Geisterstunde auf Burg Stettenfels
Auch zu später Stunde sind auf der Burg Stettenfels noch allerlei Geräusche zu hören. Spukt hier ein Fugger-Gespenst? Und liegen in den Verliesen noch Skelette? Schlossherrin Anja Weimar führt durch das Gemäuer mit der bewegten Geschichte.

Verlorene Seelen, die in Zwischenwelten verweilen, verstorbene Ahnen, deren Geist regelmäßig zu später Stunde zurückkehrt – solche Vorstellungen gibt es seit Menschengedenken. Vor allem in Verbindung mit Burgen und Schlössern. Auch Anja Weimar wird immer wieder gefragt, ob es in der Anlage aus dem 11. Jahrhundert tatsächlich spukt. "Besonders Kinder wollen es ganz genau wissen", berichtet die Burgherrin der Stettenfels mit einem Schmunzeln.
Es ist kurz vor Mitternacht und noch immer ist einiges los rund um die Festung, in der bereits Ritter, Herzöge und Grafen gelebt haben. In der Schirmbar werden die letzten Gläser gespült und Tische abgewischt. Im hinteren Teil des Biergartens sitzen noch ein Dutzend Darsteller des Freilichtschauspiels "Die Wanderhure" an langen Tischen. Man bespricht die Hauptprobe, Kartoffeln und Steaks werden verzehrt. Mit einem "Geist" haben die meisten hier bereits Erfahrung gemacht. Aber nur gute. 2017 begeisterte das Ensemble mit dem Kinderstück "Das kleine Gespenst". "Die ganze Umgebung hat super dazu gepasst", schwärmt Regisseurin Ursula Simon.
Renaissanceschloss

Zeitgleich mit den Glockenschlägen, die von der Kirchturmuhr in Untergruppenbach zu hören sind, erlöschen viele der Lichter, die die Anlage zuvor in ein stimmungsvolles Licht getaucht haben und die Burg majestätisch über der Gemeinde thronen lassen. Erst jetzt wird einem die Dunkelheit richtig bewusst – und das Zirpen der Grillen wirkt umso eindringlicher. Anja Weimar hat eine Taschenlampe mitgebracht, die zum Einsatz kommt, während es – treppauf, treppab – durch lange Gänge und riesige Säle geht.
Mitte des 16. Jahrhunderts hatten die Fugger das Anwesen erworben und zum Renaissanceschloss umgebaut. Neben dem Portrait eines früheren Besitzers führt eine gerahmte Tafel zehn männliche Familienmitglieder auf, die hier gelebt haben sollen. "Einer von diesen treibt als Geist sein Unwesen", gibt die Burgherrin eine der Sagen wieder, die auch sie nur vom Hörensagen kennt. "Ach ja: Man entkommt ihm nur, wenn man ihm einen Sack Gold aushändigt", schiebt sie mit einem Lächeln samt hochgezogener Augenbraue hinterher.
Modergeruch

Anja Weimar, die sich selbst als "nüchternen Menschen" bezeichnet, bereiten die Geschichten, die es über die Anlage gibt, sichtlich Vergnügen. Deren Wahrheitsgehalt stehe jedoch auf einem anderen Blatt. Es geht zahlreiche Stufen hinab. Intensiver Modergeruch steigt beim Betreten des Raums in die Nase. An der gegenüberliegenden Wand ist altes Pferdegeschirr befestigt. Ein runder Haken baumelt von der Decke herab und über einer Öffnung am Boden liegt eine dicke Glasscheibe. "Das hier ist eines von zwei Verliesen", erklärt sie. "Angeblich wurden die Gefangenen an Haken aufgehängt und in das Loch herabgelassen." Zwei Skelette sollten sich noch darin befinden, hieß es bei ihrem Einzug. "Wir haben aus Spaß und Neugier mal in die Tiefe gegraben." Alte Knochen hat die Familie keine gefunden – ebenso wenig wie an anderer Stelle den Eingang zu einem Tunnel, der zum ehemaligen Gasthaus Rose führen soll.
Wenn man an einem so außergewöhnlichen Ort zu Hause ist, muss man sich umstellen und umgewöhnen. "Die Burg lebt - und zwar rund um die Uhr", sagt Anja Weimar. Wegen der Temperaturunterschiede am Tag und in der Nacht knarzt das Gebälk. Fensterläden klappern, bei starken Winden schwankt der Turm, in dem die Familie seit 2005 wohnt. Und wenige Meter vom Wald entfernt höre man auch die Tiere, sagt die Geschäftsführerin der Burg Stettenfels GmbH und zählt auf: "Käuzchen, Füchse, Rehe und viele mehr."
Eine Übernachtung, die in Erinnerung bleibt

Vor ein paar Jahren kam ein Möbelhaus auf die Burgherrin zu. Im Rahmen eines Gewinnspiels verloste das Unternehmen ein Doppelbett samt Übernachtung im Schloss. Ob sie sich vorstellen könne, den Spaß mitzumachen, wurde sie gefragt. Anja Weimar konnte und wollte. Die Nacht in dem riesigen Saal samt neuem Bett dürfte dem jungen Paar lange in Erinnerung geblieben sein – angesichts der nächtlichen Geräuschkulisse, die für Weimar längst zur Begleitmusik ihres Lebens geworden ist. Aber nicht für ihre beiden Übernachtungsgäste. "Die waren am nächsten Tag gottfroh, dass sie wieder abreisen konnten."
1356 ist erstmals in einer Urkunde die Rede von der Burg Stettenfels, an der zwei Heilbronner Bürger ihren Anteil verkaufen. Aus etwa dieser Zeit dürften auch die Befestigungsanlagen stammen, die zum Teil heute noch stehen. Nach dem bayrisch-pfälzischen Erbfolgekrieg fällt die Festung 1504 an Württemberg. 1527 erwirbt Wolff Phillip von Hürnheim die Herrschaft. 1551 gelangt die Augsburger Kaufmannsfamilie Fugger in den Besitz der Anlage, die in dieser Zeit ihr heutiges Aussehen erhält. 1829 erwirbt die Gemeinde Untergruppenbach das Schloß, um es schon 1852 weiterzuverkaufen. Der Besitz geht in der Folgezeit durch viele Hände. Seit 1994 ist die Familie Weimar Eigentümer der Burg.