Dauer-Streit um die Reaktivierung der Jagsttalbahn: Eine Museumsbahn - oder doch mehr?
Wie das Landratsamt die Zukunft der Jagsttalbahn in Hohenlohe bewertet.

Thomas Dubowy legt gerne den Finger in die Wunde, wenn die Rede auf die Zukunft der Jagsttalbahn kommt. So geschehen kurz vor der Kommunalwahl 2019, und so wiederholt Anfang März 2021: jeweils im zuständigen Ausschuss des Kreistags. Vor fast zwei Jahren hatte er damit eine lebhafte Diskussion ausgelöst. Jetzt fanden seine Worte erstmal keinen großen Wiederhall.
Fragen an die Kreisverwaltung
Unter "Verschiedenes" hatte der Kreisrat der Freien Wähler, der zugleich Erster Stellvertreter des Krautheimer Bürgermeisters ist, folgende Fragen aufgeworfen: Es gebe eine "Initiative" der Landtagsabgeordneten Catherine Kern und Arnulf von Eyb, "eine Straßenbahn zu bauen im Jagsttal: Ist das der Kreisverwaltung so bekannt? In welchem Zeitraum könnte das zu welchen Kosten realisiert werden? Und was bedeutet das für den Kreishaushalt?" Die Antworten spielten eine große Rolle für die Stadt Krautheim und für den NVH. Der dortige Busbahnhof müsse dringend saniert werden, zwei Regiobuslinien träfen dort aufeinander: "Wir müssen wissen, wie wir das zu planen haben."
Konfliktbeladene Vorgeschichte
Wer die lange und überaus konfliktbeladene Vorgeschichte kennt, weiß genau, wie diese Anfrage zwischen den Zeilen zu lesen ist. Dass Dubowy dem Ausbau des Krautheimer Busknotenpunkts eindeutig Vorrang gibt und fordert, die einstige Bahntrasse auf diesem Areal zu entwidmen, was wiederum die Jagsttalbahnfreunde in Dörzbach samt ihrer AG entschieden ablehnen, ist hinlänglich bekannt.
Nur Museumsbahn, oder irgendwann doch im Normalverkehr?
Doch wie steht das Landratsamt aktuell zu dem Dauer-Streit und der von Dubowy ins Feld geführten "Initiative" der Landtagsabgeordneten von Grünen und CDU, die Jagsttalbahn nicht nur als Museumsbähnle gen Krautheim und durchs Bahnhofsgelände rollen zu lassen, sondern eines (eher fernen) Tages womöglich doch noch im Normalverkehr? Als das Bemberle am 19. November 2021 auf dem ersten Streckenabschnitt im Museumsbetrieb seine Jungfernfahrt bestritt, lag auch diese Option plötzlich wieder in der Luft. Sind das nur Träume?
Politisch ist die Reaktivierung der Jasgttalbahn als normale Verkehrsachse vom Tisch
Die Reaktivierung der Jagsttalbahn als offizielle Verkehrsverbindung ist längst vom Tisch. Der Hohenlohekreis hatte sie 2018 für eine Potenzialanalyse des Landes angemeldet, doch nur die Kochertalbahn kam zum Zug. Eine kombinierte Machbarkeitsstudie mit der Hohenlohebahn, die elektrifiziert werden soll, wurde in Auftrag gegeben, die Ergebnisse werden im Spätsommer 2022 erwartet. Erster Landesbeamter Gotthard Wirth und Dezernent Patrick Hauser sagten in der Sitzung, es gebe noch keine verbindlichen Aussagen. Sie wüssten davon nur über "Presseartikel und Bürgermeister". Torsten Kunkel, der den Ausschuss für Landrat Neth leitete, meinte, das müsse man "hausintern recherchieren". Mehr war an diesem Nachmittag nicht zu erfahren.
Das ist die offizielle Position des Landratsamts
Also fragte die HZ beim Kreis nach. "Das Land kam zu dem Ergebnis, dass auf der Strecke von einem so geringen Fahrgastpotenzial auszugehen ist, dass keine weitere Untersuchung gefördert werden kann. Deshalb hat das Land entschieden, die Jagsttalbahn nicht weiter zu untersuchen. Das Landratsamt teilt diese Einschätzung ausdrücklich. Die Nutzung als Schienenweg, dies gilt auch für die Nutzung als Stadtbahn, erscheint nicht realistisch", sagt Sprecherin Mathea Weinstock. Die Touristikgemeinschaft Hohenlohe begrüße "die von den Freunden der Jagsttalbahn und der Jagsttalbahn AG angedachten touristischen Nutzungen und sieht in ihnen durchaus eine Bereicherung des touristischen Angebots im Jagsttal".
