuerwehrkommandant die Gundelsheimer Brandserie erlebt hat
Je länger eine Brandserie in Gundelsheim andauerte, umso mehr war Kommandant Tobias Gärtner beunruhigt. Der Täter kam aus den eigenen Reihen.

Die Belastung wuchs von Brand zu Brand. Feuerwehrkommandant Tobias Gärtner erinnert sich ungerne daran, aber es gehört jetzt zur Geschichte der Gundelsheimer mit dazu. Von April 2019 bis November 2020 legte ein damals noch unbekannter Täter ein Feuer nach dem anderen. Die Kriminalpolizei ermittelte akribisch - Ermittlungen im Zusammenhang mit Brandstiftungen gelten als besonders wenig aussichtsreich.
Die Serie begann im Gundelsheimer Ortsteil Tiefenbach, und dort endete sie auch. Der Täter lebte kaum 100 Meter vom letzten Brandort entfernt. Sein Auto wurde bei einem der Brände erfasst. Der 32-jährige Angehörige der Tiefenbacher Feuerwehr verstrickte sich in widersprüchliche Aussagen. Auch ein weiterer Brandort der Serie lag ganz nah am damaligen Wohnort des Täters: das Gasthaus Zur Krone.
Gundelsheim war beunruhigt
Die Kameraden des Mannes hatten in den Monaten vor dessen Festnahme zunehmend unruhige Nächte. Sie ahnten schon, was später Wirklichkeit wurde: noch ein Einsatz folgt und noch einer. Es machte den Anschein, als hörte der Feuerteufel erst zu wüten auf, wenn er gefasst wird. Gundelsheim war beunruhigt.
Im Mai 2020 dann der bislang heftigste Brand, bei dem auch Menschenleben gefährdet wurden. In der Burghalde Gundelsheim ging in einer Nacht gegen 1.40 Uhr eine Scheune in Flammen auf. Das Feuer breitete sich aus und griff auf ein Gebäude über. 21 Menschen wurden aus Häusern evakuiert. Der Täter sagte zwar später, er habe nie Menschen gefährden wollen. Doch der Richter sah das anders und entsprach den Anklagepunkten der Staatsanwaltschaft. Unter anderem wegen versuchten Mordes in vier Fällen wurde der Mann im Juli dieses Jahres zu zehn Jahren Haft verurteilt. Mit einer schwierigen Kindheit und Depressionen hatte er sich entschuldigt, bei Gericht machte das wenig Eindruck.
Täter hatte bei Suche nach Feuerteufel geholfen

Kommandant Tobias Gärtner blickt zu den Anfängen der Serie zurück. Damals kam noch niemand auf die Idee, dass die Brände so ausarten. "Es ist ja nicht jeder Pkw-Brand eine Brandstiftung. Das war nichts Weltbewegendes zu dem Zeitpunkt", sagt Gärtner mit Blick auf das allererste Feuer der Serie in Tiefenbach. Doch als dann die Flächenbrände dazu gekommen seien, "war irgendwann klar, dass das nicht immer natürliche Ursachen sein können".
Der Täter hatte sogar selbst bei der Suche nach dem Feuerteufel geholfen und unterstützte eine privat gebildeten Bürgerwehr. Er unternahm also Anstrengungen, seine Taten zu verschleiern. Sein Motiv: Aufmerksamkeit. Die Brände, die er gelegt hatte, löschte er auch.
Besonders eindrucksvoll war das in jener Nacht, als im Oktober 2020 auf einem Feld etwas oberhalb von Tiefenbach rund 400 Strohballen brannten. Der Nachthimmel war hell erleuchtet. "Dieser Strohballen-Brand, der ging über drei Tage", erinnert sich Kommandant Gärtner. "Wir mussten das kontrolliert abbrennen lassen, weil man es nicht mehr löschen konnte." Es sei eine Materialschlacht gewesen. Für die Familien daheim sei diese Zeit auch eine enorme Belastung gewesen.
Schock für die Feuerwehr
Doch zum Glück: Wenige Wochen nach dieser Tat klickten die Handschellen. Er habe das an jenem Tag von der Polizei erfahren, schildert Gärtner. "Aber ohne Namen zu diesem Zeitpunkt." In einem kleinen Ort wie Tiefenbach mache es aber schnell die Runde, wenn die Polizei jemanden festnimmt. Und dann auch noch ein Mitglied der Feuerwehr. Gärtner: "Ich war wie vor den Kopf geschlagen."
Einerseits sei es ein Schock für alle Feuerwehrleute gewesen, aber ein Stück weit auch Erleichterung. "Wir konnten wieder ruhig schlafen. Wir alle haben nach vorne geblickt. Es hat uns als Gemeinschaft sogar noch enger zusammengeschweißt." Den Bürgern Gundelsheims rechnet Gärtner bis heute hoch an, dass sie stets differenzieren konnten - zwischen Taten eines Einzelnen und dem Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr.
Nachdem das Urteil rechtskräftig war - für sieben Brandstiftungen trägt der Täter demnach die Verantwortung - , wurde der Mann sofort aus der Feuerwehr ausgeschlossen.
Feuerwehrmänner als Brandstifter gibt es nur sehr selten

Brandstifter aus den Reihen der Feuerwehr gibt es nur sehr selten. Offizielle Zahlen schwanken zwischen 0,03 und 0,05 Prozent aller Brandstiftungen. Der Heilbronner Psychiater Hans-Jürgen Luderer hat sich bereits öfter mit dieser Thematik befasst. Zur Sehnsucht nach Aufmerksamkeit, die Brandstifter mitunter antreibt, sagt er: "Sie wollen als Helfer wahrgenommen werden. Sie sind es auch, die dann gleich vor Ort sind, um das Feuer zu löschen." Besonders gefährdet seien Männer mit wenig stabilem Selbstwertgefühl, die in besonderer Weise auf die Anerkennung anderer angewiesen sind. "Die Vermutung liegt nahe, dass sie mit ihrem Handeln versuchen, durch die Anerkennung Anderer ihr Selbstwertgefühl zu stärken."
Erfahrene Brandermittler empfehlen der Feuerwehr, bei der Bewerberauswahl und bei internen Schulungen das Problem der Brandstiftung weder zu dramatisieren noch totzuschweigen. Luderer: "Die Gefahr, als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr zum Brandstifter zu werden, darf kein Tabuthema sein."