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Die älteste Uhr Deutschlands schlägt in Forchtenberg

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Die Geschichte der Turmuhr in Forchtenberg ist lang: Über 560 Jahre alt ist die Uhr im Backhaus. Nur durch Zufall wurde sie 2012 überhaupt wiedergefunden.

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Die historische Turmuhr in Forchtenberg gilt als die älteste Uhr Deutschlands.
Die historische Turmuhr in Forchtenberg gilt als die älteste Uhr Deutschlands.  Foto: Rolf Krämer

Als eine „Sensation“ wird der Fund der Forchtenberger Turmuhr bezeichnet. 1976 wurde sie aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses aus dem Backhausturm ausgebaut – und gegen ein neueres, genaueres Exemplar ersetzt. Die historische Uhr wurde daraufhin eingelagert – und ist in Vergessenheit geraten. Wiedergefunden wurde die kostbare Uhr 2012 durch den neuen Eigentümer des Backhauses Rolf Krämer.  

„Niemand wusste noch, dass wir die Uhr haben": Fund der Forchtenberger Turmuhr war Zufall 

„Zeitgleich zum Backhaus wurde der Diebsturm saniert. Mich hatte ein städtischer Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass dabei eine Uhr gefunden wurde. So sind wir auf die Uhr gekommen", erzählt Krämer.  

„Niemand wusste noch, dass wir die Uhr haben", sagte der damalige Bürgemeister Uwe Gysin nach dem Sensations-Fund gegenüber der Heilbronner Stimme.  2013 beschloss der Gemeinderat einstimmig, dass die Turmuhr im Besitz der Stadt bleiben, repariert und wieder in Backhaus eingebaut werden soll

An der Stelle des Torhauses befindet sich heute das Backhaus. Die Turmuhr selber ist in dem verbleibenen Rest des Brunnentors eingebaut, der teil der Besfestigungsanlage von Forchtenberg war.
An der Stelle des Torhauses befindet sich heute das Backhaus. Die Turmuhr selber ist in dem verbleibenen Rest des Brunnentors eingebaut, der teil der Besfestigungsanlage von Forchtenberg war.  Foto: Archiv

 "Die Uhr schlägt immer größere Wellen“

Laut der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz ist die Forchtenberger Backhausuhr die älteste Uhr Deutschlands – zumindest so lange keine ältere gefunden ist. Ob sie vielleicht sogar die älteste funktionierende Uhr der Welt ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden. Klar ist aber: Die Ein-Zeiger-Uhr im Forchtenberger Backhausturm ist über 560 Jahre alt.  

Das Interesse wird immer größer: „Die Uhr schlägt immer größere Wellen. Das Verständnis setzt sich immer mehr durch, dass es tatsächlich die älteste Uhr in Deutschland ist", erklärt Krämer. 

Forchtenberger Backhausturmuhr ist die älteste Uhr Deutschlands 

Die Jahreszahl 1463 ist in die Uhr eingraviert. Rolf Krämer erklärt: „Bei dem Datum handelt es sich laut dem Denkmalamt sehr wahrscheinlich um den Zeitpunkt der ersten Reparatur, wie ein Gutachten von 2012 zeigt." Teile des Uhrwerks aus Eisen und Bronze stammen wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert. Die Jahreszahlen 1613, 1621, 1724, 1781, 1878 und 1901 weisen auf weitere Reparaturen hin. 

In den Uhrenrahmen sind mehrere Jahreszahlen eingraviert. Das älteste Datum: 1463.
In den Uhrenrahmen sind mehrere Jahreszahlen eingraviert. Das älteste Datum: 1463.  Foto: Rolf Krämer

Aufgrund der Datierung wird vermutet, dass die Uhr entweder in Nürnberg oder Straßburg konstruiert wurde. Die beiden Städte waren im 14. und 15. Jahrhundert die namhaftesten Zentren für Turmuhrenbau nördlich der Alpen.  

Seit 2016 schlägt die Turmuhr wieder im Forchtenbeger Backhausturm

Als die Turmuhr 2012 wiederentdeckt wurde, waren laut der Stadt Forchtenberg im ehemaligen Uhrenturm nur noch die beiden Ziffernblätter, einige Gewichte und Teile des Zeigerwerks vorhanden. Die eigentliche Mechanik der Uhr wurde in einem Archivgebäude der Stadt Forchtenberg gefunden: stark verwittert, aber vollständig und unbeschädigt.  

Nach der Restaurierung durch eine Turmuhren-Fachwerkstatt aus Rothenburg ob der Tauber, unterstützt durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, ist die Forchtenberger Uhr seit Juni 2016 wieder voll funktionsfähig. Seitdem schlägt die historische Uhr im Backhausturm wieder zu jeder vollen Stunde. Rund 100.000 Euro hat die Restaurierung gekostet.  

Teile des Uhrwerks aus Eisen und Bronze stammen wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert.
Teile des Uhrwerks aus Eisen und Bronze stammen wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert.  Foto: Rolf Krämer

Die Uhr ist der Öffentlichkeit zugänglich. Die Backstube und das Turmuhrzimmer stehen für Besucher zur Verfügung, Bruno Tränkner erzählt gerne die Geschichte dahinter. Wer eine Führung möchte, kann sich an die Stadt Forchtenberg wenden. 

Turmuhr wurde mehrmals umgebaut und modernisiert – „ein Wunderwerk der Technik"

Die Geschichte der Turmuhr ist lang: Ursprünglich handelte es sich um eine mechanische Waaguhr. Die Reste der Waaghemmung sind am Uhrengestell noch deutlich zu erkennen. Im Zuge der technischen Weiterentwicklung wurde die Uhr mehrmals umgebaut und modernisiert. Im 17. Jahrhundert wurde schließlich die Waaghemmung durch einen Pendelmechanismus ersetzt, um die Genauigkeit des Uhrwerks zu erhöhen. 

Ende des 14. Jahrhunderts entstanden aus den Schlaguhren die ersten Ein-Zeiger-Uhren, die optisch die Tagesstunde anzeigen. Die Deutsche Stiftung für Denkmalschutz bezeichnet die Turmuhr von Forchtenberg „ein Wunderwerk der Technik". Das Backhaus und die Turmuhr haben 2019 den Denkmalschutzpreis von Baden-Württemberg erhalten. 

Mithilfe von Elektromotoren wird das Uhrwerk täglich automatisch aufgezogen und ist damit in Dauerbetrieb. Bruno Tränkner kümmert sich als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Stadt Forchtenberg darum, dass die Uhr in einem einwandfreien Zustand bleibt.

Die Forchtenberger Turmuhr ist ein "Wunderwerk der Technik".
Die Forchtenberger Turmuhr ist ein "Wunderwerk der Technik".  Foto: Bruno Tränkner

Forchtenberger Turmuhr wird mechanisch aufgezogen – zur Zeitumstellung gibt es Handlungsbedarf

Wartungen, kleinere Reparaturen sowie andere Arbeiten gehören zu seinen Aufgaben. Zum Beispiel wenn der Strom ausfällt, greift Bruno Tränkner ein. "Die Gewichte werden über eine elektrische Steuerung automatisch hochgezogen. Wenn die Steuerung ausfällt, dann ist auch die Uhr durcheinander. Da gehe ich dann hin und justiere alles", erklärt er.  

Sein Wissen hat Tränkner unter anderem dem Turmuhrmeister Gernort Dürr aus Tauberbischofsheim zu verdanken. "Er hat mich 2020 bei Reparaturarbeiten angeleitet und mir die ganzen Dinge gezeigt".   

Die letzten kleineren Reparaturarbeiten haben Anfang 2024 stattgefunden. Als nächstes steht die Umstellung auf Winterzeit Ende Oktober an – Tränkner stellt die Backhausturmuhr per Hand um.  

Wie alt ist die Uhr wirklich? Herkunft der Turmuhr in Forchtenberg bislang unklar

1606 wurde die Uhr am Brunnentor, dem heutigen Backhaustor, das erste Mal im Gemeinderatsprotokollen erwähnt. 1833 wurde das Brunnentor weitestgehend abgerissen. 1838 dann auch das Torhaus. An der Stelle des Torhauses befindet sich heute das Backhaus. Die Turmuhr ist in dem verbleibendem Rest des Brunnentors eingebaut, der Teil der Besfestigungsanlage von Forchtenberg war.

Wo die Uhr herkommt, ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Es gibt verschiedene Theorien vonseiten der Stadt: Sie könnte ein Mitbringsel des Bildhauers Leonard Kern sein, der die Uhr aus Nürnberg nach Forchtenberg gebracht haben könnte. Oder ist die Uhr von einem Mitglied der Hohenloher Herrschaftshauses der Stadtgemeinde geschenkt worden? Alles Spekulationen.  

Ob das Mysterium um die Herkunft jemals aufgeklärt wird, bleibt offen – doch die Geschichte der Uhr geht weiter. Vielleicht wird sie eines Tages sogar zur ältesten Uhr der Welt ernannt?  

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