Wenn die Bauplatzsuche in der Region zum Marathonlauf wird
Freie Flächen für Häuslebauer werden in der Region zur Mangelware. Die klare Minderheit der Kommunen hat derzeit Plätze, Bewerberlisten sind lang. Es gibt aber auch Hoffnung auf Wohnraum, wenn Firmen durch mehr Home Office Flächen auf den Markt bringen.

Er sucht seit einiger Zeit einen Bauplatz für seine inzwischen vierköpfige Familie. Gerade im südlichen Landkreis sei die Situation "eine einzige Katastrophe", findet der Abstatter Christopher Kühner (30). Bei den Gemeinden "gibt es nichts", Bauflächen von privat würden überteuert angeboten. Selbst durch Hinzuziehen einer Maklerin habe sich nichts ergeben. Und als Nicht-Einwohner habe man in anderen Gemeinden "keine Chance". Wenn er Baulücken in den Orten sieht, ist er verärgert, dass Gemeinden es offenbar "nicht schaffen, die Eigentümer von einem Verkauf zu überzeugen".
Zwei Drittel der Kommunen hat derzeit keine Bauplätze
Bauland ist in der Region zur Mangelware geworden. Das hat unsere Umfrage bei 68 Kommunen ergeben. Zwei Drittel gaben an, dass sie aktuell und für den Rest des Jahres 2021 null verfügbare Bauplätze haben. Besonders heftig ist es im südlichen und östlichen Landkreis Heilbronn, im südlichen Hohenlohekreis, im Leintal oder im nördlichen Landkreis mit Ausnahme von Roigheim. Auch Heilbronn hat aktuell null freie Bauplätze für Familien, entwickelt aber wie andere Kommunen Baugebiete. 45 neue Bauplätze sollen hier ab 2023 entstehen. In Hohenlohe - nach wie vor die Region mit den günstigsten Bauplätzen - gibt es noch Gemeinden mit vielen Plätzen. Niedernhall (siehe Kasten) und Mulfingen stehen an der Spitze.
Für Klima- und Bodenschutz: Neckarsulm will in erster Linie innen wachsen
Lange Bewerberlisten gibt es inzwischen fast überall. Man muss die Frage stellen: Wird Baugrund in Zukunft zum extrem raren Gut, weil Kommunen auch weniger Bauland erschließen? Die Stadt Neckarsulm hält aktuell an der Strategie Innenentwicklung vor Außenentwicklung fest. Ziel sei, den Bodenverbrauch im Sinne des Klima- und Bodenschutzes "zu minimieren und den Siedlungskörper kompakt und vital zu halten", teilt Rathaussprecher Andreas Bracht mit. In den kommenden sechs Jahren rechnet die Stadt mit 600 neuen Wohnungen im Stadtgebiet. Die Verwaltung hat dem Gemeinderat zudem vorgeschlagen, die Entwicklung weiterer Baugebiete bis 2030 zurückzustellen. Es gebe zum Beispiel im Neubaugebiet Neuberg "etliche brachliegende private Baugrundstücke". Hier will die Verwaltung die Eigentümer anschreiben und appellieren, über eine Entwicklung der Grundstücke "ernsthaft nachzudenken".
Auch Abstatt will verstärkt die Innenentwicklung forcieren. Die Baulandentwicklung "wird schwieriger", sieht Bauamtsleiter Tim Breitenöder auch Gegenwind durch Anwohner. Eine Bürgerinitiative hat im Ort gegen ein Neubaugebiet gekämpft. Am Ende entschied sich die Mehrheit der Bürger im Juli 2019 aber dafür. Die Größe ungenutzter privater Bauplätze im Ort beziffert Breitenöder mit rund fünf Hektar Fläche. Man habe gut 100 Eigentümer angeschrieben, 30 hätten sich gemeldet, fünf seien gesprächsbereit. Keine gute Quote. Die Leute seien schon "verzweifelt, weil es keine Plätze mehr gibt".
Auf Interessentenliste in Bad Wimpfen stehen 483 Bürger
Dass es in Zukunft weniger Bauplätze geben wird, erwartet der Bad Wimpfener Bauamtsleiter Roland Löffler. Man sei dran, in der Innenverdichtung "mehr zu machen", wo es einige Leerstände gibt. Um eine "sparsame Ausweisung" von Bauplätzen im Außenbereich wird man nach Einschätzung von Bauamt-Mitarbeiter Heinrich Göpper aber nicht herumkommen. Die Nachfrage sei deutlich gestiegen. Auf 24 angebotene Bauplätze, die 2021 nach Sozialkriterien vergeben wurden, hätten sich 290 Bewerber gemeldet. Aktuell stehen 483 Bürger in einer Interessentenliste für Bauplätze. Neue gibt es wohl ab Herbst.
Regionalverband sieht Potenzial für Entspannung auf dem Markt
Eine Chance, dass sich die angespannte Situation wieder entspannen kann, sieht Klaus Mandel, Direktor im Regionalverband Heilbronn-Franken. Home Office werde künftig eine deutlich größere Rolle spielen, Firmen würden "nicht mehr für jeden Mitarbeiter Flächen einrichten". Da werde "einiges passieren" und Flächen zurück auf den Markt kommen. Auch im Einzelhandel würden Flächen frei, die dann zum Beispiel fürs Wohnen nutzbar werden. Diese zwei Stränge werden seiner Meinung nach "zu einer gewissen Druckentlastung" führen und ein neues Potenzial für Wohnraum schaffen. Beim Verkauf neuer Wohnbauflächen wäre Mandel dafür, dass Kommunen eine Bebauung innerhalb einer bestimmten Frist als Regel klar vorgeben sollten.
Bauplatz-Suchender Christopher Kühner stellt sich derzeit auf eine längere Suche und Leidenszeit ein. Er geht nach den jüngsten Erfahrungen von "einigen Jahren" aus.
Spitzenreiter
Ins Auge sticht die Angabe aus Niedernhall. Haben sehr viele Städte und Gemeinden null oder gerade einmal zehn Bauplätze noch zu vergeben, protzt das Kocherstädtchen mit 90 Bauplätzen. Die sollen in der nächsten Zeit im Gebiet Giebelheide III entstehen, hoch oben auf dem Berg. Denn auch für Niedernhall gilt: Die Entwicklungsmöglichkeiten im Tal sind ausgereizt. Alle müssen den Sprung hoch auf den Berg machen, egal ob das Künzelsau mit den Taläckern oder Forchtenberg mit dem Gebiet Waldfeld ist.