Die Streitparteien beim Thema Jagsttalbahn stecken fest
Die Jagsttalbahn AG ärgert sich über eine kuriose Gerichtsentscheidung und bekundet dennoch Kompromissbereitschaft gegenüber der Stadt Krautheim. Wir haben die Streitpunkte und das rechtliche Dilemma zusammengefasst.

Anfang Januar begründete Bürgermeister Andreas Köhler im HZ-Interview, warum die Stadt Krautheim die Trasse der Jagsttalbahn entwidmen will. Die eigene Entwicklung werde behindert, die geplante Neugestaltung von Busbahnhof und Parkplätzen auf dem Krautheimer Bahnhofsareal sei dadurch in Gefahr. Jetzt meldet sich die Jagsttalbahn AG in dem Streit zu Wort,der seit geraumer Zeit auch an mehreren juristisch-bürokratischen Fronten ausgetragen wird (wir berichteten). Das Eisenbahnrecht ist kompliziert, die Parteien stecken fest in einem Dilemma. Wir geben einen Überblick zum aktuellen Stand.
Besitz der Trasse
"2021 hat uns die Stadt Krautheim auf die Herausgabe des Besitzes der Trasse verklagt", sagt Michael Rothenhöfer, Sprecher des Vorstands der Jagsttalbahn AG. Das Landgericht Heilbronn hat der Stadt im Dezember recht gegeben. Auf den ersten Blick scheint die Sache also klar: Die Stadt, die ohnehin Eigentümerin des Bahngeländes ist, wird auch Besitzerin der Trasse, gewinnt dadurch die Planungshoheit und die AG muss die Gerichtskosten tragen. "Wir sind aber überzeugt, dass wir gar nicht Besitzer der Trasse sind, also können wir den Besitz auch nicht herausgeben", kontert Rothenhöfer. Aus diesem Grund hat die AG die Berufung vor dem Oberlandesgericht beantragt. Denn: Mit dem 1. Januar 2021 sei die Betriebserlaubnis für die Gemarkung Krautheim erloschen. Das bedeutet: Die Jagsttalbahn AG war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) in Krautheim. Und laut Rothenhöfer habe man als EIU einen Rechtsanspruch auf den Betrieb der Strecke. Der Grundstückseigentümer, in diesem Fall die Stadt Krautheim, müsse dem EIU Pacht oder Kauf anbieten. Mit der Gemeinde Dörzbach, wo die Jagsttalbahn AG bereits ihre Betriebsgenehmigung erneuern konnte, habe man einen solchen Pachtvertrag geschlossen. Weil man derzeit aber nicht über eine Betriebsgenehmigung auf Gemarkung Krautheim verfüge, sei man weder in Besitz der Trasse, noch könne man diesen einfordern.
Entwidmung
Was hat das Ganze mit der Entwidmung zu tun? Wäre die Trasse noch in Besitz der AG, müsste eine Entwidmung auch über die AG erfolgen. Sind Eigentum und Besitz der Trasse aber in städtischer Hand, kann Krautheim die Entwidmung rechtlich vorantreiben. Zuständig ist hier das Regierungspräsidium Stuttgart. Warum die Stadt dies nicht mit Erlöschen der Betriebserlaubnis am 1. Januar 2021 getan hat und stattdessen diese "widersprüchliche Klage" angestrebt hat, verstehen die Verantwortlichen der AG nicht. Vor allem ärgern sie sich über die "unnötigen Anwaltskosten".
Betriebsgenehmigung
Gleichzeitig läuft derzeit beim Verkehrsministerium des Landes der Antrag der Jagsttalbahn AG, wieder Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) auf Gemarkung Krautheim zu werden. Dafür muss sie nachweisen, dass sie einen Betrieb und Unterhalt der Strecke - auch finanziell - leisten kann. Anteilseigner der AG waren bislang zu 50 Prozent die Gemeinde Dörzbach und zu 50 Prozent der Verein Jagsttalbahnfreunde. "Jetzt haben wir eine Aktie an die Gemeinde Dörzbach verkauft", sagt Frieder Strohm, Vorsitzender der Jagsttalbahnfreunde. Dadurch ist die AG mehrheitlich in kommunaler Hand und gilt als finanziell leistungsfähiger. Eine Entscheidung des Ministeriums steht noch aus. "Aber man hat auf jeden Fall eine bessere Verhandlungsbasis", sagt Dörzbachs Bürgermeister Andy Kümmerle, Aufsichtsratsmitglied in der AG.
Ausblick
Was also, wenn die AG den Status EIU erhält? "Man müsste sich mit der Stadt Krautheim auf Pacht oder Kauf der Trasse einigen", so Rothenhöfer. Das birgt weiteres Konfliktpotenzial. "Wir hatten zu keinem Zeitpunkt das Interesse, die positive Entwicklung der Stadt Krautheim zu behindern", betont Aufsichtsratsvorsitzender Arnulf von Eyb. Ähnlich sieht das auch Andy Kümmerle: "Man wirft uns aggressives Verhalten vor, dabei kamen sämtliche rechtlichen Schritte von Krautheim." Mehrfach habe man in Gesprächen und Vor-Ort-Terminen den Eindruck vermittelt bekommen, dass ein Kompromiss - etwa eine Verlegung des Gleises weiter an den Rand - greifbar wäre, dass Konsens herrsche. E-Mail-Verkehr und Anwaltsschreiben hätten aber eine andere Sprache gesprochen. Derweil signalisiert die AG auch weiterhin Kompromissbereitschaft: "Wir wollen mindestens bis Klepsau kommen", sagt Michael Rothenhöfer. Dafür würde man eine Reduzierung der Betriebsgenehmigung erwägen und die Berufung zurückziehen. Doch die Widmung wolle man - selbst wenn man dann nicht bis zum Krautheimer Bahnhof fahre - nicht aufgeben. "Das könnte eine künftige Entwicklung im Jagsttal gefährden, von der wir heute noch gar nichts wissen", sagt Arnulf von Eyb. Meinung: "Viele Fragen"
Info
Die Jagsttalbahn AG strebt einen Museumsbahnbetrieb der Bahn bis Krautheim an. Auf den ersten Metern vom Dörzbacher Bahnhof aus gab es am 19. November 2021 die Eröffnungsfahrt. Darüber hinaus gibt es mit Blick auf eine klimafreundliche Verkehrswende immer wieder Träume von einer Nutzung der Bahntrasse als Strecke etwa für elektrifizierten Gondelverkehr im ÖPNV. Die Erfolgsaussichten in diesem Bereich gelten derzeit als gering.
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