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Europawahl 2024: Warum so viele junge Menschen die AfD gewählt haben

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Viele junge Menschen haben bei der Europawahl die AfD gewählt. Das ist kein Zufall, erklärt ein Politologe. Denn die Partei setzt im Wahlkampf dort an, wo die Zielgruppe sich aufhält.

Social Media könnte ein Grund sein, warum junge Leute die AfD wählen.
Social Media könnte ein Grund sein, warum junge Leute die AfD wählen.  Foto: dpa, Montage: HSt

Es sind Zahlen, die überraschen. 16 Prozent der 16 bis 24 Jahre alten Deutschen hat bei der Europawahl 2024 die AfD gewählt. Im Vergleich zu den letzten Wahlen vor fünf Jahren ist das ein Plus von elf Prozentpunkten, nur noch übertroffen von der CDU, die 17 Prozent der Stimmen in dieser Altersgruppe erhielt. Deutlich an Stimmen verloren haben hingegen die Grünen, die auf elf Prozent abgesackt sind.

Die Zahlen der Europawahl decken sich mit den Endergebnissen auf Landes- und Bundesebene, wo die AfD starke Zugewinne verzeichnen konnte. In einer Generation, die für Klima-Proteste auf die Straße geht, erhält eine Partei viel Zuspruch, die den menschengemachten Klimawandel leugnet und EU-kritisch eingestellt ist. Warum ist das so?

AfD wählen bei der Europawahl 2024: Daran könnte es liegen

Die Antwort hat viel mit Angst und Verunsicherung zu tun. Die junge Generation ist angesichts der globalen Lage mit Krieg und Inflation demoralisiert, lautet die Einschätzung von Rolf Frankenberger. "Die Mehrheit glaubt nicht, dass es ihnen besser gehen wird als ihren Eltern", sagt der Politologe vom Institut für Rechtsextremismusforschung an der Uni Tübingen. 


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ARCHIV - 16.03.2024, Brandenburg, Jüterbog: René Springer, der Landesvorsitzende der AfD Brandenburg, steht auf dem Landesparteitag der AfD Brandenburg in der Wiesenhalle. (zu dpa: «AfD-Landeschef sieht Rückenwind für Landtagswahl») Foto: Monika Skolimowska/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Hohes AfD-Ergebnis bei Europawahl: Ein Schock mit Ansage


AfD-Wahlerfolg bei der Europawahl bei jungen Menschen: Social Media als Informationsquelle

In dieser Verunsicherung hat die AfD die jungen Menschen vor der Europawahl genau dort gefunden, wo sie einen Großteil ihrer Zeit verbringen – in den Sozialen Netzwerken. Auf der Videoplattform Tiktok habe die Partei eine Monopolstellung, sagt Frankenberger. Dem Account der Bundestagsfraktion folgen fast 440.000 Menschen. Zum Vergleich: Den Grünen folgen nur knapp 6500 Menschen, der CDU 23.300 und der SPD immerhin 130.000. 

Die Reichweite macht sich bemerkbar. Umfragen in Schulen hätten ergeben, dass die Acht- und Neuntklässler von den deutschen Parteien vor allem die AfD kennen, erklärt Frankenberger. In ihren Beiträgen verbreite die AfD greifbare Botschaften und polarisiere. Zudem vermarkte sie sich als einzige Partei, die Lösungen vertritt.

Es gibt zwar Stars und Social-Media-Influencer, die sich immer wieder kritisch gegenüber der AfD äußern. Das könne aber das Bild vermitteln, die AfD werde "mundtot" gemacht, schätzt Rolf Frankenberger. "Das weckt das Rebellische in den jungen Menschen." Aber der Politikwissenschaftler weist auch darauf hin, dass ohne diese öffentlichen kritischen Stimmen vielleicht noch mehr Menschen die AfD bei der Europawahl gewählt hätten. 

Europawahl 2024: So werden junge Menschen politisch beeinflusst

Studien haben laut Frankenberger herausgefunden, dass es bei der politischen Sozialisierung zwei Wege gibt, die junge Menschen einschlagen: Sie folgen dem Beispiel ihrer Eltern, oder sie nabeln sich davon ab und holen sich ihre Informationen woanders. "Ich würde den Einfluss von Social Media nicht unterschätzen", betont Frankenberger. Für viele Jugendliche ist es die einzige Informationsquelle, die sie nutzen.

Und wie medienwissenschaftliche Forschungen seit längerem belegen, ist der Algorithmus voreingenommen. Er zeigt dem Nutzer die Videos an, die ihm gefallen. Dadurch bewegt er sich in einer Blase, in der die ausgewogene Berichterstattung herkömmlicher Medien fehlt. Das Bild der Politik in Deutschland wird somit verzerrt.


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Europawahlen 2024: Der Trend geht zu den konservativen Parteien

Die Ergebnisse der Europawahlen zeigen den Trend hin zu den konservativen Parteien. Die Grünen, die die Jahre zuvor immer sehr populär bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen waren, können zu diesen nicht mehr so gut durchdringen. Die Klimakrise werde von Kriegen und der Inflation überlagert. "Viele junge Menschen fühlen sich von den alten Parteien nicht mehr repräsentiert", ergänzt Frankenberger. Die aktuelle Regierung habe sich zudem nicht gut verkauft. Bei den Jungen herrsche der Glaube, dass die Politiker viel reden, aber nicht handeln. "Ich habe den Eindruck, es herrscht eine Utopie-Müdigkeit."

Die AfD und die Union hätten zudem große "Medienkampagnen gegen die Ampel" im Wahlkampf gefahren. "Man hat massiv Stimmung gemacht", sagt Frankenberger. Die Grünen seien zum Hauptfeind stilisiert worden. 

CDU, Volt, AfD: Die klaren Botschaften gewinnen im Wahlkampf

Klare, polarisierende Botschaften haben im Wahlkampf vor der Europawahl nicht nur bei der AfD, sondern auch bei der CDU und bei der Europapartei Volt funktioniert. Die relativ neue und junge Partei hat in der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen neun Prozent der Stimmen erhalten. Politologe Frankenberger erklärt, wieso: "Die sind überraschend anders." Wahlwerbung mit Sprüchen wie "Mehr Eis" oder "Sei kein Arschloch" irritiere zunächst und lade dazu ein, sich gedanklich mit der Partei zu befassen. So rücke sie ins Bewusstsein. 

Auch die Inhalte seien für junge Menschen überzeugend. "Die haben eine andere Dynamik und Vision von Europa", meint Frankenberger. Und das brauche das Land nun auch von den anderen Parteien – die Botschaft zu verbreiten, dass europäische Integration einen Wohlstandsgewinn bedeutet und keinen Wohlstandsverlust.

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