"Steiler Weg in den Abgrund": Asyldebatte im Bundestag spitzt sich zu
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Im Bundestag fliegen die Fetzen. Am Mittwoch wird über zwei CDU-Anträge zur Migrationspolitik abgestimmt. Friedrich Merz nimmt dafür notfalls die Unterstützung der AfD in Kauf. Für SPD und Grüne ein Vertrauensbruch.
Von red/dpa
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Am späteren Mittwochnachmittag wird der Bundestag nach einer etwa zweistündigen Debatte über zwei Anträge der Union zur Migrationspolitik abstimmen. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat angekündigt, dabei auch Ja-Stimmen der AfD in Kauf nehmen zu wollen. Er weist aber den Vorwurf zurück, er reiße damit die "Brandmauer" zur AfD ein. SPD und Grüne sehen trotzdem einen historischen Tabubruch. Die Debatte ist hitzig, und es fallen zum Teil harte Worte.
Streit in Asyldebatte: Scholz wirft Merz „unverzeihlichen Fehler“ vor
Vor der Abstimmung über die Migrationspolitik im Bundestag hat Kanzler Olaf Scholz Friedrich Merz mit scharfen Worten vorgeworfen, die klare Abgrenzung zu rechtsextremen Parteien aufzugeben. "Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf", rief er dem Oppositionsführer in seiner Regierungserklärung im Parlament zu. Es sei die Unterstützung derer, "die unsere Demokratie bekämpfen, die unser vereintes Europa verachten, die das Klima in unserem Land seit Jahren immer weiter vergiften". Dies sei ein "unverzeihlicher Fehler".
Seit Gründung der Bundesrepublik vor über 75 Jahren habe es immer einen klaren Konsens aller Demokraten gegeben, mit extremen Rechten nicht gemeinsame Sache zu machen, sagte Scholz. "Sie haben diesen Grundkonsens unserer Republik im Affekt aufgekündigt."
Die Vorschläge der Union zur Migrationspolitik nannte Scholz rechtswidrig und sprach Merz die Regierungsfähigkeit ab, weil er solche Vorschläge mache. "Es gibt Grenzen, die darf man als Staatsmann nicht überschreiten", sagte er. "Politik in unserem Land ist doch kein Pokerspiel. Der Zusammenhalt Europas ist kein Spieleinsatz. Und ein deutscher Bundeskanzler darf kein Zocker sein. Denn er entscheidet im schlimmsten Fall über Krieg oder Frieden."
CDU stimmt mit „Rassisten“ ab? Robert Habeck mit klaren Worten für Merz
An Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) gewandt, sagte Habeck: "Lieber Herr Merz, ich glaube Ihnen die Betroffenheit, das Engagement und den Einsatz für Sicherheit in Deutschland." Aber auch ein Kanzler stehe nicht über dem Recht.
Habeck stellte in Aussicht, die Union könne künftig auch in anderen Fragen mit der AfD abstimmen und warnte vor einem Bündnis mit Rechtspopulisten. Es entkräfte seine Argumente, wenn dieser mit "Rassisten" abstimme, sagte Habeck zu Merz. Er forderte entschlossenes Handeln, unter anderem die vorrangige Abschiebung nicht-deutscher Gefährder. Er warnte, in der Sache folge die Union der Logik, Recht brechen zu wollen, um Recht zu verändern. "Das ist der steile Weg in den Abgrund."
Friedrich Merz weist Vorwurf von Bundeskanzler Olaf Scholz zurück
Unionsfraktionschef Friedrich Merz verteidigt die Entscheidung, bei der Abstimmung über schärfere Migrationsregeln notfalls auch auf die AfD zu setzen, mit dringend nötigem Handlungsbedarf. "Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen. Sie bleibt richtig."
"Die Bilder, die wir gegebenenfalls von jubelnden und feixenden AfD-Abgeordneten sehen, die werden unerträglich sein. Und der Gedanke schon daran bereitet mir jetzt größtes Unbehagen", sagte Merz. Die Demokratie gerate aber auch in Gefahr, wenn eine gesellschaftliche und politische Minderheit "die Radikalen als Werkzeug benutzt, um den Willen der Mehrheit der Bevölkerung dauerhaft zu ignorieren", kritisierte Merz SPD und Grüne. Die Union werde sich von beiden Parteien nicht mehr sagen lassen, "was wir zu tun und was wir nicht zu tun haben".
