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Warum der Konflikt um die Jagsttalbahn so schwer zu lösen ist

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Die Jagsttalbahnfreunde wollen eine Wiederbelebung der Bahn, die Stadt Krautheim will das Bahnhofsareal neu gestalten: Im Interview spricht Bürgermeister Andreas Köhler über den jahrelangen Konflikt und warum er so schwer zu lösen ist.

Die Eröffnungsfahrt der Jagsttalbahn in Dörzbach hat für überregionale Aufmerksamkeit gesorgt. Doch Jagst abwärts bleiben die Probleme: Die Fronten zwischen Jagsttalbahnfreunden und der Stadt Krautheim sind verhärtet.

Hier wollen die Jagsttalbahnfreunde gerne wieder hinfahren, auf das Bahnhofsareal in Krautheim. Doch für die Stadt Krautheim bedeutet das, eine zentrale Fläche brachliegen zu lassen.
Foto: Archiv/Eisenmenger
Hier wollen die Jagsttalbahnfreunde gerne wieder hinfahren, auf das Bahnhofsareal in Krautheim. Doch für die Stadt Krautheim bedeutet das, eine zentrale Fläche brachliegen zu lassen. Foto: Archiv/Eisenmenger  Foto: Eisenmenger

Für die Jagsttalbahnfreunde war die Eröffnungsfahrt auf dem ersten Streckenabschnitt im November ein emotional bedeutsames Erlebnis. Wie war das für Sie?

Andreas Köhler: Man muss das Engagement der Ehrenamtlichen anerkennen, die leisten tolle Arbeit. Auf Dörzbacher Gemarkung macht das für mich auch Sinn, dort ist der Endbahnhof, der Lokschuppen, und so weiter. Das ist eine gute Sache und passt dorthin. Die Probleme fangen auf unserer Gemarkung an.

Wo genau?

Köhler: Wir müssen unseren zentralen Bereich in Krautheim Tal entwickeln. Der ganze Bahnhofsplatz muss neu gestaltet werden. Eine durchgängige Jagsttalbahntrasse ist dadurch nicht mehr möglich. Wir haben den drittgrößten Busknotenpunkt im Kreis mit sechs Linien. Den müssen wir barrierefrei umbauen, das ist vorgeschrieben. Gerade das ist in Krautheim ein Muss, wo durch die großen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen viele Rollstuhlfahrer leben und arbeiten. Der Busbahnhof soll in Abstimmung mit dem NVH Hohenlohekreis an die Götzstraße verlegt werden, in unmittelbare Nähe zum Schulzentrum, um insbesondere den Schulweg sicherer zu machen.


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Die Strecke ist freigegeben (von links): Michael Rothenhöfer (Jagsttalbahn AG), Landtagsabgeordnete Catherine Kern (Grüne), Bürgermeister Andy Kümmerle mit Sohn Emil und Frieder Strohm, Vorsitzender Jagsttalbahnfreunde.
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Die Jagsttalbahn rollt wieder


 

Und die Trasse?

Köhler: Weder Stadt noch Gemeinderat können sich vorstellen, einen vier Meter bis acht Meter breiten Korridor geschottert zu lassen, um die Trasse und ein benötigtes Umsetzgleis freizuhalten. Schließlich nimmt man für die Gestaltung des Bahnhofareales weit über zwei Millionen Euro in die Hand. Unser Anspruch ist aber, dort eine neue Stadtmitte zu entwickeln. Deshalb haben wir auch das angrenzende ZG-Areal gekauft, wo Wohnraum und Geschäfte entstehen sollen.

Die Gleise sind unter Erde und Schotter zu erkennen. Die Stadt möchte die Trasse gerne überbauen. Foto: Ludwig  Foto: Ludwig, Tamara


Gäbe es eine andere Stelle, um das Umsetzgleis zu ermöglichen?

Köhler: Ein Gutachten von 2017 ergab, dass östlich von Krautheim an der Reitanlage ein solches Umsetzgleis möglich wäre. Das wurde aber von den Jagsttalbahnfreunden abgelehnt, denn deren Vereins-Ziel ist ja, die Durchgängigkeit der Trasse von Dörzbach bis Widdern zu erhalten.

Ursprünglich hat Krautheim die Jagsttalbahn AG mitgegründet. Warum ist man 2006 ausgestiegen?

Köhler: Die bewilligten Fördergelder waren viel zu niedrig und Krautheim hätte sich weder den Betrieb noch einen Weiterbau der Trasse leisten können. Der Gemeinderat hat mit dem Ausstieg zeitgleich den Erhalt der Trasse beschlossen. Diese soll für die Zukunft erhalten werden. Die Neugestaltung des Bahnhofareales würde das gewährleisten, denn ein Rückbau wäre in späteren Jahren problemlos machbar.

Wo ist dann der Haken?

Köhler: Dass das mit dem Eisenbahnrecht nicht vereinbar ist. Denn solange eine Widmung der Trasse besteht, darf darauf nicht gebaut werden.

Andreas Köhler Foto: Archiv/Mugler  Foto: Mugler

Im Grunde ist der Konflikt also ein eisenbahnrechtlicher?

