Professor Dirk Schwarzer (52) leitet den Studiengang BWL-Dienstleistungsmanagement/ Sportmanagement. Zusätzlich macht er sportpsychologische Beratung im Leistungs- und Spitzensport. Schwarzer ist in Bad Friedrichshall aufgewachsen und hat das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neckarsulm besucht.
DHBW-Sportpsychologe Dirk Schwarzer rät: „Locker bleiben beim Lauftraining“
Was tun, wenn eine Verletzung Sportler zum Pausieren zwingt? Projektmanagement kann helfen, mit Rückschlägen in Training und Wettkampf umzugehen. Wie, erklärt ein Heilbronner Mentalcoach.

Das große Ziel einer 27-köpfigen Läufergruppe aus Erlenbach lautet: den Berlin-Marathon im September 2025 gemeinsam erfolgreich absolvieren. Doch einige Läufer haben aktuell mit Verletzungen zu kämpfen. Sie sind in Sorge, den Anschluss an die Gruppe zu verpassen, jetzt, da das Training anzieht. „Rückschläge beim Sport sind normal. Am besten setzt man sich vorher damit auseinander, welche Hindernisse auftreten können und wie man sie bewältigen kann“, sagt Sportpsychologe Dirk Schwarzer von der DHBW in Heilbronn.
Das Training zieht langsam an. Einige sind in Sorge, dass sie wertvolle Einheiten verpassen. Berechtigt?
Dirk Schwarzer: Es ist früh im Jahr, insofern bleibt auch noch eine relativ große Zeitspanne, um Ausfälle zu kompensieren. Was Läufer jetzt schon tun können: Ihr Material, zum Beispiel die Schuhe, überprüfen, um sicherzustellen, dass sie damit gut zurechtkommen. Schlechtes Schuhwerk kann Überlastungen und damit auch Verletzungen begünstigen. Sie sollten sich außerdem fragen, ob das Trainingspensum zum jetzigen Zeitpunkt angemessen ist. Wer schon mit zu hohen Umfängen und Intensitäten trainiert, riskiert ebenfalls Verletzungen.
Es also locker angehen?
Schwarzer: Ja, ich würde es eher verstehen, wenn die Läufer Richtung Sommer unruhig werden, wenn nur noch wenige Wochen bis zum Marathon verbleiben.
Welche Bedeutung hat der Umgang mit Rückschlägen bei einem Projekt wie einem Marathon?
Schwarzer: Kleines Scheitern ist normal, welches Projekt geht schon glatt durch? Im Leistungssport machen wir in unserer sportpsychologischen Arbeit quasi Projektmanagement, um mit kniffligen Situationen umzugehen. Wir setzen uns nicht nur mit dem Optimum auseinander, sondern erarbeiten mögliche Szenarien und Bewältigungsstrategien für den Fall von Schwierigkeiten. Es ist sinnvoll, sich im Vorfeld damit auseinanderzusetzen, was schiefgehen könnte und welche Ressource man dann zur Verfügung hat.
Was meinen Sie mit Ressourcen?
Schwarzer: Das kann in diesem Fall die unterstützende Trainingsgruppe sein, die einen emotional auffängt, gute ärztliche Versorgung oder die eigene Resilienz, also psychische Widerstandskraft und die Fähigkeit, mit Rückschlägen klarzukommen. Diese Art von systematischer Auseinandersetzung mit dem Thema schafft mehr Sicherheit.
Was ist die mentale Herausforderung?
Schwarzer: Wer so ein ambitioniertes Projekt verfolgt, braucht ein starkes Commitment, um sein Ziel zu schaffen. Dadurch besteht aber die Gefahr, dass man sich innerlich versteift, weil man es unbedingt erreichen will. Wenn der Traum eines Marathon-Zieleinlaufs für den eigenen Selbstwert zu bedeutend wird, kann ein krisenhafter Zustand eintreten, gerade wenn Verletzungen oder andere Rückschläge auftauchen. Es ist eine mentale Herausforderung, damit klarzukommen.
Was also tun?
Schwarzer: Das Ziel ein Stück weit entkoppeln von der eigenen Lebenszufriedenheit, lockerlassen. Das tun, was man selbst in der Hand hat und das akzeptieren, was außerhalb der eigenen Macht steht. Wenn es dieses Jahr nicht klappt, dann vielleicht im nächsten. Wir sprechen hier schließlich nicht über professionelle Spitzensportler, die ihren Lebensunterhalt mit dem Laufen verdienen. Es ist ein Freizeitvergnügen, auch wenn manche dem sehr ernst nachgehen.