Landwirtschaft an der A6: Wo Wein und Weizen neben dem Standstreifen wachsen
Eingebettet in eine Landschaft aus Feldern und Weinbergen liegt die A6, die wichtigste Verkehrsader in der Region. Durch ihren Ausbau ging Landwirten Ackerland verloren, Winzern Weinberge. Zwei Betroffene berichten.

Vom Bauernhof der Familie Senghaas sind es nur ein paar Meter zu Fuß. Feldweg, über die B39, leichte Steigung - schon schlängelt sie sich wie ein breiter Strom durch die Landschaft im äußersten Westen Heilbronns: die A6. Auf beiden Seiten der Autobahn erstrecken sich Felder so weit das Auge reicht - auch hie und da ein Weinberg. Auf einem solchen, ein paar Kilometer Richtung Osten, baut das Ehepaar Brecht hiesige Rebsorten von Dornfelder bis Samtrot an.
Der 200-Hektar-Hof von Familie Senghaas liegt linkerhand, wenn man vom Heilbronner Stadtteil Kirchhausen nach Fürfeld fährt. "2020 wird bescheiden", sagt Petra Senghaas. Das liege weniger an der A6 als am Coronavirus und viel zu geringer Nachfrage." Zum Beispiel bei den Kartoffeln, einer wichtigen Anbaupflanze der Familie Senghaas - neben Weizen, Dinkel und Zuckerrüben. "Ein wichtiger Markt für Pommes ist China. Die Kartoffeln dafür kommen vor allem aus Norddeutschland. Funktioniert dieser Markt nicht, suchen sich die dortigen Kartoffelbauern andere Absatzmöglichkeiten. Das drückt die Preise für uns", sagt die 54-Jährige.
Zumal die Zahlen, die ein Landwirt heutzutage im Auge behalten muss, eher etwas mit Börsennachrichten zu tun haben, als mit den Kühen und Mähdreschern in Kinderbüchern. "Bei einigen Produkten sind für uns die Weltmärkte relevant", sagt Senghaas.
"Was weg ist, ist weg"
Solange nicht gebaut wurde, hatten sie nicht viel miteinander zu tun, A6 und Landwirte. Das hat sich geändert. "Von unseren Feldern an der Autobahn ist ein Teil verloren gegangen. Dort, wo der Lkw-Parkplatz gebaut wird", erzählt die Landwirtin. Sie waren nur gepachtet, aber "was weg ist, ist weg". Ausgleichsmaßnahmen von Biotop bis Streuobstwiese würden sich in der Öffentlichkeit und vielleicht in der Klimabilanz gut machen. "Uns Landwirten bringen sie nichts. Es geht sogar doppelt Fläche verloren", sagt sie. Einmal für die Autobahn selbst und für die Ausgleichsmaßnahme erneut. Sie sehe die Notwendigkeit nicht. "Der Autohof bei Bad Rappenau und der Parkplatz Bauernwald hätten doch gereicht."
Manchmal gehe es um vergleichsweise Kleinigkeiten, die den Landwirten das Leben erleichtern würden. "Wir hätten den Durchlass unter der A6 gerne ein bisschen höher gehabt. Für große Maschinen wie unsere Vollernter", sagt Petra Senghaas. Aber alles Zureden habe nichts genutzt - die Pläne blieben unverändert. "Der Umweg kostet zusätzlichen Diesel und wir müssen auf regulären Straßen fahren."
Trotzdem freue sie sich auf das Ende der Arbeiten. "Ein paar kleinere Flächen stehen wieder zur Verfügung, wo Baustelleneinrichtung oder Wege waren", sagt die Landwirtin. "Und es ist gut für die Region, wenn der Verkehr auf der A6 rollt."
Schwarzriesling und Samtrot betroffen
Zwei Hektar der Fläche, auf denen das Ehepaar Brecht in Neckarsulm Wein anbaut, liegen direkt an der Autobahn - nicht weit vom Kreuz aus A6 und B27 entfernt. "Wir haben auch ein bisschen Fläche für den Ausbau der Autobahn abgeben müssen", sagt Melanie Brecht. Betroffen gewesen seien die Rebsorten Schwarzriesling und Samtrot. "Was manche Leute so aus den Autofenstern werfen und in Grundstücken hinterlassen, ist ärgerlich", sagt die Winzerin. "Außerdem ist es an der Stelle sehr laut." Doch während die geplante Lärmschutzwand in dieser Hinsicht Linderung verspricht, könnte sich eine andere Folge negativ bemerkbar machen. "Das Risiko von Spätfrösten könnte steigen. Das müssen wir beobachten."