AfD-Gutachten geleakt: Regionale Politiker und „Heilbronner Stimme“ werden genannt
Das Gutachten, mit dem der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistische Partei eingestuft hat, ist veröffentlicht worden. Welche regionalen AfD-Politiker darin genannt werden und warum.
Eigentlich wollte der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erst mal prüfen, ob das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD veröffentlicht werden soll. Dem kam das Magazin „Cicero“ zuvor und stellte das mehr als 1100 Seiten dicke Dokument ins Netz.
Verfassungsschutz-Gutachten ist eigentlich als Verschlusssache eingestuft
In dem Bericht belegt das Bundesamt für Verfassungsschutz, warum es die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch einstuft. Bekanntgegeben wurde das schon Anfang Mai, die AfD hat per Eilantrag Widerspruch eingelegt. Das Dokument ist als Verschlusssache eingestuft, darf also eigentlich nicht außerhalb des Verfassungsschutzes weitergegeben werden.
Das Gutachten listet ausschließlich öffentlich zugängliche Aussagen von AfD-Funktionären und Mitgliedern auf. Untersucht wird zum Beispiel, wie sich die Partei und ihre Mitglieder zu zentralen Prinzipien der Demokratie positionieren; Menschenwürde, Rechtsstaat, freiheitlich-demokratische Grundordnung. Ebenso betrachtet werden Aussagen zum Nationalsozialismus oder zur Migration, das Verständnis des deutschen Volkes und wer dazugehört und vieles mehr.
Regionale AfD-Politiker tauchen in Verfassungsschutz-Gutachten auf
Mehrere regionale AfD-Politiker werden in dem Verfassungsschutz-Bericht genannt. Der Eppinger Landtagsabgeordnete Rainer Podeswa etwa, der auch Vorsitzender des Heilbronner AfD-Kreisverbands war. Die Verfassungsschützer notieren, dass Podeswa die Bundesregierung 2022 in einem Facebook-Beitrag als „Regime“ bezeichnet hat.

Eingebettet ist das in zahlreiche weitere Aussagen von AfD’lern, die von einem „Ampel-Regime“ oder „Scholz-Regime“ sprechen. Dadurch werde die Bundesrepublik mit Diktaturen und Autokratien gleichgesetzt und verächtlich gemacht, heißt es in dem Bericht.
Im Kapitel „fremden- und minderheitenfeindliche Aussagen und Positionen“ taucht der Heilbronner Dennis Klecker auf, der im Wahlkreis Eppingen in den Landtag gewählt wurde und Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Heilbronn ist. Die Verfassungsschützer dokumentieren ein Video, das Klecker bei Facebook verbreitet hat. Der Clip zeige eine als typisch deutsch wahrgenommene Familie, die von einer Masse junger, nicht-weißer Männer bedroht wird. Mehrere AfD-Politiker teilten das Video, das laut Verfassungsschutz ein „umfassendes Bedrohungsszenario“ zeichnet, in dem ethnisch deutsche Familien durch Migranten bedroht seien.
Verfassungsschutz: Äußerungen des früheren regionalen AfD-Abgeordneten Jongen sind hochproblematisch
Mehrfach beschäftigt sich das Gutachten ausführlich mit Marc Jongen. Dieser war in der vergangenen Wahlperiode Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Neckar-Zaber, bis er 2024 ins Europaparlament gewählt wurde. Der Bericht zitiert etwa eine Rede Jongens, in der „in hohem Maße verfassungsschutzrechtlich relevante Aussagen“ gefallen seien.
Die Rede hatte Jongen im Juli 2023 bei der Europawahlversammlung der AfD gehalten und darin unter anderem von Deutschland als „Asylmagnet Europas“ gesprochen und behauptet, Europa werde zu einem „Siedlungsgebiet“ für „Wirtschaftsmigranten aus aller Welt“ gemacht.
Von „Rassismus gegen Weiße“ bis zur „kulturellen Selbstabschaffung“
Weiterhin erwähnt der Verfassungsschutz Aussagen Jongens aus dem Jahr 2023, in denen er behauptet, dass ein „Rassismus gegen Weiße in der politisch-medialen Klasse Deutschlands zunehmend grassiert“. Die Autoren betonen, dass das eine neurechte Erzählung ist, die auf der vermeintlichen Diskriminierung weißer Deutscher fußt, welche es in der Realität nicht gibt.
Bereits zwei Jahre zuvor sprach Jongen von einer angeblichen „kulturellen Selbstabschaffung“ durch die „Verachtung für das Eigene“, die angeblich von „links-grünen Kreisen“ vorangetrieben werde - auch diese Aussagen listet der Bericht.
Verfassungsschutz befasst sich auch mit der Identitären Bewegung
In einem weiteren Kapitel beschäftigt sich der Verfassungsschutz mit der Identitären Bewegung. Die Gruppierung ist seit längerem als rechtsextrem eingestuft und vertritt völkische Ansichten. Zwar steht die Identitäre Bewegung auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD, ihre Mitglieder können also keine AfD-Mitglieder werden. Das Gutachten belegt jedoch eine Nähe zwischen Jongen und der rechtsextremen Bewegung und beurteilt Abgrenzungsbemühungen als oberflächlich oder nicht glaubwürdig.
Ähnliches gilt für den sogenannten Flügel, eine rechtsextreme Gruppierung innerhalb der AfD um den Thüringer Björn Höcke, die 2020 formal aufgelöst wurde. Da ehemalige Mitglieder jedoch weiter in der Partei aktiv sind, kommt der Bericht zu dem Schluss, dass trotz Auflösung die verfassungs- und pauschal fremdenfeindlichen Positionen in der AfD weiterbestehen.
Stimme-Bericht als Beleg für inhaltliche Positionierung der neuen AfD-Parteijugend
An einer Stelle des Berichts taucht auch die Heilbronner Stimme auf. Im entsprechenden Kapitel geht es um die Parteijugend „Junge Alternative“ (JA), die schon vor geraumer Zeit vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde, unter anderem wegen des völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriffs, den die JA verwendet. Im April 2025 beschloss der AfD-Bundesparteitag, die JA aufzulösen und eine neue Jugendorganisation zu gründen. Der Verfassungsschutz sieht darin jedoch nur eine formale Neuordnung, durch die sich inhaltlich nichts ändert.
Belegt wird das durch mehrere Aussagen, unter anderem ein Zitat des damaligen JA-Landesvorsitzenden Arthur Hammerschmidt. Auf Stimme-Anfrage erklärte dieser: „Wir sehen keinen großen Unterschied im Arbeiten zwischen dem Zustand vor dem Parteitagsbeschluss und dem Arbeiten in der künftigen neuen Jugendorganisation.“
Verfassungsschutz ordnet AfD als rassistisch und fremdenfeindlich ein
Das Fazit des Verfassungsschutzes: Die AfD vertritt einen rassistischen Volksbegriff, unterscheidet zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen, sie ist fremdenfeindlich und hetzt gegen Minderheiten, Ausländer und besonders gegen Muslime.
Es fehle zudem an Personen, die sich von diesen Haltungen abgrenzen oder Gegenpositionen beziehen. Im Unterschied zum letzten Gutachten sei deshalb „nicht mehr davon auszugehen, dass es gemäßigteren Kräften in der AfD noch möglich ist, diese festgestellte verfassungsfeindliche Prägung der Gesamtpartei umzukehren“.