Keinen weiteren Vorstoß unternommen
Da das Landratsamt "verkehrlich keine Perspektive" sehe und mehrere Versuche, die bestehenden Konflikte zu lösen, gescheitert seien, habe man derzeit keinen weiteren Vorstoß unternommen, "die Situation zu ordnen".
Schwieriger Interessenskonflikt
"Als neueste Entwicklung wurde das Landratsamt durch die Abgeordneten Catherine Kern, Arnulf Freiherr von Eyb und Anton Baron auf die Möglichkeiten einer dauerhaften Freihaltung und mögliche Nutzungsperspektiven für nächste Generationen angesprochen. Hierzu soll es einen engeren Austausch geben", so Weinstock. "Gleichzeitig sieht das Landratsamt allerdings auch das Siedlungsinteresse der Stadt Krautheim. Der Hohenlohekreis hat hier das gleichgerichtete Interesse, den größten Busknotenpunkt im Jagsttal zeitnah zu ertüchtigen." Und so kommt das Landratsamt zu dem Schluss, "dass momentan keine verkehrliche Nutzung erkennbar ist, die touristische Nutzung begrüßt wird und eine wie auch immer geartete Freihaltung für zukünftige Generationen wünschenswert wäre".
Entwidmen oder nicht? Das ist die Gretchenfrage
Entwidmung der Jagsttalbahntrasse, um dem neuen Krautheimer Busbahnhof nicht im Wege zu stehen, oder dauerhafte Beibehaltung der Widmung, um die gesamte Strecke für alle Nutzungsoptionen offen zu halten und damit den Dörzbacher Wünschen Rechnung zu tragen? Das ist die Gretchenfrage in diesem Konflikt. Das Landratsamt weist darauf hin, "dass die Jagsttalbahn schon länger nicht mehr vollständig durchgängig ist". Auch seien Teile der Strecke "durch Bewuchs" verändert, was naturschutzrechtliche Probleme aufwerfe.
Daher sei selbst durch die bestehende Widmung eine "problemlose" Nutzung einer durchgehenden Strecke fraglich. Die Widmung an sich, der Status der Jagsttalbahn AG als "Eisenbahninfrastrukturunternehmen" und schwierige Eigentumsverhältnisse würden "in der Stadt Krautheim Siedlungsentwicklungen erschweren". Grundsätzlich würde das Landratsamt eine durchgängige Freihaltung der einstigen Trasse begrüßen. "Dazu müssten aber diese offenen Punkte geklärt werden."
Landrat Neth bekräftigt im Stimme-Talk die Haltung des Hohenlohekreises
Auch bei der jüngsten Folge des Live-Talks "Ohne Ausrede" mit Stimme-Chefredakteur Uwe Ralf Heer war die Zukunft der Jagsttalbahn ein Thema. Landrat Matthias Neth stellt klar: "Eine verkehrliche Nutzung ist für uns nicht erkennbar, das machen wir mit einem guten Busverkehr. Eine touristische Wirkung kann man betrachten." Die Idee - auch bei den Dörzbacher Jagsttalbahnfreunden - sei ja nicht, "dass wir einen Intercity-Express durchs Jagsttal fahren lassen", sondern - und so habe er auch die Landtagsabgeordneten verstanden: "Wir halten die Strecke mal als solche frei und sehen, was die Generationen nach uns draus machen."
Neth versteht aber auch die Stadt Krautheim und deren "Siedlungsinteresse". Auf der Fläche, durch die besagter Gleisstrang führt, der laut Eisenbahnrecht nach wie vor für eine Bahn-Nutzung gewidmet ist, könne "Gutes entwickelt" werden. Und es sei auch im Interesse des Hohenlohekreises, "dass wir dort einen guten Busumsteigepunkt haben". Schließlich sei dies der größte Bahnhof im Jagsttal. Die Stadt Krautheim will diesen Knotenpunkt und das gesamte Bahnhofsareal erneuern. Landrat Neth weiß, wie schwer die Gemengelage ist: "Das allgemeine Eisenbahngesetz steht halt über allem."