Scholz stellt Vertrauensfrage: Was jetzt im Bundestag passiert
Am Montag sollen die Abgeordneten im Bundestag über die Vertrauensfrage von Olaf Scholz entscheiden. Alle wichtigen Fragen und Antworten zum Ablauf.
Das Datum steht schon lange fest, trotzdem braucht es noch den formalen Akt: An diesem Mittwoch, 11. Dezember, beantragte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) schriftlich, die Vertrauensfrage im Parlament stellen zu dürfen.
Am Montag, 16. Dezember, sollen die Abgeordneten dann abstimmen. Es ist davon auszugehen, dass sie Scholz das Vertrauen entziehen, denn seit dem Aus der Ampel haben die verbliebenen Abgeordneten von SPD und Grünen keine Mehrheit mehr im Parlament. Mit diesem Schritt will Olaf Scholz eine Neuwahl des Bundestags am 23. Februar herbeiführen.
Wie oft gab es schon Vertrauensfragen in der Geschichte der Bundesrepublik?
Fünf Mal wurde in der Geschichte der Bundesrepublik die Vertrauensfrage bislang gestellt, von Willy Brandt (SPD, 1972), Helmut Schmidt (SPD, 1982), Helmut Kohl (CDU, 1982) sowie Gerhard Schröder (SPD, 2001 und 2005). Dreimal führte das zur Auflösung des Bundestags und anschließenden Neuwahlen: 1972 bei Brandt, 1982 bei Kohl und 2005 bei Schröder.
Vertrauensfragen im Bundestag: Welche Besonderheiten gab es dabei?
Die Vertrauensfragen von Helmut Kohl 1982 und Gerhard Schröder 2005 waren sogenannte "unechte Vertrauensfragen", da sie mit der Absicht gestellt wurden, Neuwahlen herbeizuführen, obwohl die Kanzler noch über eine Mehrheit im Bundestag verfügten. Kohl hatte zuvor, am 1. Oktober 1982, mit dem von ihm gestellten konstruktiven Misstrauensvotum den amtierenden Bundeskanzler Schmidt zu Fall gebracht und war zugleich selbst von der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zum neuen Regierungschef gewählt worden. Ziel der Vertrauensfrage Kohls war es, Neuwahlen herbeizuführen und seine Regierung direkt vom Volk legitimieren zu lassen.
Die Vertrauensfrage von Schröder 2005 war eine Folge der Krise, die durch die Hartz-IV-Reformen entstanden ist. Der Bundeskanzler konnte sich der Unterstützung seiner eigenen Fraktion, insbesondere der Parteilinken, nicht mehr sicher sein. Deshalb kündigte er am Abend der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, am 22. Mai 2005, an, dass er die Vertrauensfrage stellen werde. Bei den vorgezogenen Neuwahlen am 18. September 2005 unterlag er Angela Merkel, die CDU-Politikerin wurde Kanzlerin.

Welche Parallelen gibt es 2024 zu früheren Vertrauensfragen?
Die Vertrauensfrage von Scholz ist eng mit der wirtschaftspolitischen Krise verknüpft, in der sich die Bundesrepublik befindet - und damit verbundenen sozialen Fragen. Durch Neuwahlen soll eine neue, handlungsfähige Regierung gebildet werden. Scholz steht damit vor einer ähnlichen Bewährungsprobe wie die SPD-Kanzler Schröder und Schmidt. Bei Schmidt war die Debatte um den Nato-Doppelbeschluss für die damaligen Koalitionspartner SPD und FDP die große Belastungsprobe.
Vertrauensfragen im Bundestag: Wie sieht der Ablauf am Montag, 16. Dezember, aus?
Scholz wird den Abgeordneten seine Gründe für die Vertrauensfrage in einer Rede erläutern. Anschließend wird es eine etwa 90-minütige Aussprache geben. Danach entscheidet der Bundestag voraussichtlich in namentlicher Abstimmung. Dem Bundestag gehören 733 Abgeordnete an. Um das Vertrauen des Parlaments zu bekommen, müsste Scholz 367 Stimmen erhalten - die absolute Mehrheit aller Parlamentarier, sie wird auch „Kanzlermehrheit“ genannt. Die SPD-Fraktion mit ihren 207 Abgeordneten will dem Kanzler das Vertrauen aussprechen. Die Grünen, der noch in der Regierung verbliebene Juniorpartner der SPD, haben sich noch nicht entschieden.
Welche Unsicherheitsfaktoren gibt es bei der Vertrauensfrage?
Es ist unklar, wie sich die AfD verhalten wird. Sollten SPD und Grüne geschlossen für Scholz stimmen, wären das zusammen 324 Stimmen, also nur 43 weniger als die Kanzlermehrheit. Die AfD hat 76 Abgeordnete und könnte theoretisch Scholz zu einer Mehrheit verhelfen. Das wäre zwar irrational, aber nicht das erste Mal, dass die AfD mit taktischen Manövern versucht, die Parlamentsarbeit zu behindern - siehe Thüringen. Deshalb könnte es sein, dass die Grünen auf Nummer sicher gehen und mit der SPD vereinbaren, dass sie sich enthalten werden.

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