Ohne ihn bliebe es zappenduster: Besuch im zweithöchsten SWR-Fernsehturm des Landes
Die Sendeanlage auf dem Waldenburger Friedrichsberg versorgt rund ein Sechstel des Landes mit Fernsehen und Radio. Wir waren beim großen Inspektions-Tag dabei und haben die Herren des Turms getroffen.
Schon der Weg zu ihm ist ein kleines Abenteuer: Knarzend rumpelt sich das Auto über fast knietiefe Schlaglöcher den steinigen Waldweg hinauf. Oben auf dem Friedrichsberg wartet schon der Herr des Turms: "Einen Moment", sagt Matthias Gallas. "Wir müssen erst noch ein paar Sendeanlagen umschalten."
Dies indes tut er nicht für den Besuch von der Zeitung - sondern zum Schutz der Männer, die mit schwerer Kletterausrüstung den 150-Meter-Sendeturm des Südwestrundfunks (SWR) bestiegen haben. Denn heute ist große Inspektion. Ein Ereignis, das es nur alle drei Jahre gibt. "Die Antenne ist wie eine Glühbirne", erklärt der 60-jährige Elektro-Ingenieur: Sie muss etwas gedimmt werden, damit die Arbeiter in der Höhe nicht zu viel elektromagnetische Strahlung abkriegen.
Es kommt nicht auf die Länge an
Gallas weiß ganz genau, wovon er redet. Sein halbes Leben lang kümmert er sich schon um den Fernsehturm, hat auch noch die Zeiten vor dessen Bau 2007 erlebt, als die Sendetechnik noch auf dem städtischen Wasserturm thronte. Wenn es ihn und seine Kollegen nicht gäbe, blieben Bildschirme dunkel und Lautsprecher stumm: von Bad Mergentheim bis Backnang und Ludwigsburg, von Crailsheim bis Mosbach und Heilbronn. So groß ist der Einzugsbereich, den der Sender mit Fernsehen, Radio und teils auch Mobilfunk versorgt.
Der Waldenburger Mast ist einer der größten SWR-Sendeanlagen im Land: Höher als er ist nur der Stuttgarter Fernsehturm - der Bad Mergentheimer Sender indes kommt mit Antenne ebenfalls auf 150 Meter. Aber - man hat es bereits in anderen Lebensbereichen vernommen - es kommt nicht auf die Länge an: "Es geht primär um die Topographie", erklärt Gallas: "An der Nordsee brauchen sie keine hohen Türme."
Der Elektro-Profi führt durch sein Refugium, erklärt im großen Schaltanlagen-Raum, wie etwa ein Radio-Beitrag vom Studio in Heilbronn nach Baden-Baden übersendet wird und das Signal dann per sogenanntem Richtfunk nach Waldenburg gelangt - um von dort aus dann bearbeitet und in alle Himmelsrichtungen ausgestrahlt zu werden.
Meist läuft alles glatt. Zumindest nach außen: Die Zuschauer und Hörer müssen nur selten längere Programm-Ausfälle hinnehmen. Aber manchmal passiert es dann doch: Im vergangenen Jahr gab es wegen des Kollapses der Lüftungsanlage, welche die millionenschwere Sendertechnik kühlt, an einem Tag einmal anderthalb Stunden lang kein Radio für die Menschen zu hören.
Doch es gibt stets Probleme zu lösen - bei Weitem nicht nur, wenn bei jedem größeren Gewitter der Blitz einschlägt. Und genau das mache den Reiz des Jobs aus, sagt der Routinier: "Es gibt jeden Tag neue Herausforderungen." Die Faszination zieht sich über die Generation: Sein junger Kollege Simon Wolfangel pflichtet postwendend bei.
Die Kletterer kümmern sich
Nach einer kurzen Station im ebenfalls mit Kabeln und Technik durchzogenen Untergeschoss des sich anschmiegenden Nebengebäudes geht es dann ins Herzstück der Anlage: 55 Zentimeter messen die Mauern aus Stahlbeton, zwölf Meter der Durchmesser auf Bodenniveau. Nach oben hin wird es schmaler: Auf 35 Metern Höhe gibt es die erste Plattform, bei rund 100 weitere - dann folgt die Riesen-Antenne.
Die Dimensionen im Inneren sind auch von unten beeindruckend: Die Worte hallen wider wie in einem Kraftwerks-Kühlturm, der Blick hinauf ins sich immer schmäler zuschraubende Runde sorgt rasch für Genickschmerzen. Hoch dürfen - trotz dessen, dass es auch einen kleinen Aufzug an der Wand gibt - nur Experten mit Sicherheitsausrüstung, Schulung und Notfalltraining.
Einer davon ist jener Mann, der im Klettergurt gerade von seinem Einsatz die hunderten Stufen - Gallas: "Da merken Sie das Essen vom Vortag" - hinabsteigt: Drei Stunden war Inspekteur Siggi Simbeck oben, hat die Leitern überprüft, Schrauben, Kabel und Technik gecheckt. Ob er noch Muskelkater hat am Abend? Nein, lacht Simbeck. Er mache das schließlich schon 20 Jahre.
Und oftmals wird der Techniker, wenn er dann die luftigen Höhen erklommen hat, von ganz exquisiten Turm-Bewohnern begrüßt: Denn seit Jahren schon brütet ein Wanderfalken-Pärchen regelmäßig dort oben. Auf der 35-Meter-Plattform haben die Turm-Herren den streng geschützten Greifvögeln einen Kasten hierfür gebaut. Ob vielleicht irgendwann auch ein paar Turmfalken einziehen werden? Wer weiß - semantisch passend wäre das doch jedenfalls durchaus.
Geschichte mit Widerständen
2005 wurden die Pläne, den bis dato auf dem städtischen Wasserturm existenten Sender durch einen 150-Meter-Neubau zu ersetzen, erstmals bekannt. Der Baubeginn verzögerte sich danach durch Einsprüche von Einwohnern und vonseiten der Nachbargemeinde Kupferzell. Die Kritiker fürchteten eine erhöhte Strahlenbelastung; SWR und Behörden betonten, alle Grenzwerte streng einzuhalten.
Heute ist der Waldenburger Turm aus dem Landschaftsbild der Hohenloher Ebene nicht mehr wegzudenken. 2018 wurde das Fernsehen von DVB-T auf DVB-T2 (HD-Empfang) umgestellt, was umfangreiche Umbauarbeiten mit sich brachte. Der Mast wird lediglich ein- bis dreimal jährlich bestiegen. Die große Inspektion, bei der wir zu Gast waren, findet noch seltener statt.




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