Stimme+
Freiflächen fürs Klima
Lesezeichen setzen Merken

"Erste Küstenmetro Europas": U-Bahn fährt in Rotterdam bis zum Strand

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Statt mit dem Auto geht es mit der U-Bahn ans Meer: Eine neue Metrolinie verbindet die niederländische Großstadt Rotterdam mit dem Ausflugsziel Hoek van Holland. Gibt es solche Bahnstrecken auch in Deutschland?

Urlaubsgefühle beim Verlassen der Station: Der Sandstrand ist nur eine Gehminute von der Metrostation entfernt. Zurück ins Zentrum von Rotterdam geht es in gut 30 Minuten. Foto: RET/ Joan van der Veen
Urlaubsgefühle beim Verlassen der Station: Der Sandstrand ist nur eine Gehminute von der Metrostation entfernt. Zurück ins Zentrum von Rotterdam geht es in gut 30 Minuten. Foto: RET/ Joan van der Veen  Foto: RET

Wer einen Tag am Strand verbringen möchte, belädt in den meisten Urlaubsregionen sein Auto und fährt los - lange Autokolonnen und teures Parken in Strandnähe inbegriffen. Wer von der niederländischen Metropole Rotterdam aus an den Strand will, setzt sich an der Station Blaak im Stadtzentrum in die U-Bahn und fährt in 30 Minuten direkt an den weißen Sandstrand von Hoek van Holland. Formal ist das noch ein Stadtbezirk der zweitgrößten Stadt der Niederlande, bekannt ist Hoek van Holland aber hauptsächlich als Fährhafen.

"Die Metro am Meer ist ein großer Erfolg", schreibt eine Sprecherin der Stadt in einer Mitteilung im Netzwerk Linkedin. Sie bedeute weniger Staus und eine Verbesserung der Lebensqualität für die Anwohner, für die der Verkehr und die parkenden Autos ein echtes Ärgernis waren. Seit der Eröffnung am 31. März haben nach Auskunft der Verkehrsgesellschaft RET über 200.000 Passagiere die Linie B genutzt, die Züge fahren tagsüber im 20-Minuten-Takt zwischen den Endstationen Hoek Strand im Westen und Nesselande. Sie sind neu, sauber und angenehm klimatisiert.

Metro ans Meer erhöht Attraktivität für Touristen

Das Angebot gebe Hoek van Holland einen touristischen Schub in seiner Attraktivität als ganzjähriger Erholungsort am Meer, sagt ein RET-Sprecher. Vor allem aber zahlt die neue Verbindung auf das Verkehrskonzept der Metropole ein - dieses sieht eine deutliche Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs vor.

Nach der Zerstörung durch deutsche Bomben im Zweiten Weltkrieg wurde Rotterdam als autogerechte Stadt wiederaufgebaut. 25 Kilometer Schnellstraßen, breit wie Autobahnen, durchschneiden das gesamte Stadtgebiet. Davon will die boomende Hafenstadt mit ihren rund 600.000 Einwohnern nun weg. Nachverdichtung ist die Losung, statt immer neuer Flächen für Wohnbebauung oder Gewerbe zu verbrauchen. Denn Freiflächen und Parks werden für eine bessere Klimafolgenanpassung dringend gebraucht.


Mehr zum Thema

Der Marktplatz ist an Hitzetagen einer der Hot-Spots in der Stadt. Die Steinflächen heizen sich stark auf und geben in der Nacht die Wärme ab.
Stimme+
Klima
Lesezeichen setzen

Wie Neckarsulm gegen die Hitze in der Stadt vorgehen will


Freiflächen werden für Klimaresilienzprojekte gebraucht

"Aus der Forschung wissen wir, dass die Bewohner von Hochhäusern ihre Wege häufig zu Fuß zurücklegen oder den öffentlichen Nahverkehr nutzen", schreibt eine Sprecherin der Rotterdamer Stadtverwaltung auf Stimme-Anfrage. Deshalb werde bei der Planung für neue Bauprojekte zur Nachverdichtung auch berücksichtigt, wo der Zugang zum ÖPNV besonders gut sei. "Bewohner von Hochhäusern haben häufig gar kein Auto", heißt es weiter. Deshalb gebe es für neuere Gebäude dieses Typs auch keinen festen Stellplatzschlüssel von einem Parkplatz pro Einwohner mehr.

Mit einem exzellenten ÖPNV-Angebot einerseits und ordnungspolitischen Maßnahmen andererseits sollen die Einwohner dazu angeleitet werden, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen. So sind zum Beispiel die Parkgebühren im öffentlichen Raum in den vergangenen Jahren schrittweise erhöht und die Anzahl von Stellplätzen für Autos auf Rotterdams Straßen gesenkt worden. "Früher hat man gedacht, dass die Zahl der Parkplätze mehr Kunden für den Einzelhandel bedeutet. Inzwischen haben Studien das Gegenteil bewiesen", heißt es von der Stadt. "Menschen kommen lieber und bleiben länger, wenn die Umgebung einladend für Fußgänger und Radfahrer ist."

Die Metro ist voll, der Parkplatz für die Autos ist leer

Das neue Gebäude passt sich optisch gut in die Umgebung ein.
Foto: Valerie Blass
Das neue Gebäude passt sich optisch gut in die Umgebung ein. Foto: Valerie Blass  Foto: Blass, Valerie

Was diese Strategie in der Stadt für das Ausflugsziel Hoek van Holland bedeutet, kann man an einem warmen Samstag im Sommer sehen. Alle 20 Minuten spuckt das neue, schicke Metrogebäude aus hellem Stein Dutzende Ausflügler aus: Eltern mit Kinderwagen und Kleinkind an der Hand, Gruppen von Jugendlichen, Rentner mit Picknicktaschen. Grüppchen von Menschen sitzen auf den Treppen vor dem Gebäude, essen, lachen, beobachten das Meer.

Der Parkplatz wenige Meter hinter der Station ist derweil ziemlich leer. Und statt Autofahrern kommen an der Strandpromenade nur Rennradfahrer vorbei. Das Angebot scheint anzukommen.


Mehr zum Thema

Wann und ob die reaktivierte Kochertalbahn am Bahnhof in Künzelsau hält, ist noch unklar. Jetzt geht es erst einmal darum, weitere Prüfungen zu beschließen.
Montage: HZ
Stimme+
Region
Lesezeichen setzen

Alte Bahnstrecken, neu belebt? Das ist der aktuelle Stand


Küstenmetro auch in Deutschland?

Die Verbindung von der City ans Meer sei die "erste Küstenmetro Europas", heißt es begeistert in einschlägigen Eisenbahn-Blogs. Eine Küsten-Straßenbahn haben die Nachbarn in Belgien indes schon lange. Sie verbindet auf 67 Kilometern die Küstenorte Knokke-Heist an der Grenze zu den Niederlanden und De Panne an der französischen Grenze miteinander. Die "Kusttram" ist bereits seit 1885 unterwegs.

Im Nachbarland Deutschland wurden Teile einer historischen Eisenbahnstrecke im Hinterland der Nordseeküste schon vor Jahrzehnten außer Betrieb genommen. Die Ostfriesische Küstenbahn fuhr Ende des 19. Jahrhunderts von Emden über Norden und Wittmund nach Jever. 1983 kam das Aus, statt Personenzügen fuhren nun Busse. Der Abschnitt zwischen Norden und Dornum wird heute noch durch eine Museumsbahn genutzt. Regulärer Personenverkehr findet noch auf dem Ostabschnitt Esens-Wittmund-Jever-Sande-Wilhelmshaven statt. Dort fährt die Nordwestbahn.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben