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Probleme bei Versorgung kranker Kinder: Mutter berichtet über Überlastung bei Rettungsdienst und Praxen

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Eine Mutter aus Kirchensall schildert, wie sie die Überlastung der Rettungsdienste und der Praxen erlebt hat. Nach einer Odyssee teilten ihr die Ärzte mit, ihr Sohn sei kurz davor gewesen, ins Koma zu fallen.

Der Rettungsdienst nahm das Kind nicht mit.
Foto: Archiv/Mugler
Der Rettungsdienst nahm das Kind nicht mit. Foto: Archiv/Mugler  Foto: Mugler

Das Grippevirus ist allgegenwärtig. Meldungen über überfüllte Krankenhaus-Stationen, lange Wartezeiten in der Notaufnahme, volle Kinderarztpraxen und nicht verfügbare Medikamente machen die Runde.

Dramatische Entwicklung

Wie dramatisch sich die Situation auswirken kann, das hat Jessica Hartl (35) die vergangenen Tage am eigenen Leib erfahren. Oder vielmehr an dem ihres Sohnes. Der ist elf Jahre alt und kam vorletzten Donnerstag am Nachmittag mit 40 Grad Fieber nach Hause. Der Husten wurde immer extremer. Das Fieber ließ sich nicht kontrollieren. Dabei war Jessica Hartl selbst in der Pflege und weiß, was zu tun ist. Freitagnachmittag sei sie irgendwann mal in der Kinderarztpraxis durchgekommen ("Meist braucht man mehr als 72 Versuche"). Dort wurde sie wegen der Uhrzeit an den kinderärztlichen Notdienst in einer Gemeinschaftspraxis in Forchtenberg verwiesen.

Volle Notdienstpraxis

Dass sie dort lange warten musste, das Kind vor Erschöpfung einschlief, das kann sie gut verstehen. Die Praxis sei voll gewesen. Bei ihrem Sohn wurde eine Virusinfektion diagnostiziert. Es gab ein Rezept für Hustentropfen und Fiebersaft. Erst habe er die Medikamente genommen, dann aber nichts mehr bei sich behalten und sogar Tee erbrochen, schildert Jessica Hartl. Die Kinderarztpraxis habe geraten, Womox in der Apotheke zu holen. Das habe nicht geholfen. Das Kind sei immer mehr dehydriert. Als sie wieder Rat holte, hieß es, sie solle 116117 anrufen. "Über eine Stunde hingen wir in der Warteschleife", sagt Jessica Hartl. Mit zwei kranken Kindern - auch die zwei Jahre alte Tochter ist zwischenzeitlich angesteckt - kein Vergnügen.


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Werte alarmierend

Die Dame, die Jessica Hartl schließlich am Telefon hatte, ließ sie die Werte überprüfen. Der Blutdruck, so Jessica Hartl, lag bei 65 zu 45. Also extrem niedrig. Der Puls war bei 130. Bei diesen Werten, so die Anweisung, solle sie das Kind gleich ins Krankenhaus bringen. Das habe sie versucht, das Kind sei aber auf dem Weg zum Auto zusammengebrochen. In ihrer ersten Verzweiflung habe sie bei der ASB-Rettungswache, die an ihrem Heimatort Kirchensall stationiert ist, angerufen, ob die einen Transport ermöglichen können.


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Warten auf den Rettungsdienst

"Die waren aber unterwegs." Deshalb hat sie dann die 112, den Notruf, gewählt. "Es dauerte eine halbe Stunde, bis die da waren", schildert Jesscia Hartl. Die Sanitäter hätten sie angewiesen, das Kind an der Treppe abzusetzen. Erneut wurde Blutdruck gemessen, der nun bei 80 zu 60 war. "Und es hieß, ich soll das Kind selber ins Diak nach Hall fahren. Sie melden uns in der Notaufnahme an."

Riskante Fahrt

Alleine mit einem womöglich kollabierenden Kind im Auto habe sie sich nicht wohlgefühlt. Eine Alternative hätte es trotz Bitten nicht gegeben. Um 21.45 Uhr waren sie in der Notaufnahme. Die Blutwerte seien so schlecht gewesen, dass die Ärzte ihr sagten, ihr Sohn sei kurz davor gewesen, ins Koma zu fallen, erinnert sich die Mutter. Um drei Uhr nachts lag der Junge in einem Krankenhausbett, am nächsten Tag auf der Intensivstation.

Kind um acht Kilo abgemagert

Dort liegt das mittlerweile um acht Kilogramm abgemagerte Kind noch immer, könne nichts bei sich behalten. "Und trotzdem heißt es, dass er nach Hause muss", wendete sich die Mutter am gestrigen Dienstag verzweifelt an die HZ. "Dabei ist es gerade sogar fast unmöglich, Medikamente zu bekommen. In der Neuensteiner Apotheke gibt es keinen Fiebersaft."


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Was wäre wenn?

Das Deutsche Rote Kreuz hat den Vorgang auf Nachfrage am Dienstag nicht kommentiert. Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, die für die Rettungsdienste nicht zuständig ist, erklärt, dass der Rettungsdienst letztendlich selbst entscheiden müsse, ob für den Patienten ein Rettungstransport erforderlich sei - und gegebenenfalls dann die Haftung dafür übernehmen müsse.

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