Sahra Wagenknecht kritisiert „verlogene Debatte“ in der Migrationspolitik
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht war am Dienstag beim Stimme.tv-Live-Talk in Heilbronn zu Gast. Dort warnte sie vor einem Erstarken der AfD, wenn sich in der Migrationspolitik nichts ändert.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will es bei der Neuwahl in den Bundestag schaffen, auch wenn die Partei in Umfragen auf unter fünf Prozent abgesackt ist.
Am Dienstag war BSW-Chefin Sahra Wagenknecht beim Live-Talk „Ohne Ausrede – Wahlcheck spezial“ von Stimme.tv zu Gast. Im Interview mit Chefredakteur Uwe Ralf Heer erklärte die 55-Jährige, was sich in Deutschland aus ihrer Sicht ändern sollte – hier geht es zum Video, das das Interview in voller Länge zeigt.
Sahra Wagenknecht in Heilbronn: AfD ist nicht weit von stärkster Partei entfernt
„Die alten Parteien haben unser Land in den Niedergang geführt“, kritisiert Wagenknecht. Und sie sehe die Gefahr, dass es so weitergeht, wenn SPD und Grüne wieder an der Regierung beteiligt sind. Eine nie dagewesene Wirtschaftskrise, zu viel Migration, Altersarmut, explodierende Preise und ein „Aufrüstungswahnsinn“: All das sorge dafür, dass die Menschen sich der AfD zuwenden. Diese stehe aktuell bei 23 Prozent in den Umfragen. „So weit ist sie nicht von der stärksten Partei entfernt.“ Es brauche deshalb eine Partei wie das BSW, die glaubwürdig widerspricht.
Hat sie Verständnis für die Proteste im Land, die sich gegen Rechtsextremismus und eine Zusammenarbeit von Union und AfD richten, will Heer wissen. Sie verstehe, dass sich Menschen Sorgen machen, wenn die AfD immer stärker wird, antwortet Wagenknecht, eine Partei, in der es „unstrittig“ Neonazis und Rechtsextremisten gibt. „Diese Empörungswelle, die wir gerade auf den Straßen erleben, erscheint mir aber doch ziemlich inszeniert“, ergänzt sie.
Sahra Wagenknecht: CDU hätte in den Ländern längst mit AfD zusammenarbeiten sollen
Aus Wagenknechts Sicht ist die Diskussion um das Abstimmungsverhalten im Bundestag eine „verlogene Debatte“. „Es hat in Länderparlamenten längst immer wieder Abstimmungen gegeben, auch mit der AfD, auch Mehrheiten.“ In Thüringen sei das in der vergangenen Wahlperiode mehrmals passiert, auf kommunaler Ebene gehe es teils nicht anders. Man müsse in der Sache entscheiden. „Ich hätte es besser gefunden, wenn die CDU damals mit der AfD sogar zusammengearbeitet hätte auf Landesebene zum Beispiel. Weil das die AfD vermutlich entzaubert hätte“, sagt Wagenknecht.
Auch hätten CDU/CSU aus ihrer Sicht mit einer Richtungsentscheidung verhindern können, dass die AfD immer stärker wird. Unter der früheren Kanzlerin Angela Merkel habe Deutschland den ersten „Kontrollverlust“ in der Migration erlebt. Merkels Kritik an Friedrich Merz goutiert Wagenknecht deshalb nicht. „Ein bisschen mehr Selbstkritik hätte ich da schon erwartet.“
Wagenknecht: Bestehende Asylgesetze anwenden, aber kein Aktionismus
Die BSW-Chefin plädiert dafür, dass pro Jahr nicht mehr als 50.000 Menschen nach Deutschland kommen dürfen sollten. Gleichwohl warnt sie vor Aktionismus: „Wir sollten den Menschen nicht suggerieren, dass wir 4000 Kilometer Grenze in Deutschland kontrollieren können.“ In vielen Regionen sei die Grenze im Alltag nicht mehr erkennbar.
Stattdessen sollten aus Wagenknechts Sicht bestehenden Asylgesetze angewendet werden, mit denen Menschen kein Asylverfahren in Deutschland bekommen, die aus einem sicheren Drittstaat kommen. „Das ist aber so gut wie keiner.“
Wagenknecht fordert „ernsthafte Entspannungspolitik“ und Gespräche mit Putin im Ukraine-Krieg
Im Ukraine-Krieg führt für Wagenknecht kein Weg an Verhandlungen vorbei. „Wir müssen doch alles dafür tun, dass dieser Krieg nicht nach Deutschland kommt.“ Als China und Brasilien einen Friedensplan vorgelegt hatten, hätte Bundeskanzler Olaf Scholz aus Wagenknechts Sicht den russischen Präsidenten fragen müssen, was er davon hält. „Den hat keiner gefragt bis jetzt.“
Dass die Ukraine ihre Gebiete im Osten irgendwann zurückbekommt, glaubt laut Wagenknecht „kein Mensch mehr“. Deutschland müsse sich für eine ernsthafte Entspannungspolitik einsetzen.
Billige Energiepreise durch Gas aus Russland - Abschaffung des CO2-Preises
Um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, will die BSW-Chefin die Energiepreise senken. Dafür brauche es wieder Gas aus Russland und ein Ende der Sanktionen – diese hätten nur der deutschen Wirtschaft geschadet. Regulierungen der EU wie das Lieferkettengesetz oder den CO2-Preis will Wagenknecht reformieren oder abschaffen. Genauso wie die Schuldenbremse: „Investitionen muss man ausnehmen.“
Der aktuelle Wahlkampf sei für das BSW als junge und kleine Partei hart. Den Vorwurf eines autoritären Führungsstils lässt Wagenknecht nicht gelten. Es sei wichtig gewesen, die Partei anfangs zusammenzuhalten. Andere hätten sich in dieser „kritischen Phase“ selbst zerlegt. „Ich denke, dass wir um die fünf Prozent stehen“, sagt Wagenknecht und ist zuversichtlich, dass es mit dem Bundestagseinzug klappt.

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