Pro & Contra: Ist es richtig, die Maskenpflicht jetzt aufzugeben?
Am Sonntag fällt nach rund zwei Jahren an vielen Orten des öffentlichen Lebens die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Überfällig oder fahrlässig? Über den Umgang mit der neuen Situation sind unsere Autoren unterschiedlicher Meinung.

PRO
Von Nils Buchmann
Es wird kein lautes "Hurra!", vielmehr ein erleichtertes "Endlich!", wenn am Sonntag die Maskenpflicht vielerorts fällt. Denn noch bleiben zu viele Fragen zum Umgang mit der Pandemie offen, als dass man jubelnd um die Häuser ziehen könnte. Doch die Entscheidung des Bundestages war angesichts der Omikron-Variante und der Situation auf den Intensivstationen richtig und ein wichtiger Schritt hin zur Normalität.
So, wie wir uns vor zwei Jahren zu Beginn der Tragepflicht an sie gewöhnen mussten, wird es auch jetzt wieder einige Zeit dauern, bis man sich der zurückgewonnenen Freiheit bewusst wird. Das gilt vor allem für jene Orte, an denen viele Menschen auf wenig Raum zusammenkommen: in Stadien und Diskotheken, bei Konzerten oder in Warteschlangen. Dass die Gewöhnung jedoch relativ schnell einsetzt, weiß jeder, der während der vergangenen Monate einige Tage im Ausland verbracht hat. An anderen Orten, etwa im Restaurant, im Theater oder an der frischen Luft, hatte das Tragen meist ohnehin nur Alibi-Charakter.
Die Aufhebung der Pflicht ist kein Verbot
Bei aller Freude sei dennoch davon abgeraten, sich am Sonntag im Überschwang von seinem Maskenvorrat zu trennen. Denn Geschäfte können weiterhin auf das Tragen bestehen. Daher wird der textile Begleiter zwar seltener hervorgeholt werden müssen, beim Schritt vor die Haustür jedoch wie Schlüssel, Handy und Geldbeutel weiterhin zum festen Repertoire gehören.
Das Wichtigste: Die Aufhebung der Pflicht ist kein Verbot. Wer sich sicherer fühlt, wer Risikopatient oder immungeschwächt ist, der darf und sollte den Mund-Nasen-Schutz weiterhin tragen - ohne sich schämen zu müssen oder verächtlich beäugt zu werden. Gleiches gilt, wenn der Nebenmann im Supermarkt beim Lächeln wieder Zähne zeigt.
CONTRA
Von Jürgen Paul
Natürlich nerven mich die Masken - als Brillenträger ist man ja doppelt gestraft, wenn man sich halbblind durch Innenräume tastet, weil die Gläser beschlagen sind. Und ich freue mich auf den Tag, an dem ich wieder sofort erkennen kann, ob mein Gegenüber lächelt oder böse schaut. Aber dieser Tag wird nicht der kommende Sonntag sein. Corona - wiewohl das Virus in Form der Omikron-Variante seinen Schrecken zum Großteil verloren hat - war noch nie so präsent wie in diesen Tagen. Jeder kennt in seinem Umfeld dutzende Infizierte oder Genesene, das hochansteckende Virus lässt die Inzidenzzahlen in ungeahnte Höhen steigen.
In dieser Situation die Masken fallen zu lassen, ist fahrlässig und ignorant. Nur weil sich die FDP für die Rückkehr der Freiheit feiern lassen will, wird eine der einfachsten und zugleich wirkungsvollsten Schutzmaßnahmen abgeschafft und damit in Kauf genommen, dass vermehrt Menschen aus den vulnerablen Gruppen angesteckt werden, für die auch die Omikron-Variante fatale Folgen haben kann.
Das Tragen einer Maske ist keine Beschränkung der persönlichen Freiheit
Deshalb werde ich zunächst weiterhin überall dort Maske tragen, wo viele oder besonders gefährdete Menschen auf engem Raum zusammenkommen. Das ist keine Beschränkung meiner persönlichen Freiheit, sondern Rücksichtnahme auf jene, die sich selbst nicht ausreichend schützen können. In den zurückliegenden zwei Jahren haben wir uns doch alle ans Masketragen gewöhnt. Da sollte es kein zu großes Opfer sein, die Dinger freiwillig noch einige Wochen überzuziehen.
Wenn im Frühling die Temperaturen steigen, die Inzidenzen sinken und sich die Krankenhäuser leeren, werde ich mir mit großer Freude die Maske vom Gesicht reißen. Und zwar mit gutem Gewissen.