Köhler: So ist es, wir brauchen die Entwidmung, sonst ist keine Platzgestaltung möglich. Im September haben wir diese deshalb beim Regierungspräsidium beantragt.

Die Jagsttalbahnfreunde fürchten, dass eine spätere, erneute Widmung der Trasse kaum zu erreichen ist ...

Köhler: Es wäre schwierig, aber machbar. Es bräuchte ein Planfeststellungsverfahren mit Artenschutz-, Naturschutz-, Lärmgutachten und so weiter. Solange die Widmung da ist, besteht Bestandsschutz. Wird sie neu beantragt, müssen die heutigen, strengeren Richtlinien eingehalten werden.

Das klingt auch nach Kosten ...

Köhler: Genau, das würde zu den eigentlichen Baukosten hinzukommen. Allein für den laufenden Kilometer Bahntrasse fallen mindestens 600 000 Euro an, dann weitere 500 000 Euro pro Bahnübergang.

Darum geht es aktuell auch beim Verkehrsministerium, oder?

Köhler: Ja, die Jagsttalbahn AG ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen für den Bereich Dörzbach. Das möchte sie auch Krautheim wieder werden. In diesem Zusammenhang muss die AG darlegen, dass sie eine Inbetriebnahme und den Unterhalt der Strecke finanzieren kann. Das kann sie aber eigentlich nicht.

Eigentlich?

Köhler: Das Verkehrsministerium hat hier auf eine rechtliche Sonderregelung hingewiesen. Wenn mehr als 50 Prozent der AG in kommunaler Hand sind, wäre die Leistungsfähigkeit gegeben. Derzeit halten die Gemeinde Dörzbach und die Jagsttalbahnfreunde jeweils 50 Prozent.

Also hat Dörzbach das genau genommen in der Hand, indem die Kommune eine weitere Aktie kauft.

Köhler: Ja, das darf aus unserer Sicht nicht sein. Wir wehren uns dagegen, dass die Jagsttalbahn AG die Genehmigung als Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf unserer Gemarkung bekommt.

Sie wehren sich auch vor dem Landgericht, worum geht es da?

Köhler: Um die Herausgabe des Besitzes der Trasse. Eigentümer der Bahngrundstücke ist die Stadt, aber die Jagsttalbahn AG ist Besitzer. Als solcher hätte sie die Strecke betreiben und unterhalten müssen; genau das ist ja nicht passiert. Das Urteil des Landgerichts vom 12. Dezember hat uns Recht gegeben. Das Verwaltungsrechtsverfahren beim Verkehrsministerium ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Bis 31. Januar hat die AG hier Zeit, Ausbauplan und Finanzierung nachzuweisen.

Letztlich hängt das zusammen ...

Köhler: Ja, denn ohne Besitz könnte die AG den Ausbau und Betrieb nicht mehr ausführen, weil sie auf städtischem Eigentum agiert.

In einer Welt, in der Widmung und Parkplatzgestaltung sich nicht ausschließen, würden Sie den Nutzen einer touristischen Bahn sehen?

Köhler: Ich sehe für eine touristische Bahn betriebswirtschaftlich keine Chance: Die Zahl der Nutzer wäre zu gering und es fehlt auch an Infrastruktur für Touristen - Gaststätten, Cafés, Übernachtungsmöglichkeiten und so weiter. Und eins darf man nicht vergessen, so ein Projekt verschluckt - auf dem Abschnitt bis Krautheim und darüber hinaus - viele Millionen Euro. Weder das Land noch die Anrainerkommunen noch die Jagsttalbahn AG können das leisten.


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Was ohne Freunde der Jagsttalbahn passiert wäre


Rückblick

Der Betrieb der Jagsttalbahn, die einst zwischen Möckmühl und Dörzbach fuhr, wurde am 23. Dezember 1988 nach 87 Jahren eingestellt. Die Jagsttalbahnfreunde sind ein 1984 gegründeter Museumsbahnverein mit über 300 Mitgliedern. Ziel des Vereins ist es die Jagsttalbahn zu erhalten und als Museumsbahn zu betreiben.

Die Jagsttalbahn AG wiederum wurde im Jahr 2000 von den Nachbarkommunen Dörzbach und Krautheim gegründet, um die Anlagen zu erhalten und letztlich eine Wiederinbetriebnahme zu erreichen. 2004 erhielt die Gesellschaft die Zulassung als Eisenbahninfrastrukturunternehmen.

Am 2. Februar 2006 beschloss der Krautheimer Gemeinderat jedoch, aus finanziellen Gründen aus der AG auszusteigen. Auch Bemühungen einer Wiederinbetriebnahme zwischen Jagsthausen und Widdern scheiterten 2011 an einem Bürgerentscheid in Widdern.

Aktuell halten Jagsttalbahnfreunde und Gemeinde Dörzbach jeweils 50 Prozent der AG. Am 31. Dezember 2020 ist die Zulassung der AG als Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf Gemarkung Krautheim ausgelaufen. Um diese bemüht man sich aktuell, muss aber konkrete Ausbaupläne vorlegen, um diese zu bekommen.

 
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