Stimme+
Sorge vor Übergriff
Lesezeichen setzen Merken

Nachts am Weinsberger Bahnhof: Ein sicherer Ort für Frauen?

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

In der Dunkelheit fühlen sich viele Menschen unsicherer als am Tag. Gerade Frauen fürchten die Gefahr. Wie gefährlich sind öffentliche Orte tatsächlich? Frauen schildern ihr Empfinden.

   | 
Lesezeit  2 Min

Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

Am Bahnhof in der Kälte stehen und warten, ist immer unangenehm. Doch kurz nach Mitternacht löst der Bahnsteig in Weinsberg bei einigen Menschen noch etwas anderes aus: Unsicherheit. Davon scheint die fünfköpfige Männergruppe, die um 0.13 Uhr die Regionalbahn in Richtung Crailsheim nimmt, nicht viel zu bemerken. Das mag am Wein liegen, den sie in der Besenwirtschaft des Weinguts Seyffert nur wenige Meter entfernt getrunken haben.

Sie seien häufiger bei Weingut Seyffert anzutreffen, allerdings nicht in dieser Konstellation, geben zwei der Männer Auskunft, die sich als Brüder vorstellen, aber nicht ihre Namen nennen wollen. Lautstark bringt die Gruppe, die aus Öhringen und Umgebung kommt, ihre gute Laune zum Ausdruck. Die anderen wenigen Fahrgäste huschen um diese Zeit förmlich übers Gleis.

Sicher am Bahnhof in Weinsberg? So fühlen sich Frauen in der Nacht

Isabella Johnson ist mit einer Freundin unterwegs. Die beiden Frauen sind aus England, Johnson lebt aber seit einigen Monaten in Weinsberg. Die Bahn so spät am Abend nutzt die 23-Jährige nur am Wochenende, wenn sie für Unternehmungen nach Heilbronn fährt. Auf der Rückfahrt macht sie sich weniger Gedanken. Für sie besteht "keine gefährliche Atmosphäre in Weinsberg". Deshalb scheut sie sich nicht, auch den übrigen Rückweg alleine anzutreten. "In Heilbronn ist das was anderes", räumt Johnson ein. Dort versuche sie, nicht alleine unterwegs zu sein, manche Orte meidet sie alleine ganz.

Bahnhof Weinsberg bei Dunkelheit, Sicherheitsgefühl, Beleuchtung
Bahnhof Weinsberg bei Dunkelheit, Sicherheitsgefühl, Beleuchtung  Foto: Berger, Mario

Ähnlich hält es auch Tatjana Latigua. "Man weiß nie", sagt sie skeptisch. Deshalb trifft die 27-Jährige Vorkehrungen: "Mein Freund ist immer dran", erklärt sie und hält zum Beweis das Handy mit dem laufenden Videoanruf hoch. An größeren Bahnhöfen sei es jedoch noch unangenehmer als hier in Weinsberg. In Stuttgart beispielsweise habe ihre Cousine vor kurzem beim Müllentsorgen eine Frau zwischen den Containern gefunden – ausgeraubt und vergewaltigt. Latigua muss los, den letzten Bus erwischen. Denn sonst wird es wirklich unangenehm und sie muss durch die Dunkelheit laufen, was ihrem Sicherheitsgefühl sicher nicht zuträglich wäre.

Angst in der Nacht: Frauen meiden öffentliche Verkehrsmittel

Schlecht beleuchtete Orte gibt es im Raum Heilbronn einige. Das wirkt sich auf das Sicherheitsgefühl der Menschen aus. Dass gerade nachts die Unsicherheit größer wird, zeigt auch die vom Bundeskriminalamt herausgegebene Opferbefragung Sicherheit und Kriminalität in Deutschland (SKiD). Unter den befragten Frauen fühlen sich gerade einmal 33 Prozent nachts in öffentlichen Verkehrsmittel sicher, bei Männern sind es 60 Prozent. „Um sich vor Kriminalität zu schützen, meidet ein Großteil der Bevölkerung nachts bestimmte Orte“, heißt es in der Dunkelfeldstudie. 

Eine Pressesprecherin des Bundesinnenministeriums merkt an, dass die Studie keine Aussage über die tatsächliche Gefahr macht. Zahlen dazu, wie viele Frauen im öffentlichen Raum Opfer von Übergriffen werden, kann die Polizei Heilbronn nicht nennen. Dennoch fällt die Einschätzung der Beamten klar aus: "Statistisch gesehen ist die Gefahr, Opfer eines Gewaltverbrechens im öffentlichen Raum zu werden, relativ gering."

Sicherheitsgefühl von Frauen im öffentlichen Raum – das unternimmt die Polizei

Vor allem an Brennpunkten wie Bahnhöfen seien Beamte vermehrt unterwegs, heißt es von Seiten der Heilbronner Polizei. Mit Kampagnen und Selbstbehauptungskursen soll das Sicherheitsgefühl gestärkt werden. Außerdem sei auch die Planung des Weges in gut beleuchteten und belebten Bereichen hilfreich. Wer sich unsicher oder bedroht fühlt, sollte laut Polizei auf Kopfhörer verzichten.

Gemeinsam versuchen Bund und Länder, die Sicherheit in Deutschland zu steigern. Dafür arbeiten sie im Rahmen der Polizeilichen Kriminalprävention (ProPK) auch mit Städten, Gemeinden und Verkehrsunternehmen zusammen. 

Gefahr von Partner statt von Fremden: Wo Frauen wirklich Gewalt droht

Doch wo geschehen die Übergriffe dann? Besonders der eigene Partner sowie Bekannte stellen die größte Gefahr dar, teilt die Polizei mit. "Die Furcht vor Fremden ist jedoch oft eine Folge medialer Berichterstattung und allgemeiner Ängste", schätzt die Polizeisprecherin ein. Das liege daran, dass Häusliche Gewalt häufig als "Beziehungstragödien" oder Eifersuchtsdramen" verharmlost werden, erklärt die Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Zudem fehle das Bewusstsein, dass es ein gesamtgesellschaftliches Problem sei und jedem widerfahren könne.

Zurück an den Weinsberger Bahnhof: Mit einer vertrauten, männlichen Begleitung geht von den ein- und aussteigenden Passanten weniger Gefahr aus und die Zeit vergeht schneller. Das empfiehlt auch die Polizei. Paradox, schließlich ist es die Person, von der statistisch gesehen die meiste Gefahr ausgeht, vermutlich jedoch nicht auf dem nächtlichen Bahnhof, sondern zu Hause. 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben