Nachts am Autohof in Bad Rappenau: Plausch und Plüsch
Der Autohof in Bad Rappenau gilt als vielfältige Anlaufstelle. Er bietet nicht nur einen Boxenstopp für Lkw-Fahrer oder Snacks fürs Partyvolk. Die Rastanlage ist Knotenpunkt für vielfältige Lebenssituationen.

Hart aber herzlich: Mit einem "Sie" braucht man ihnen erst gar nicht zu kommen, das machen Anita Hermann und Jolene Obinna klar. "Wir müssen uns eher daran erinnern, wenn bei der Tagschicht die Anzugträger kommen, dass wir die dann siezen", sagt Anita. Wie dem Sprüchlein zufolge nachts alle Katzen grau sind, so sind während der Nachtschicht am Autohof 24 in Bad Rappenau alle per Du.
120 Stellplätze für Lkw gibt es am Standort, 80 Betten im Hotel gegenüber. In der Nacht von Freitag auf Samstag sind um zwei Uhr viele Lastwagen-Fahrer schon zu Bett. Anzutreffen sind Nachtschwärmer - ein paar junge Männer - ein wenig aufgekratzt. Die 24- bis 27-Jährigen seien zu dritt im Club Malinki gewesen. Ganz überzeugt hat sie der Abend aber nicht. "Langweilig war's", ärgert sich der eine. "Am Samstag ist da auch mehr los", erwidert ein anderer. Dann hatte die Kumpels der Hunger gepackt und einer von ihnen habe vorgeschlagen, einen Cheeseburger zu essen. Sie wollen wissen, ob das Fleisch halal sei - Jolene, seit sieben Jahren in der Nachtschicht am Autohof, geht routiniert mit den jungen Leuten um und bejaht.
Der Autohof in Bad Rappenau gilt bei jungen Leuten als Anlaufstelle für einen nächtlichen Imbiss
Dass die Cheeseburger hier nach einem Malinki-Besuch ein Klassiker seien, betont später ein weiterer Mittzwanziger, der sein Glück am Automaten mit Plüschtieren versucht. "Nur so läuft der Abend hier gut", sagt der 26-Jährige. Am Automaten hingegen läuft es nicht so gut, der Greifarm bekommt das Kuscheltier nicht recht zu fassen.

Die vielen bunten Lichter am und im Autohof scheinen die jungen Leute magisch anzuziehen. An den Spielautomaten daddeln andere junge Männer. Ein "bisschen zocken", wolle er, nachdem er in einer Shisha-Bar und bei Freunden gewesen sei, sagt ein 23-Jähriger.
Ein junger Mann aus einer anderen Gruppe erklärt, dass er nicht in Casinos gehe, "denn es gibt hier auch alles". Auch sei ihm die Atmosphäre im Autohof lieber, zudem sei stets geöffnet - auch, wenn er von der Spätschicht komme. "Und, wenn einer schreit, weil er Geld verloren hat, dann kommen sie und sorgen für Ruhe." Gemeint sind die Service-Mitarbeiterinnen. Jolene sagt, vielleicht machten sich Leute Sorgen, wenn nachts hinter der Theke alleine zwei Frauen stünden. "Das Gute ist: Wenn hier irgendwas los ist, können wir uns darauf verlassen, dass die Leute aufstehen."
Hier gibt es einen Plausch für die, die fast immer unterwegs sind

Viel eher aber erleben die beiden Frauen andere Gemütsregungen der Lkw-Fahrer. "Sie sind ja immer weg von zu Hause", sagt Anita und fügt hinzu: "Als Mutter von vier Kindern kann ich die Fahrer gut verstehen." Sie erzählen viel und "zeigen dir schon auch mal Bilder von den Kindern oder der Frau", sagt Anita. Das gehe nachts eher. "Da kannst du dir etwas Zeit nehmen und zuhören."
Unter der Woche seien mehr Laster-Fahrer da, heißt es immer wieder. An einem Lastwagen mit Anhänger erklimmt ein Mann mit Warnweste das Fahrerhaus, einen Kaffee-Pappbecher in der Hand.

Den weißen Lastzug fährt Andreas Senger seit 2020 zwischen Bad Rappenau und Neckarsulm-Dahenfeld. Am Autohof schätzt er den freundlichen Umgang. "Manchmal esse ich hier auch ganz gerne eine Wurst", so Senger.
Spezielle Utensilien für Lastwagen-Fahrer
Viele Waren, die im Autohof verkauft werden, decken sich mit dem Inventar gewöhnlicher Tankstellen. "Skurriles gibt es da nicht: Kaugummis, Zahnbürsten, Kondome", sagt Servicekraft Anita. Doch ein Schild mit dem Aufdruck "Trucker-Shop" führt ums Eck.

Zwei Artikelreihen sind hier augenfällig: Clog-Schuhe zum Hineinschlüpfen, abgesichert mit Stahlkappen an den Zehen. Zudem gibt es unterschiedliche Varianten von Wasserkochern, Kaffeemaschinen, Sandwichtoastern und kleinen Öfen - die alle über den Zigarettenanzünder im Fahrerhaus funktionieren.
Im Verkaufsraum läuft im Radio derweil ein Schweizer Sender. Gefragt, wer sich das gewünscht habe, zuckt Anita mit den Achseln. Jolene stellt Antenne Bayern ein. Ob es Musik gebe, die Anita hier besonders gern höre? Die Servicekraft, mittlerweile acht Jahre in der Nachtschicht am Autohof tätig, sagt: "Von Madonna: La Isla bonita." Die schöne Insel - beiden Frauen glaubt man gern, dass sie bei der Schicht dem Autohof solch eine Aura verleihen möchten.
Dazu passt, dass Betreiber Kay Nekolny die beiden Servicemitarbeiterinnen liebevoll als "Feen in der Nacht" bezeichnet. Und als "Mikrokosmos" den Autohof: "Es ist eine Drehscheibe für Lkw-Fahrer, Pendler, Urlauber - mit allen Nationalitäten, allen Berufszweigen." Zudem kämen Menschen mit jedem Lebensschicksal: "Es kommen Heiratende und frisch Getrennte."