Ein Abend am Truck-Stop in Bad Rappenau
Der Autohof in Bad Rappenau ist für viele Lkw-Fahrer eine willkommene Alternative zu Rastplätzen. Im Restaurant erzählen sie von ihrem Alltag. Ein Problem sticht besonders hervor.

PS-starke Diesel-Motoren schieben die Lkw die Straße ins Industriegebiet von Bad Rappenau-Bonfeld hinauf. Die Fahrer haben es fast geschafft. Sie möchten die Nacht auf dem Autohof verbringen. Es ist 16.30 Uhr. Die Dämmerung hat eingesetzt.
Rudolf Oosting hat es sich im Fahrerhaus seiner Zugmaschine gemütlich gemacht. Durch die große Frontscheibe beobachtet er seine Kollegen, die auf den Autohof fahren. "In zwei Stunden ist es hier rappelvoll", sagt der 61-jährige, der aus einem kleinen Dorf bei Lübeck kommt. Oosting, kurze graue Haare, Brille, Vollbart, fährt seit 39 Jahren Lkw und übernachtet gerne auf dem Autohof.
Leuchtendes Farbenspiel
"Die Parkplatzsituation auf vielen Park- und Rastplätzen ist wie in den 80er-Jahren", sagt Oosting. Lkw-Verkehr auf Autobahnen habe hingegen zugenommen. "Es entwickelt sich zum Alptraum." Doch der Beruf habe auch gute Seiten. "Wenn man zu dieser Jahreszeit durch den Kraichgau fährt und alles leuchtet in Gelb-, Ocker- und Grüntönen. Das ist schon schön." Einen Fernseher hat Oosting nicht an Bord. Stattdessen liest er Bücher. "Ich hab" im Lkw auch schon Dostojewski gelesen", sagt er und schmunzelt. Am nächsten Morgen fährt er in die Böllinger Höfe in Heilbronn, holt den Anhänger beladen mit Büromaterial ab. Die Fracht geht nach Skandinavien.

Kay Nekolny sitzt erleichtert im Restaurant des Autohofs und atmet erst einmal durch. Seit gut zwölf Stunden steht fest: Die Gastronomie im Autohof darf geöffnet bleiben. Der 41-jährige Geschäftsführer ist Chef von etwa 100 Mitarbeitern, die in Restaurant, Hotel oder an der Tankstelle arbeiten. Ein Fachverlag hat das Restaurant 2019 zum besten entlang der Autobahnen ausgezeichnet. Abgestimmt haben zum größten Teil Lkw-Fahrer. "Ich bin mit Leib und Seele dabei.", sagt er. Das übertrage sich auf die Mitarbeiter. Und das wüssten die Kunden zu schätzen.
Einer davon ist Jürgen. Seinen Nachnamen möchte er nicht nennen und bietet gleich das Du an. "Das macht man unter Lkw-Fahrern so." Der 56-Jährige kommt aus Trier, ist der Liebe wegen aber nach Crailsheim gezogen. Die ersten beiden Ehen sind auch wegen des Berufs in die Brüche gegangen. "Viele Frauen kommen damit nicht klar. Die ganze Zeit unterwegs. Wenn dann noch Kinder dazukommen", sagt er.
Überall muss er warten

Jürgen hat die kratzige Stimme eines Truckers. Seine schmale Statur hingegen passt nicht zum Bild, das man gemeinhin von einem Lkw-Fahrer hat. Morgens um zwei Uhr fährt er in Köln los. Um sechs Uhr steht er in Kupferzell und muss zwei Stunden warten, bis sein Lkw beladen wird. Dann nach Rosenberg bei Ellwangen. Wieder zwei Stunden warten. Nach dem Beladen steuert er den Autohof an, fährt wegen eines langen Staus in Öhringen von der Autobahn und über Neuenstadt in Neckarsulm wieder auf die A6 auf. Zwei Minuten, bevor seine maximale Fahrtzeit überschritten ist, kommt er auf dem Autohof an. Und ist zufrieden.
"Fahren ist mein Traumberuf. Man sieht was von der Welt", sagt er. Früher sei er viel im europäischen Ausland unterwegs gewesen. Er überlegt kurz und ergänzt: "Doch mit dem vielen Verkehr ist es schwierig." Die Folgen spürt er Abend für Abend: "Es fehlen bis zu 40 000 Parkplätze." Er lässt seinen Arm auf den Tisch fallen, seine schwere silberne Armkette schlägt auf die Tischplatte. "Nach 19 Uhr hast Du so gut wie keine Chance mehr auf einen Parkplatz." Früher habe man auch mal im Industriegebiet parken können. Doch unter Lkw-Fahrern gebe es auch jene, die ihren Müll nicht mitnehmen, sondern ins Gebüsch oder auf dem Gehweg liegenlassen. Die Konsequenz: Industriegebiete sind tabu.
Die A6 mit den Baustellen nerven ihn

Einer, der seinen Traumberuf gefunden hat, sitzt am Tisch gegenüber. Marten Grijpma kommt aus Menaldum, einem Dorf in der niederländischen Provinz Friesland. "Mein Opa war Lkw-Fahrer. Die Storys, die er mir von seinen Touren erzählt hat, haben mir gefallen", sagt der 28-Jährige. Dass er nicht genau wisse, wie er wo hinkommt und wo er die Nacht verbringt, machen den Beruf für ihn interessant. Die Nacht im Fahrerhaus vertreibt sich Grijpma mit einem dicken Buch über den Ersten Weltkrieg. Die A6 mit ihren vielen Baustellen nerven ihn. "In den Niederlanden sperren wir ein Teilstück einer Autobahn ab, reparieren sie übers Wochenende und öffnen sie dann wieder." Das wünsche er sich auch in Deutschland.