Photovoltaik statt Weinreben in Württemberger Steillagen
Der Weinbauverband Württemberg prüft, ob auf Brachflächen in Steillagen Photovoltaikanlagen möglich sind. Flächen, die dafür in Frage kommen, hat der Verband bereits im Blick - zum Beispiel am Erlenbacher Kayberg oder in Brackenheim.

Über Jahrzehnte hinweg lag die Gesamtrebfläche in Württemberg relativ konstant bei 11.300 Hektar. Nun ist sie innerhalb von sieben Jahren auf genau 11.111 Hektar geschrumpft. Weinbaupräsident Hermann Hohl geht davon aus, dass in den nächsten 20 Jahren weitere 2000 Hektar verloren gehen. Und zwar vor allem in Steillagen und Terrassenweinbergen, weil sich dort der Weinbau nicht mehr rentiert.
Pilotprojekte in Erlenbach und Haberschlacht?
Wie Hohl und sein Geschäftsführer Hermann Morast am Mittwoch bei der Jahrespressekonferenz ihres Verbandes in Weinsberg durchblicken ließen, prüfe man derzeit, inwieweit solche Freiflächen für Photovoltaikanlagen genutzt werden können. Konkrete Pilotprojekte habe man auf Brachen am Erlenbacher Kayberg oder etwa in einem Flurbereinigungsgebiet in Brackenheim-Haberschlacht ins Auge gefasst.
"Für Außenstehende mag das vielleicht utopisch klingen", räumte Hohl ein. "Aber es gibt inzwischen Module, die fürs Landschaftsbild verträglich und von weitem kaum erkennbar sind." Man sei bereits mit Verbänden und Behörden im Austausch. Würden solche Anlagen genehmigt, wären es die ersten in einem deutschen Anbaugebiet.
Entwarnung beim drohenden Spritzverbot
Gleichzeitig konnten Hohl und Morast Entwarnung in Sachen einer Pflanzenschutzreform der EU geben. Das Totalverbot für sensible Gebiete sei vom Tisch. Es hätte den Anbau von Weinreben auf 30 Prozent der Württemberger Rebfläche unmöglich gemacht, auch für Öko-Winzer, weil dann sogar natürliche Spritzmittel verboten worden wären. Nun plädiert Hohl dafür, dass sich die EU das zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Politik im Nachhall der Pro-Biene-Initiative ausgehandelte Biodiversitätsstärkungsgesetz des Landes Baden-Württemberg "zum Vorbild nimmt".
Robuste Sorten im Kommen
Dass der Traubenanbau in Württemberg heute nach "höchsten Qualitäts- und Umweltstandards" erfolge und die Wengerter weiter an einer Optimierung arbeiten, zeige aktuelle etwa der gestiegener Anteil von robusten, pilzwiderstandsfähigen Sorten, die in sieben Jahren um 90 Prozent auf 204,29 Hektar zulegten, wie Magdalena Dreisiebner von der Weinbauschule Weinsberg ausführte. "Piwis werden weiter Boden gut machen, wobei hier noch viel Luft nach oben ist."

Landesagrarminister Peter Hauk hat für die umweltschonenden Piwis jüngst bei der 60. Württemberger Weinbautagung ein neues Förderprogramm angekündigt. Darüber hinaus wünschen sich die Wengerter vor dem Hintergrund zunehmender Wetterextreme ein Förderprogramm für eine Mehrgefahrenversicherung, die auch die Folgen von Hagel und Trockenheit abdeckt.
Verband fordert höherer Weinpreise
"Luft nach oben" gebe es auch beim Weinpreis. Zwar sei er zuletzt im Schnitt um zehn Prozent gestiegen, doch hätten damit die teils "explodierenden" Betriebs- und Materialkosten sowie die Inflation nicht aufgefangen werden können. Deshalb seinen mindestens weitere fünf Prozent notwendig. "Doch das lässt sich derzeit am Markt nicht durchsetzen", erklärte Hohl mit Blick auf Billigimporte, auf die die Verbraucher in der aktuellen Krise verstärkt zurückgriffen.
60 Prozent der in Deutschland getrunkenen Tropfen stammten inzwischen aus dem Ausland. Einmal mehr wünschte sich Hohl hier von Verbrauchern "mehr Wertschätzung" für die in den letzten Jahren stark gestiegene Weinqualität und -Vielfalt, aber auch für die Leistungen der Winzer, die viel zur Attraktivität und Lebensqualität in der Region beitrügen, aber auch zur Landschaftspflege und letztlich zum Tourismus.
Ätzende Kritik am Handel
Gleichzeitig nahm Präsident Hohl den Lebensmittelhandel in die Pflicht. Er "stranguliert den Württemberger Weinbau durch die Listung von Billigweinen" aus anderen Ländern und forciere damit die Aufgabe vieler Weinbaubetriebe. Deren Zahl ist seit 1995 von über 18.000 um 61 Prozent auf 7146 gesunken.
Jungwinzerpreis
Der vom Weinbauverband Württemberg mit dem Fachblatt Rebe und Wein ausgelobte Jungwinzerpreis geht in diesem Jahr an Michael Kinzinger aus Vaihingen/Enz, der vor genau zehn Jahren ein eigenes Weingut gegründet hat. Seine Weinlinien seien "klar strukturiert und stehen nicht nur für höchste Qualitätsansprüche, sondern auch für Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit", heißt es in der Laudatio. Bewerber aus der Region Heilbronn gab es diesmal keine.