Verbrenner-Aus auf der Kippe: EU-Vorschläge sorgen für Lob und Kritik
Die neuen CO2-Regeln würden vor allem Dienstwagenflotten betreffen. Wirtschaftsvertreter begrüßen die grundsätzliche Richtung, kritisieren aber, dass die EU-Kommission nicht weit genug gehe.
Die Entscheidung hatte sich abgezeichnet, am Dienstag war es soweit: Die EU-Kommission will das Verbrenner-Aus ab 2035 kippen. Bisher ist das allerdings nur ein Vorschlag, noch kein geltendes Recht.Dafür sollen die Emissionsziele für große gewerbliche Flotten verschärft werden, es trifft also die Dienstwagen von Unternehmen. Die Kommission will eine Quote für emissionsfreie oder emissionsarme Pkw vorgeben. Beginnen soll sie bei 53 Prozent und dann steigen.
Außerdem richtet sich die Höhe der Quote nach der Wirtschaftsleistung. Die Mitgliedsstaaten sollen Dienstwagen nur noch begünstigen dürfen, wenn reine Verbrenner ausgenommen sind. In Deutschland sollen ab 2030 77 Prozent der gewerblich zugelassenen Autos Zero- oder Low-Emission-Fahrzeuge sein. Ab 2035 soll die Zahl auf 100 Prozent steigen.

Aus des Verbrenner-Aus: Schwarz-Gruppe prüft, Volkswagen lobt die Vorschläge
Was bedeutet das für die Planung der Konzerne? „Die Unternehmen der Schwarz-Gruppe werden die aktuellen Beschlüsse der EU-Kommission zu Emissionszielen für Dienstfahrzeuge prüfen“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage.
„Wir begrüßen den pragmatischen Entwurf der EU-Kommission. Dieser ist aus Sicht des Volkswagen-Konzerns insgesamt wirtschaftlich vernünftig“, teilt VW mit. Die Kommission mache mit ihrem Vorschlag deutlich, dass Elektromobilität die führende Technologie der Zukunft sei. „Dies ist auch für den Volkswagen-Konzern unstrittig“, heißt es aus Wolfsburg. Das sieht man auch bei der Tochter Audi so. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Elektromobilität sich perspektivisch weltweit durchsetzt“, hatte Audi-Chef Gernot Döllner kürzlich der Stimme gesagt.
Bosch-Chef Hartung gehen die EU-Vorschläge nicht weit genug
Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Automobilzulieferer Bosch lobt, dass „unsere Argumente für einen Kurswechsel auf europapolitischer Ebene gehört werden“, übt aber auch Kritik. Die Vorschläge würden zu kurz greifen und nicht den erhofften Durchbruch bringen.
„Die Kommission blinkt in Richtung Technologieoffenheit, biegt aber nicht ab“, so Hartung. Die Vorschläge müssten nachgebessert werden, man benötige eine tragfähige Marktperspektive für Plug-In-Hybride, Range Extender und erneuerbare Kraftstoffe über 2035 hinaus.
So bewerten Wissenschaftler die EU-Vorschläge zum Verbrenner
Patrick Plötz vom Fraunhofer ISI in Karlsruhe sieht in dem Vorschlag keinen Rückschritt für den Klimaschutz. „Die Richtung bleibt gleich, nur das Tempo ändert sich minimal.“ Wichtiger findet er, dass der CO2-Ausstoß von Plug-in-Hybriden ab 2027/28 realistischer eingeschätzt wird und diese nicht mehr so stark auf die Flottengrenzwerte der Autobauer einzahlen. Damit bleibe der Anreiz, auf E-Autos zu setzen. Die Möglichkeiten, beim Verbrenner Emissionen zu sparen oder die Effizienz zu verbessern, seien begrenzt.
Für Achim Kampker von der RWTH Aachen ist klar, dass die Abkehr vom Verbrenner-Aus die Autoindustrie nicht retten wird. „Die Krise entsteht aus vielfältigen Gründen.“ Der Vorschlag habe gute Ansätze, führe aber zu „wahnsinnig viel Bürokratie“. Die Forderung, dass kleinere E-Autos gebaut werden sollen, sei vor 15 Jahren sinnvoll gewesen, würde den deutschen Autobauern aktuell aber nicht helfen. Klar sei, dass die Zulieferer sich weiter Richtung Elektromobilität ausrichten müssen. Es sei absehbar, dass einige „auf der Strecke bleiben werden.“
IG-Metall-Chefin Benner: Jetzt gibt es keine Ausreden mehr!
Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, macht deutlich: „Es liegt eine klare Idee auf dem Tisch, wie es ab 2035 weitergehen soll. Alles, was jetzt folgt, muss Arbeitsplätze sichern und industrielle Strukturen stärken, gerade bei den Zulieferern. Die Automobilindustrie hat das Ziel 2035 lange als Bremse beklagt. Jetzt, wo diese Bremse gelöst ist, muss es mit vollem Tempo auf der Hauptstraße der Elektromobilität nach vorne gehen, bei gleichzeitiger Flexibilisierung der Antriebe – mit Ziel Arbeitsplatzsicherung! Es gibt jetzt keine Ausreden mehr!“
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