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Juni-Flut
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Vom Starkregen überrascht: Das Hochwasser 2024 im Hohenlohekreis

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Das erste Juni-Wochenende 2024 bringt stellenweise in der Region über 100 Liter Regen mit sich. Zuviel für die Kanäle, Keller laufen voll, auf Wiesen sammelt sich Schrott und Unrat. Was seither passiert ist.


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Es ist der 2. Juni 2024, kurz vor der Mittagszeit. Ein kühler Sonntag. Heftiger Regen setzt ein. Zwei Straßen im kleinen Bretzfelder Teilort Weißlensburg verwandeln sich in braune Sturzbäche. Zuckerrüben und gemähtes Gras werden mitgeschwemmt. Das Wasser sammelt sich kniehoch zwischen mehreren Häusern. Keller laufen voll. Bis sich das Wetter beruhigt hat, bleibt nichts als zusehen. Erst dann können Feuerwehr und Nachbarn mit Traktoren, aber auch mit Schaufel und Besen beginnen, Wasser und Schlamm zu beseitigen.

Als die ersten Keller halbwegs vom Dreck befreit sind, schüttet es ein zweites Mal. Wieder laufen Keller voll. Das Putzen geht in die zweite Runde. Wenige Tage zuvor, am 17. und 18. Mai, hatte es nur einige Kilometer entfernt in Schwabbach 108 Liter auf den Quadratmeter geregnet. Auch das war zu viel für die Kanäle. Bei der Tagung des Hochwasserverbands Neuenstadter Brettach diesen Monat im Bretzfelder Rathaus zeigt der Blick in die Statistik: Die Niederschlagsmengen haben sich an den beiden Starkregentagen in der Region höchst unterschiedlich verteilt.


Heftiger Starkregen in Bretzfeld setzt Straßen unter Wasser und Keller unter Schlamm

Zu viel Regen hat auch das Kochertal abbekommen und speziell der Siloturm, den der Künzelsauer Architekt Erhard Demuth mit seiner Frau 2019 erworben und zum Büro, Privathaus und Wohnsitz einer weiteren Familie umgebaut hatte. Der Keller lief komplett voll. Die neue Pelletheizung war nur noch Schrott. Diesen Schaden hat die Versicherung gleich übernommen, berichtet Demuth. Es waren rund 60.000 Euro. Dem folgte allerdings noch mehr. Denn: Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass auch die Dämmung unter dem Estrich beschädigt, Schimmel entstanden war. Wie hoch der Schaden dort war, weiß Demuth nicht. Die Firma habe direkt mit der Versicherung abgerechnet.

Der Architekt kann aber gut Handwerkerleistung einschätzen und beziffert den Aufwand mit rund 100.000 Euro. Gut war: Da eine Wohnung im Siloturm noch nicht vermietet war, konnten dort Möbel untergestellt werden, musste kein Container angemietet werden. Erst vor zwei Wochen konnten die Möbel eine Etage tiefer gebracht und aufgebaut werden. „Und die Wohnung jetzt erst, mit ein Jahr Verspätung, vermietet werden.“ Demuth weiß nun, wo sich das Wasser seinen Weg suchen kann. Er hat von innen weiter abgedichtet und eine Spundwand installieren lassen, die künftigem Wasser den Einlass erschweren soll.

Mit schwerem Gerät, aber auch Besen und Schaufeln wird nach dem Starkregen in Weißlensburg aufgeräumt.
Mit schwerem Gerät, aber auch Besen und Schaufeln wird nach dem Starkregen in Weißlensburg aufgeräumt.  Foto: Tscherwitschke, Yvonne

Psychische Belastung durch Unwetter: Betroffene kämpfen mit den Folgen des Starkregens

Wie reagiert man nach so einem Erlebnis auf starken Regen? Seine Frau sei nach der Situation völlig fertig gewesen. „Ich sehe es fatalistischer“, bemüht sich Demuth um Gelassenheit. Wie ihm ging es laut Feuerwehr an jenem ersten Juni-Wochenende weiteren Menschen. Allein im Hohenlohekreis liefen 50 Keller voll.

Das Forchtenberger Teehaus als Wasserschloss im Juni 2024: Leider kein seltener Anblick, denn das historische Häuschen hat schon viele Hochwasser erlebt.
Das Forchtenberger Teehaus als Wasserschloss im Juni 2024: Leider kein seltener Anblick, denn das historische Häuschen hat schon viele Hochwasser erlebt.  Foto: Ludwig, Tamara

Manchmal helfen kleinere bauliche Maßnahmen. Städte und Gemeinden sind aber gefordert, Konzepte zum Schutz vor Hochwasser und vor Starkregen zu erarbeiten. Wer ein Starkregenkonzept in Auftrag gegeben hat, kann die Baumaßnahmen, die sich daraus ableiten, vom Land gefördert bekommen. Die Gemeinde Bretzfeld hat sich schon vor 40 Jahren mit anderen Gemeinden entlang der Brettach zusammen geschlossen, um gemeinsam ein Hochwasserschutzkonzept zu planen und zu bauen. 1,1 Millionen Kubikmeter Wasser halten die bereits gebauten Rückhaltebecken auf Bretzfelder Gemarkung. Jetzt geht es an die Planung und Umsetzung des bisher größten (und umstrittenen) Beckens mit 80.000 Kubik zwischen Langenbrettach und Brettach. Bretzfeld möchte auch ein Starkregenkonzept für die gesamte Gemeinde erarbeiten.

Schutz durch Planung: Bretzfeld setzt auf Hochwasser- und Starkregenkonzepte

„Wir haben aber gerade nicht das Personal dafür“, bedauert Bürgermeister Martin Piott. Kleinere Maßnahmen wie Mulden in Wiesen bei Schwabbach und ein seit langem geplanter kleiner Damm bei Weißlensburg werden aber trotzdem umgesetzt. 1100 Kubikliter Wasser soll der kleine Damm oberhalb der Ortslage Weißlensburg einstauen können. Die Bauarbeiten dafür soll der Gemeinderat kommende Woche beauftragen.

Die Fußwege rund um den Öhringer Hofgarten sind geflutet.
Die Fußwege rund um den Öhringer Hofgarten sind geflutet.  Foto: Väisänen

Letzte Schätzungen gingen von rund 260.000 Euro aus. Für den Damm werden Flächen eines Landwirts gebraucht. Bei Hochwasser wird immer an Schäden von Gebäuden und Menschen gedacht. Die Landwirtschaft ist aber auch direkt betroffen. Denn das Wasser bringt Müll und Dreck auf Äcker und Wiesen.

Landwirtschaft leidet unter angeschwemmtem Müll und ungeklärten Kosten

 Jürgen Maurer, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Hall-Hohenlohe-Rems bekam vergangenen Juni Rückmeldungen von Landwirten, die den angeschwemmten Müll einsammeln und fachgerecht entsorgen mussten. Maurer betont: Der angeschwemmte Müll war Allgemeingut, der von manchen Menschen achtlos in der Landschaft „entsorgt“ wurde. Durch den Starkregen und mancherorts das Hochwasser wurde er in der Landschaft und auf landwirtschaftlichen Flächen verteilt.

Auf dem Bieringer Sportgelände ist ein Kanufahrer unterwegs und nutzt den See, den die Jagst dort gebildet hat.
Fotos: Tamara Ludwig
Auf dem Bieringer Sportgelände ist ein Kanufahrer unterwegs und nutzt den See, den die Jagst dort gebildet hat. Fotos: Tamara Ludwig  Foto: Ludwig, Tamara

„Die Betriebsleiterfamilien haben daraufhin mit größter Sorgfalt das Überschwemmungsland von Müll und Unrat gereinigt, damit kein Tier Plastik fressen konnte und so hätte leiden müssen“, sagt Maurer. Die dabei entstandenen Kosten können je nach Betriebsgröße zwischen mehreren Tausend Euro bis zu mehreren Zehntausend Euro liegen. Ernteausfallversicherungen gebe es bislang nur für verschiedene Ackerkulturen, maximal noch den Anbau von Grassamen zur Vermehrung. Für Grünland fehlen solche Versicherungen gegen Extremwetterereignisse bislang, bedauert der Bauernverband.

Vorbeugen statt aufräumen: Landwirte und Kommunen setzen auf Erosionsschutz

Besser als Schäden beseitigen ist Schäden vermeiden. Die Landwirtschaft leiste ihren Beitrag zur Abmilderung von Starkregenschäden durch nachhaltige Bewirtschaftung und Erosionsminderung, zum Beispiel durch Bewirtschaftung quer zum Hang, sagt Sprecher David Benzin. Auch eine möglichst dauerhafte Bodenbedeckung mit Pflanzen sei gut. Die Kommunen könnten mit sparsamer Versiegelung von Flächen ebenfalls einen Beitrag leisten. „Wir brauchen intelligente Lösungen, um aufkommende Wassermengen effizient aufzufangen“, sagt David Benzin.

 

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