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Pro & Contra: Sollten Geschäfte sonntags öffnen?

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Karsten Wildberger, Chef des Elektronik-Händlers MediaMarkt-Saturn findet: In Zeiten sterbender Innenstädte sollten Geschäfte in begrenztem Rahmen sonntags öffnen dürfen. Ist das eine gute Idee? Unsere Autoren sind geteilter Meinung.

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Sollen Geschäfte, wie hier in der Heilbronner Innenstadt, auch sonntags öffnen dürfen? Darüber gibt es verschiedene Meinungen.
Sollen Geschäfte, wie hier in der Heilbronner Innenstadt, auch sonntags öffnen dürfen? Darüber gibt es verschiedene Meinungen.  Foto: Mario Berger

In einem Interview hat Karsten Wildberger, Chef des Elektronik-Händlers MediaMarkt-Saturn, einen lockereren Umgang mit der Sonntagsruhe gefordert. Es gebe Kunden, die gerne sonntags einkaufen würden, sagte er. Angesichts des boomenden Onlinehandels solle man mit verkaufsoffenen Sonntagen arbeiten, wo sie gut angenommen werden. Unsere Autoren sind unterschiedlicher Meinung, ob das sinnvoll ist.




Pro

Von Christoph Donauer

Wer den Innenstadt-Handel retten will, muss unkonventionell denken. Deshalb ist es eine gute Idee des MediaMarkt-Saturn-Chefs, die Sonntagsruhe auf den Prüfstand zu stellen. Sie muss ja nicht gleich ganz fallen, aber mehr Flexibilität und Modellprojekte wären eine sinnvolle Maßnahme. 

Fünf oder sechs Tage die Woche arbeiten, nach Feierabend Einkaufen, zum Sport, Kochen – für viele bleibt kaum Zeit übrig, um zu den normalen Ladenöffnungszeiten oder samstags shoppen zu gehen. Für die arbeitende Bevölkerung wäre es deshalb eine willkommene Gelegenheit, wenn sie öfter sonntags ihr Geld in der Stadt ausgeben könnten.

Wie gut das funktioniert, beweist der regelmäßige Erfolg verkaufsoffener Sonntage. Baden-Württemberg erlaubt davon nur drei, einen weniger als das Bundesgesetz. Warum eigentlich?

Absurd wird es, wenn Läden ohne Personal sonntags nicht öffnen dürfen

Schon jetzt ist es keineswegs so, dass niemand sonntags arbeiten würde. Und wie so oft muss man betonen, dass andere Länder seit Jahren das Öffnen an Sonntagen erlauben. Regelrecht absurd wird es aber, wenn Automatenshops oder vollautomatische Supermärkte, die ohne Personal auskommen, Probleme bekommen, wenn sie sonntags öffnen.

Klar ist: Der Online-Handel schläft nie. Dort kann 24 Stunden täglich und sieben Tage die Woche bestellt werden, bis die Leitung glüht. Nicht selten kommt die Ware montags oder dienstags an. Wenn der Handel hier mithalten will, sollte die strikte Sonntagsruhe gelockert werden. Zum Ausgleich können die Läden an weniger starken Tagen zu bleiben, wie es in der Gastronomie seit Jahren gang und gäbe ist.

 


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Contra 
Von Kilian Krauth

Die Sonntagsruhe ist ein hohes kulturelles Gut, das nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf. Sie basiert auf zutiefst menschlichen Erfahrungen, ist nicht von ungefähr schon im Alten Testament verbürgt und bis heute fest im Ladenöffnungsgesetz verankert. Zurecht pochen Kirchen und Gewerkschaften in einem ungewöhnlichen Schulterschluss auf die Einhaltung. Ausnahmen sollten nicht zur Regel werden.

Ungebremster Kommerz ist keine gute Arznei gegen Langeweile und erst recht kein Allheilmittel für darbende Innenstädte. Wer die Läden auch sonntags offen halten will, tut niemandem einen Gefallen. Ganz im Gegenteil. Er beschädigt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Er raubt Angestellten die Freizeit. Er treibt kleine Geschäfte in den Ruin, weil der Sonntagsumsatz die Sonntagsgehälter kaum aufwiegen dürfte.

Ein dauerhaft offener Sonntag schadet kleinen Kaufleuten

Letztlich schadet ein dauerhafter offener Sonntag den Städten. Denn das allgemein beklagte Ladensterben würde dadurch nicht gebremst, es würde vielmehr beschleunigt. Der Verdrängungswettbewerb würde befeuert. Kleine Kaufleute könnten nicht mehr mithalten mit finanzstarken Konzernen und Ketten. So oder so auf der Verliererseite wären die Mitarbeiter und ihre Familien, wenn Papa oder Mama nicht einmal mehr sonntags Zeit für den Partner und die Kinder hätten.

Die Arbeitszeit wird heute schon in vielen Bereichen und Branchen immer weiter ausgedehnt und verdichtet. Gemeinsame Freiräume zum Durchschnaufen und zum Zusammenkommen sind aber wichtig, wenn schon nicht unter der Woche, so doch wenigstens am Wochenende, vor allem am Sonntag. Um ins Kino zu gehen, in ein Konzert, in die Kirche, um Sport zu treiben oder einfach auszuspannen.

 

 

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Kommentare

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Wilfried Müller am 27.01.2024 08:42 Uhr

Die Arbeitszeiten werden immer kürzer und die Läden haben an Werktagen bis 20 oder 22 Uhr auf, wer damit nicht zurecht kommt solde sich wieder einen Einkauf Zettel zulegen oder gleich ins Mobile tippen dann wird nichts vergessen. Für mich als private Person hat noch kein Bäcker Sonntags Brötchen backen müssen. Wegen längere Öffnungszeiten wird nicht mehr gegessen oder gekauft, es werden nur Familien noch mehr zerrissen und die wichtige gemeinsame Zeit geht verloren.Auch mein Tante M LADEN im Ort könnte am Sonntag schließen, was ich da samstags bis 23 Uhr nicht gekauft habe brauch ich auch am Sonntag nicht, das überleben wird dadurch nicht gefährdet

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Thomas Gaukel am 18.01.2024 11:05 Uhr

Ich erinnere mich an ein paar Monate in England als Kind in den ~1980ern. Das Modell, dass ich da gesehen habe, kam mir ganz praktikabel vor. Die großen Ketten und Supermärkte mit Angestellten hatten eher Öffnungszeiten wie bei uns damals, der "Inder um die Ecke", der mit der Familie über/hinter dem Laden gewohnt hat, hatte länger und auch teilweise auch Sonntags offen, oft musste man ihn auch erst Rausklingeln, wenn man was brauchte.

D.h. ich könnte mir vorstellen, dass eine Entkopplung des Regelung wann ein Laden geöffnet werden darf von der Regelung wann Angestellte arbeiten dürfen sowohl kleine Inhaber geführte Geschäfte stärken könnte, als auch neuen Modelle wie Automaten-Shops die Etablierung ermöglichen würde.

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