Suche nach dem Rückzugsort: Lkw-Fahrer finden kaum Rastplätze
In der Region gibt es 679 Stellplätze für Lkw-Fahrer an A6 und A81. Das sind viel zu wenige. Zwei Männer erzählen, warum sie im Industriegebeit von Neuenstadt Halt machen.

Drei Staus auf einer Strecke von 300 Kilometern. "Da flippt man aus", sagt Lkw-Fahrer Harald Aenis. Der 45-Jährige wirkt allerdings entspannt. In Lörrach gestartet, parkt er an diesem Nachmittag im Industriegebiet in Neuenstadt am Straßenrand. Er hat die erlaubte Fahrzeit von 4,5 Stunden um 30 Minuten überschritten. "Das hier war die erste Möglichkeit zu parken."
Es gebe einfach zu wenige Stellplätze entlang der Autobahnen. Die Folgen: Lkw-Fahrer stehen ständig unter Druck, weil sie Pausen, Lenk- und Ruhezeiten einhalten sollen, aber kaum Stellen zum Anhalten finden.
In der Region parken Lkw in hiesigen Gewerbegebieten, in nahen Ortschaften oder die Fahrzeuge verstopfen die Zufahrten zu längst überfüllten Rastplätzen. Annähernd 10.000 Lkw-Stellplätze gibt es an den Autobahnen in Baden-Württemberg, sagt ein Sprecher des Landesverkehrsministeriums. Es sind zu wenige. Mehr als 13.550 braucht das Land bis zum Jahr 2030.
Dies geht aus einer bundesweiten Modellsimulation für Verkehrsbelastungen hervor. Knapp 4000 Plätze fehlen. An der A6 in der Stadt und im Landkreis Heilbronn sowie dem Hohenlohekreis gibt es 460 Lkw-Stellplätze, dazu kommen 219 an der A81.
Im Lkw Filme schauen und schlafen
Nicht nur in der Region suchen Lkw-Fahrer Rastplätze. "In Köln im Industriegebiet - überall Parkverbot", sagt ein 33 Jahre alter Fahrer. Er macht in Neuenstadt nicht nur Pause. Er hält dort die Ruhezeit von elf Stunden ein. Die verbringt er mit dem Schauen von Filmen und schlafen. Der Mann fährt mit einem Sattelschlepper für einen großen Paketdienst. Jeden Mittwochabend startet er in seiner Heimat in Oberfranken in Bayern.
Dieses Mal führt ihn die Route zuerst zum Bodensee. Von dort, erzählt er, geht es Richtung Kirchheim in Hessen und weiter nach Aachen. Geschlafen wird in der Kabine. "Man gewöhnt sich dran", sagt er. Ist er ausgeruht? "Fit ist man grundsätzlich nie." Seit elf Jahren fährt er Lkw. Überschreitet er die Lenkzeit, hält die vorgeschriebenen Unterbrechungen nicht ein und gerät er in eine Polizeikontrolle, muss er das Bußgeld aus eigener Tasche zahlen.
Dass vorhandene Parkplätze oft belegt sind, auch durch viele ausländische Fahrer, hat damit zu tun, dass ein Ruheplatz auf einem Autohof Geld kostet. Diese Ausgabe möchten sich manche Fahrer sparen.
"Der Job gefällt mir, aber man steht oft mit einem Bein im Knast", sagt Aenis und nennt Stichworte: "Lenkzeiten, abgefahrene Reifen, Überladung." Die nervige Suche nach einem Rastplatz erschwert die Arbeit. "Geld durch die Lkw-Maut müsste doch vorhanden sein", überlegt Aenis. Doch viele Bürger wollten keinen Autohof vor der Tür.
Anwohner wollen keinen Autohof vor der Tür
"Der Straßenbauverwaltung ist die Schaffung neuer Stellplätze ein wichtiges Anliegen", versichert der Sprecher des Verkehrsministeriums. Allerdings machten die Gesetzgebung und die aufwendigen Verfahren bis zur Erlangung des Baurechts den Neu-, Aus- und Umbau von Rastanlagen sehr langwierig und nur schwer durchsetzbar. Hinzu komme die Tatsache, dass Rastanlagen in der jeweiligen Raumschaft und den Kommunen oft unerwünscht seien.
Harald Aenis fährt weiter nach Boxberg. Dort wird er seine Fracht los, bevor er sich auf den Heimweg nach Lörrach macht. Der Arbeitstag ist lang. Das mache nichts, sagt er. Schlimmer wäre es, wenn er wegen Staus und vorgeschriebener Pausen zu spät am Ziel ankomme und nicht abladen könne, weil der Empfänger Feierabend und die Entladestation geschlossen hat.
Was den 33-jährigen Lkw-Fahrer aus Oberfranken in seiner Arbeitswoche erwartet, ist offen. Er kennt nicht einmal seine Route. In Aachen erhalte er von seinem Arbeitgeber die weiteren Stationen aufs Handy geschickt. Montag werde er zu Hause sein. Irgendwann zwischen nachts um drei und morgens um acht, schätzt er. An den freien Tagen schläft er aus. Mittwochabend startet die neue Arbeitswoche. Die Suche nach Stellplätzen beginnt von vorne.
Initiative des Verkehrsministeriums
Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg ruft im Herbst 2019 Speditionen, Logistikfirmen, Kommunen und Privatpersonen auf, Flächen als Lkw-Stellplätze in Autobahnnähe zur Verfügung zu stellen. "Die Resonanz war überwiegend positiv", sagt ein Ministeriumssprecher. 38 Interessenten melden sich. Das Ministerium wertet die Angebote aus und stehe mit dem Bundesministerium für Verkehr in Kontakt. Ziel sei es, Pilotprojekte zu initiieren. Wie viele Stellplätze sich auf diesem Weg gewinnen lassen, ist offen. Außerdem will das Ministerium noch in diesem Jahr eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Sie soll neue Projekte zur Schaffung von Stellplätzen entwickeln.