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Feiertage streichen – Experten erklären Auswirkung auf Wirtschaft

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Wirtschaftsverbände ernten von Gewerkschaften und Kirche viel Kritik an ihrem Vorschlag, Feiertage abzuschaffen, um die Wirtschaft anzukurbeln.


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Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft spricht sich dafür aus, kirchliche Feiertage zu streichen. „Wir brauchen mehr Arbeit, weniger Feiertage“, sagte VBW-Präsident Wolfram Hatz der Bild. Von regionalen Wirtschaftsvertretern erhält Hatz Zustimmung, von Kirchen und Gewerkschaften hagelt es Kritik. „Grundsätzlich befürworten wir alle Maßnahmen, die die Produktivität erhöhen und die Arbeitskosten senken“, sagt Elke Döring, Hauptgeschäftsführerin der IHK Heilbronn-Franken. Ein Arbeitstag mehr sei auch wegen des demografischen Wandels hilfreich, reiche aber nicht aus, um den Kostendruck zu reduzieren.

Ernstberger: Abschaffung von Feiertagen darf kein Tabu sein

Jörg Ernstberger, Geschäftsführer von Südwestmetall Bezirksgruppe Heilbronn/Region Franken, findet es angesichts der Herausforderungen der Wirtschaft sinnvoll, auch die Abschaffung eines Feiertags in Betracht zu ziehen. „Deutschland zählt im internationalen Vergleich zu den Ländern mit den meisten gesetzlichen Feiertagen. Ein zusätzlicher Arbeitstag würde die Produktivität steigern und Impulse für Wachstum und Beschäftigung setzen. Schätzungen zufolge könnten allein durch die Streichung eines Feiertags annähernd 9 Milliarden Euro an zusätzlicher Wirtschaftsleistung generiert werden“, sagt Ernstberger. Deshalb dürften die Abschaffung eines kirchlichen Feiertags wie generell das Thema Mehrarbeit keine Tabus sein.

Verdi-Chefin Kaupp: Warum sollen Menschen mehr arbeiten, wenn es weniger Arbeit gibt?

„Die meisten Feiertage gibt es in Bayern und Baden-Württemberg. Das sind auch die beiden Flächenstaaten mit der stärksten Wirtschaftsleistung. Dieser Hebel ergibt also ökonomisch keinen Sinn, um uns voranzubringen“, entgegnet Katharina Kaupp, Geschäftsführerin von Verdi Heilbronn-Neckar-Franken. Sie verweist zudem darauf, dass es aktuell viele Branchen mit einem Nachfrageproblem gebe. „Da gibt es im Moment zu wenig Arbeit für die Beschäftigten und Kurzarbeit droht. Warum sollten die Kolleginnen und Kollegen länger arbeiten, wenn die Arbeit doch gerade fehlt?“

IG Metall erwartet höheren Krankenstand bei mehr Arbeitstagen

Mehr Kranke Stefan Reiner von der IG Metall Heilbronn-Neckarsulm sagt: „Die Forderung zeigt eine zunehmende Entfremdung der Arbeitgeberseite von den Lebensrealitäten der Beschäftigten.“ Seit Jahren gebe es eine starke Arbeitsverdichtung. Weniger Menschen sollten mehr Leistung bringen. „Die Konsequenz daraus: Krankenquoten steigen und die Unzufriedenheit wächst. Wir fordern mehr Entlastung und keine Scheindebatten“, so Reiner.

Kirchenvertreter aus der Region lehnen den Vorstoß ab und heben dagegen deren Bedeutung für Mensch und Gesellschaft hervor. „Kirchliche Feiertage sind wie Sonntage Zeiten der Ruhe, Zeiten, in denen sich die Familie treffen kann, weil zumindest die meisten an diesen Tage frei haben“, betont die Heilbronner Pfarrerin Esther Sauer. Sie leisteten somit einen Beitrag zur sozialen Stabilität. Wirtschaftliche Interessen sollten damit nicht in Zusammenhang gebracht werden. Sauer: „Es gibt sicher andere Lösungen, damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibt.“

Kirchen heben die Bedeutung von Feiertagen für die Gesellschaft hervor

„Feiertage tun den Menschen und der Gesellschaft gut“, betont der evangelische Heilbronner Dekan Christoph Baisch.“ Freilich habe die Stärkung der Wirtschaft ebenfalls ihre Bedeutung und ihr Gewicht. Über passende Maßnahmen könne und sollte geredet werden. Aber nicht in der Weise, dass eine einzelne Maßnahme einseitig zulasten der kirchlichen Feiertage und zulasten der Arbeitnehmer in Angriff genommen wird. Erholte Mitarbeitende dienten auch der Wirtschaftskraft. So fördern laut Baisch auch die zweiten Feiertage an Pfingsten oder Ostern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Dekan Rossnagel wünscht sich grundsätzliche Debatte über Leben und Zusammenleben

Der katholische Dekan von Heilbronn-Neckarsulm Roland Rossnagel wünscht sich „eine grundsätzliche Änderung der Einstellung zum Leben und Zusammenleben. Den Ansprüchen der Einzelnen steht ihre Verantwortung gegenüber.“ Aber auch für Rossnagel steht fest: „Durch die Abschaffung von Feiertagen allein ändert sich nichts.“ Sie seien vielmehr „wertvolle Haltepunkte im Lauf des Jahres und weisen auf ein Großes hin, das dem Leben Sinn geben kann“. Einen gemeinsamen Sinn für das Zusammenleben zu finden, sei in den vielfältigen Schwierigkeiten unserer Zeit sehr wichtig.

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