Hodencheck zur Krebsvorsorge: Neckarsulmer Rugby-Spieler zeigen, wie es geht
Der frühere SLK-Chefarzt Jens Rassweiler und seine Mannheim Uroband werben gemeinsam mit dem Rugbyteam der Sport-Union Neckarsulm für den regelmäßigen Hodencheck. Ein junger Rugger zieht sich dafür sogar aus.

Schamgefühle? Bei Urologen wären die völlig fehl am Platz, denn die Facharztgruppe kümmert sich um die intimsten Bereiche der männlichen Gesundheit: Prostata, Blase, Penis – und Hoden. Bereiche, über die Mann normalerweise nicht spricht, schon gar nicht, wenn er damit Probleme hat. Nicht gut, findet der frühere SLK-Chefarzt und renommierte Urologe Jens Rassweiler.
Denn das Sprechen über Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder beim Geschlechtsverkehr, die regelmäßige Selbstuntersuchung und der rechtzeitige Gang zum Arzt inklusive Vorsorge könnten das Entgleisen vieler Erkrankungen und Todesfälle verhindern. Nur: Männer sind Vorsorgemuffel, wie Daten immer wieder zeigen. Standardisierte Screenings für junge Männer gibt es ohnehin nicht.
Hodenkrebsvorsorge: Band singt mit Rugbyspielern gegen Schamgefühle

Seit Jahren singt und rockt Rassweiler mit seiner Mannheim Uroband gegen die Vorsorgelücke und die Sprachlosigkeit an – mit deutlichen Botschaften, die humorvoll verpackt sind. Um Hodenkrebs geht es im jüngsten Song der Band. Das Thema lag für den passionierten Hobby-Fußballer auch deshalb auf der Hand, weil es in jüngster Zeit eine Reihe von Erkrankungen bei Bundesligaprofis gegeben hat und diese recht offen mit ihrer Diagnose umgegangen seien, wie der 68-Jährige erzählt.
"Check your balls – mach den Hodencheck" heißt so der Titel, den die Gruppe um Rassweiler und den Heilbronner Hörfunk-Journalisten Wolfgang Köhler passend zum Männergesundheitsmonat November auf deutsch und englisch herausgegeben hat. Darin zu sehen: Die Rugby-Spieler der Sport-Union Neckarsulm (SUN). Der Song geht zurück auf ein früheres Werk der Uroband mit dem Titel "Big balls" über einen Draufgänger, erzählt Rassweiler, der mit seiner Band regelmäßige Auftritte in der Region und bei Ärztekongressen hat. So geht es auch los mit der Zeile "Mancher meint, er hätte dicke Eier." Die Bandmitglieder sind in dem Video in grüner OP-Kluft gekleidet, denn außer Rassweiler sind auch Urologen aus Mannheim an dem Projekt beteiligt. Rassweiler singt weiter: "Dann nimmt das Schicksal dein Ei dir plötzlich weg. Mach besser den Hodencheck."
Hodenkrebs ist selten: Junge Männer sind aber häufig betroffen

Hodenkrebs ist selten. Nach Schätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) erkranken in Deutschland jährlich etwa 4200 Männer neu daran. Mit einem Anteil von 1,6 Prozent an allen Krebserkrankungen bei Männern gehört Hodenkrebs damit zu den seltenen Krebskrankheiten. Aber: Im Unterschied zu den meisten anderen Tumorerkrankungen sind die Betroffenen meist sehr jung. Das mittlere Erkrankungsalter liegt laut Deutscher Krebsgesellschaft bei 38 Jahren. 80 Prozent der von Hodenkrebs Betroffenen sind demnach jünger als 50 Jahre. Die gute Nachricht: Hodenkrebs gehört zu den Krebsarten, die inzwischen sehr gut heilbar sind. "Nahezu alle" könnten bei einer frühen Entdeckung geheilt werden, auch ohne Chemotherapie, sagt Rassweiler.
Allerdings steigen die Chancen auf ein späteres Leben ohne Beeinträchtigungen deutlich, wenn der Krebs in einem sehr frühen Stadium erkannt und Therapiemaßnahmen eingeleitet werden. Weil es kein routinemäßiges Screening zur Früherkennung gibt, müssen Männer selbst Hand anlegen – am besten einmal im Monat, rät die Deutsche Gesellschaft für Urologie.
Neckarsulmer Rugby-Spieler zeigt Hodencheck unter der Dusche

Auch das Video, das die Uroband mit Unterstützung des Rugby-Teams der SUN gedreht hat, setzt bei der Selbstuntersuchung an. In dem humorvollen Clip, in dem ein singender und Mundharmonika spielender Jens Rassweiler mit getönter Sonnenbrille zu sehen ist, zieht Rugby-Spieler Robin Lenk sogar blank und zeigt unter der Dusche – verpixelt – wie der Hodencheck funktioniert. "Ich habe in meinem Team wahrscheinlich zwei, drei Sprüche zu viel gemacht – und irgendwann war ich dann eben dran und habe gesagt, ,okay, ich mach"s"", erzählt der 28-Jährige über die Anbahnung des Drehs.
Der Kontakt sei über die Team-Managerin gekommen, die wiederum einen Draht zu SLK-Medizinern hatte. Lenk hatte keine größeren Probleme damit, sich vor der Kamera auszuziehen, wie er erzählt: "Ich bin nicht besonders schambehaftet – und es liegt ja in der Natur der Sache, dass man das so zeigen muss, wenn es um den Hodencheck geht", erzählt er.
Anspielungen im Musikvideo: Von Rugby-Eiern über Pflaumen
Zu sehen sind auch einige seiner Teamkollegen, singend. Außerdem Fußballspieler, die sich in den Schritt fassen und jede Menge Anspielungen auf die männlichen Hoden – zwei dicke Rugby-Eier oder pralle Pflaumen, die ein Protagonist in seiner Hand hin und her rollt. Wolfgang Köhler hat das Video produziert, man merkt, dass ein Profi am Werk war.

"Ich denke, wir erreichen so genau die Gruppe, die es am meisten betrifft", sagt Rassweiler: junge Männer, die das Thema häufig nicht auf dem Schirm haben, bis sie womöglich selbst betroffen sind. Robin Lenk sagt, er glaube zwar nicht, dass durch das Video nun viele unentdeckte Krebsfälle spontan gefunden würden. Aber er hält das Projekt trotzdem für hilfreich – zum Beispiel, um junge Männer dafür zu sensibilisieren, dass das, was sie möglicherweise einmal bei sich selbst tasten, Krebs sein könnten – und dass sie mit einem solchen Verdacht möglichst schnell zum Arzt gehen sollten. Auch einige seiner jüngeren Teamkollegen seien nach dem Dreh mit Fragen auf ihn zugekommen, erzählt er. In der Mannschaft werde natürlich auch immer noch gewitzelt. Mit dem Endprodukt ist Lenk nun jedenfalls zufrieden: "Das ist gut geworden. Und die Dreharbeiten im Parkhotel waren eine neue Erfahrung für mich."
Männer-Krebsvorsorge-Monat "Movember"
Seit Anfang der 2000er-Jahre gibt es in anglo-amerikanischen Ländern jährlich "Movember"-Veranstaltungen im November, deren Ziel es ist – neben Spenden – Aufmerksamkeit auf die Gesundheit von Männern zu lenken. Primär geht es dabei um die Vorbeugung und bessere Behandlung von Prostata- und Hodenkrebs. Die Bewegung etabliert sich auch in Deutschland.

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