Pro & Contra: Ist die Vier-Tage-Woche massentauglich?
Eine Studie in Großbritannien hat ergeben: Wenn nur an vier Tagen in der Woche gearbeitet wird, sind Mitarbeiter zufriedener und seltener krank. In Deutschland wird die Vier-Tage-Woche immer wieder diskutiert. Unsere Autoren sind geteilter Meinung, ob das Konzept aufgeht.

Pro
Von Christoph Donauer
Deutschland hat ein Problem. Fast jeder dritte Arbeitnehmer leistet bis zu 15 Überstunden pro Woche, ein guter Teil davon unbezahlt und ohne Freizeitausgleich. Die Dunkelziffer dürfte entsprechend hoch sein, wenn die Arbeitszeit nicht erfasst wird. Bereits Acht-Stunden-Tage und Fünf-Tage-Wochen sind für viele Deutsche also ein Wunschtraum.
Die Folge sind Stress, Burn-out, aber auch, dass Arbeitnehmer in Teilzeit- oder Minijobs wechseln, weil sie die Belastung nicht mehr aushalten. Dazu kommt, dass Preise und Löhne auseinanderdriften, Wohnen vielerorts unbezahlbar ist und die Rente wohl bald ab 70 winkt.
Die Vier-Tage-Woche ist kein Wunschdenken realitätsferner Träumer, sondern funktioniert. In Belgien, Island, Schottland, Schweden und Spanien wird damit experimentiert, genauso in einigen deutschen Unternehmen. Die Ergebnisse sind immer dieselben: Mitarbeiter sind zufriedener und seltener krank, bei gleicher Produktivität und oft steigenden Umsätzen.
Diese Erkenntnisse kleinzureden, wäre falsch. Viele junge Menschen lassen sich nicht mehr mit Obstkörben oder Tischkickern locken, wenn dafür Überstunden geschoben werden müssen. Sie wollen flexibler arbeiten und öfter frei haben. Klar: Wenn im Alter weder ein Dach über dem Kopf noch das Einkommen sicher sind, muss man sich in jungen Jahren verwirklichen.
Wahr ist aber ebenso: Mit dem Brückenteilzeitgesetz kann sich jeder eine befristete Vier-Tage-Woche basteln, allerdings mit Lohnabzug.
Langfristig sollte die Vier-Tage-Woche das Ziel sein. Dem Fachkräftemangel könnte das sogar helfen: Dann wird das Arbeiten womöglich auch für jene attraktiver, die derzeit beispielsweise aus familiären Gründen nicht arbeiten.
Contra
Von Christian Gleichauf
Aus Arbeitnehmersicht wäre es grandios, wenn man bei einer Vier-Tage-Woche das Geld für fünf Arbeitstage ausbezahlt bekommt. Doch realistisch ist das nicht. Die Rechnung geht bei ausgesuchten Pilotprojekten wohl nur deshalb auf, weil die Motivation bei allen Beteiligten groß ist, sie aufgehen zu lassen. Doch wie lange hält das an? Abgesehen davon fragt man sich auch, warum so viele Menschen bei der Arbeit offenbar so unglaublich viel Leerlauf haben. Entweder er gehört dazu, weil Kreativität nicht auf Knopfdruck entsteht, oder das Pensum müsste an mancher Stelle doch erhöht werden.
Viele Berufe sind von diesem Modell ohnehin von vornherein ausgeschlossen. In der Produktion kann man das Tempo nicht einfach um 20 Prozent erhöhen. Wäre das möglich, würden die Unternehmen das jetzt schon an allen fünf Tagen durchsetzen.
Auch wird es im Kampf um Arbeitskräfte nicht dauerhaft möglich sein, neue Mitarbeiter mit solchen Versprechen zu locken. Das funktioniert in einzelnen Branchen, solange es boomt. Stimmen die Zahlen nicht mehr, dann sind schnell wieder Zugeständnisse von der Belegschaft gefragt. Daher ist Ehrlichkeit und Verlässlichkeit zur rechten Zeit an dieser Stelle förderlich.
Volks- wie betriebswirtschaftlich ist es auf keinen Fall egal, wie viel geschafft wird. Wirtschaftsexperten fordern schließlich sogar, die wöchentliche Arbeitszeit mit Blick auf die demografische Entwicklung zu erhöhen. Bald schon muss eine schnell wachsende Zahl an Rentnern bezahlt werden. Da kann nicht eine selbsternannte Arbeitnehmer-Elite pauschal für sich in Anspruch nehmen, dass weniger mehr ist. Wer das individuell ausgehandelt bekommt: Glückwunsch.