Kurioser Streit unter Nachbarn – Kräht Gockel Fridolin zu laut und zu früh?
Das Ordnungsamt hat Hühnerhalter Marcus Rudlof wegen dessen Hahn Fridolin einen Hausbesuch abgestattet. Der 50-Jährige empfindet das als lächerlich, denn in Siegelsbach gibt es ganz andere tagtägliche Lärmquellen.

Marcus Rudlof aus Siegelsbach hält seit drei Jahrzehnten Hennen und Hähne bei sich zu Hause im Garten – so wie das in der ländlich geprägten Gemeinde noch bei einigen Einwohnern üblich ist. Doch jetzt hat der 50-Jährige Ärger mit dem Ordnungsamt. Sein Nachwuchshahn Fridolin, sechs Monate alt, müsse nachts in einen schallisolierten Raum, heißt es. Rudlof will das nicht einsehen.
"Durch Siegelsbach fährt ab fünf Uhr morgens der ganze Schwerlastverkehr. Tausende Fahrzeuge pro Tag", sagt er. Und nun störe ein junger Hahn, "weil er um sechs Uhr den Tag begrüßt?". Die Lkws machten um fünf Uhr in der Früh bereits mehr Lärm als sein Hahn den ganzen Tag, schimpft er.
Nachbarn in Siegelsbach haben ein Lärmprotokoll vorgelegt
Siegelsbachs Ordnungsamtsleiterin Daniela Quintana Leiva sagt, Nachbarn hätten sich über die Situation beklagt und ein Lärmprotokoll vorgelegt. Laut diesem Lärmprotokoll kräht Rudlofs Hahn bereits ab vier Uhr in der Früh. "Ich habe handeln müssen", erklärt Quintana Leiva ihre Sicht auf das Geschehen. Und sie schaue lieber bei jemandem vorbei und erkläre ihr Vorgehen anstatt einen Brief zu schreiben.
Sie verweist auf die Rechtslage und bezieht sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Frankfurt an der Oder von Oktober 2022. Das Krähen eines Hahns zur Nachtzeit müsse nicht hingenommen werden, befand das Gericht. Frühestens ab sechs Uhr morgens dürfe er krähen. Krähe er früher, müsse er in einen schallisolierten Stall gesperrt werden. Eine Anwohnerin aus einer Kleinstadt in Brandenburg hatte geklagt.
Nachbar in Siegelsbach ist Schichtarbeiter
Von Nachbarn in Siegelsbach, die ein Problem mit seinem Hahn haben, wisse er nichts, sagt Rudlof. Doch der "Beschwerdeführer" ist nicht schwer zu finden. Er lebt nebenan und möchte namentlich nicht genannt werden. Er arbeite Schicht und könne nachts nicht schlafen wegen des Hahns, sagt der Mann. "Das alles ist eine Frechheit." Es sei ihm eigentlich egal, wie das Problem gelöst werde – klar sei, dass es so nicht gehe. Seine Mutter habe Rudlof vor einigen Wochen auf die Lärmbelästigung angesprochen, dieser habe aber nicht reagiert.
Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße urteilte dagegen bereits 2017, dass in einem reinen Dorfgebiet das Krähen eines Hahns hingenommen werden muss. Ein reines Dorfgebiet ist ein Baugebiet, in dem auch Land- und Forstwirtschaft zulässig ist. Wer hier wohnt, hat Immissionen landwirtschaftlicher Betriebe hinzunehmen. Rudlofs Grundstück befinde sich knapp außerhalb eines solchen reinen Dorfgebiets, sagt Ordnungsamtsleiterin Quintana Leiva.
Menschen in Siegelsbach haben andere Lärmprobleme
Marcus Rudlof und sein Nachbar Reinhard Mader, der ebenfalls Hühner im Garten hält, stehen an der Hauptstraße, während der Schwerlastverkehr passiert. Wenn ein Lkw vorbeifährt, ist kaum ein Wort zu verstehen. Hier ist 30er-Zone, Lärmschutz. Das Hühnergehege von Rudlof ist fünf Meter entfernt. Nachbarin Renate Eckert von gegenüber sagt: "Der Hahn stört mich nicht. Mit dem Verkehr hier habe ich viel mehr ein Problem." Ein weiterer Nachbar hörte Rudlofs Hahn auch schon um 4.30 Uhr krähen, hat aber ebenfalls kein Problem damit.

Um dem Ordnungsamt Folge zu leisten, hat Rudlof den Hahn Fridolin nun vorübergehend zu seinen Nachbarn Marina und Reinhard Mader "in Quarantäne" übergeben. Maders verfügen über eine schalldichte Holzhütte für ihre Hühner. Die Beschwerde des Ordnungsamts können aber auch sie nicht nachvollziehen. Zahlreiche Menschen in der Nachbarschaft hielten Hennen und Hähne. "Die Kirchenglocken läuten auch", sagt Marina Mader.
Ordnungsamtsleiterin Quintana Leiva berichtet, im vergangenen Jahr habe es bereits einen ähnlichen Fall in Siegelsbach gegeben. Auch damals sei sie zum Halter eines Hahns und habe ihm die Beschwerde über Lärmbelästigung geschildert. Dieser habe sich verständnisvoll gezeigt und den Hahn daraufhin nachts in einem schalldichten Stall untergebracht. Sollten weiterhin Beschwerden über das Hahnenkrähen eingehen und die Problematik nicht gelöst werden können, werde der Vorgang an das übergeordnete Ordnungsamt in Bad Rappenau weitergegeben. Dort habe man dann gegebenenfalls über ein Verwarngeld zu entschieden.



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