Scharf wies er Spekulationen Scholz zurück, bei einer entsprechenden Mehrheit könne es auch eine schwarz-blaue Regierung zwischen Union und AfD geben. Diese Aussage sei niederträchtig und infam.
SPD-Chef Klingbeil wirft Friedrich Merz Prinzipien-Verrat vor
SPD-Chef Lars Klingbeil hat der Union und ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in der Migrationsdebatte einen historischen Fehler vorgeworfen. Merz spalte bewusst die demokratische Mitte, sagte Klingbeil im Bundestag. Es drohe eine "tektonische Veränderung des Miteinanders hier im Parlament", wenn die Union auf die Zustimmung der AfD baue.
"Mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, das ist kein Zeichen von Stärke, das ist Schwäche", sagte Klingbeil an Merz gewandt. Stärke wäre gewesen, Kompromisse zu finden, dazu habe die Union aber nicht die Kraft gehabt. Klingbeil warf Merz vor, wichtige Grundsätze über den Haufen zu werfen, um bei der Bundestagswahl ein paar Prozent mehr zu bekommen.
„Dazu darf es nicht kommen“: FDP-Chef Lindner äußert sich tu Asyldebatte
FDP-Chef Christian Lindner hat vor Schaden für die Demokratie gewarnt, wenn in der Migrationspolitik kein Kurswechsel vollzogen wird. "Kontrolle und Begrenzung der Einwanderung nach Deutschland ist ein Anliegen der politischen Mitte. Wir dürfen es den Rändern nicht überlassen", sagte Lindner im Bundestag nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Er warf SPD und Grünen vor, sich gegen einen nötigen Richtungswechsel zu stellen. "Es ist im Interesse der Stabilität unserer Demokratie, die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zu respektieren. Denn wenn die Demokratie hier nicht liefert, dann suchen sich die Menschen im Zweifel eine autoritäre Alternative zur Demokratie", sagte Lindner. "Und dazu darf es nicht kommen."
Er forderte Scholz auf, sich ein Beispiel an den regierenden Sozialdemokraten in Dänemark zu nehmen. "Unsere Nachbarn verfolgen dort eine konsequente Politik der Steuerung und Begrenzung von Migration. Dennoch würde niemand bezweifeln, dass unsere Nachbarn ein liberales und weltoffenes Land sind", sagte Lindner.
CDU-Chef Friedrich Merz attackiert AfD und Gauland
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat die AfD und ihren Ehrenvorsitzenden, Alexander Gauland, zu Beginn seiner Rede frontal attackiert. Er erinnerte an die kurz zuvor beendete Gedenkstunde des Bundestags zum 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz und sagte: "Ich will es einfach an die Adresse dieser Fraktion sagen und an Sie, Herr Gauland, das war Ihr Fliegenschiss, von dem Sie vor Jahr und Tag gesprochen haben."
Gauland hatte im Juni 2018 mit einer Äußerung zur Nazi-Zeit für Empörung gesorgt. Er sagte damals: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte." Später bezeichnete Gauland seine Äußerung als "missdeutbar und damit politisch unklug". Der 83-Jährige kandidiert bei der vorgezogenen Bundestagswahl erneut.
Zwei Anträge und ein Gesetzentwurf
Im zentralen Antrag der Union geht es um einen von Merz vorgelegten Fünf-Punkte-Plan zur Bekämpfung der irregulären Migration. Gefordert werden darin unter anderem dauerhafte Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern, ein Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente, auch wenn sie ein Schutzgesuch äußern. Ausreisepflichtige sollen inhaftiert werden und Abschiebungen müssten täglich erfolgen. Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann.
Der zweite Antrag trägt den Titel „Für einen Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit“. Die Unionsfraktion listet hier 27 Punkte auf, etwa Mindestspeicherfristen für IP-Adressen, mehr technische Befugnisse für Ermittler etwa zur elektronischen Gesichtserkennung, einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden, eine Stärkung der Nachrichtendienste sowie härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten, Rettungskräfte und Helfer.
Erst am Freitag steht das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Unionsfraktion zur finalen Abstimmung. Die Neuregelung soll unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden. dpa
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