Was der weltgrößte Netzbooster in Kupferzell leisten soll
Die geplante 250-Megawatt-Riesenbatterie und ihre zwei deutschen Pendants sind als Vorreiter für die Stromversorgung der Zukunft konzipiert: Die Pilotprojekte sollen gleich mehrere mit der Energiewende verbundene Herausforderungen lösen helfen. Welche sind das genau?

Die aktuelle Energiekrise macht es unerbittlich jedem klar: Fossile Quellen sind teuer, umweltschädlich und knapp – und ein stabiles Stromnetz ist in einem Hochindustrieland sprichwörtlich lebensnotwendig. Doch die Leitungs-Infrastruktur steht durch die Transformation im Zuge der Energiewende vor Herausforderungen. Denn bereits jetzt ist das Stromnetz stark ausgelastet – und die Lastflüsse zunehmend instabil und schwankend.
Das hat Folgen: Die Betreiber müssen immer häufiger eingreifen, um Leitungen vor Überlastung zu schützen. Durch die zunehmende Zahl an Windrädern und Solarparks können Ungleichgewichte im Netz häufiger auftreten – weil sich Wind und Sonne eben nicht planen lassen.
Dies wird sich künftig noch intensivieren: Damit die Transformation in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gelingen und der im Norden Deutschlands generierte Ökostrom nach Süden – wo die verbrauchshungrige Industrie angesiedelt ist – transportiert werden kann, muss die drohende Überlastung einzelner Leitungsabschnitte verhindert und das Gleichgewicht im Netz gesichert werden.
Änderungen im Strom-Fahrplan
Derzeit sind laut Angaben des Booster-Projektierers Transnet BW Leitungen bereits unter ihrer eigentlichen Kapazitätsgrenze ausgelastet und es werden sogenannte Redispatch-Maßnahmen notwendig. Simpel erklärt ist das eine Änderung des „Strom-Fahrplans“: Im Süden müssen dann Ersatzkraftwerke angeworfen und im Norden welche zurückgefahren werden. Unlängst hat etwa auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Zuge der Diskussion um die Verlängerung der AKW-Laufzeiten und die Lieferengpässe aus Frankreich neuerlich auf dieses Phänomen hingewiesen und die Wichtigkeit dieses Redispatch für den Erhalts der Netzstabilität betont, um Blackouts ausschließen zu können.
Die steigenden Kosten für diese Eingriffe werden auf den ohnehin hohen Verbraucher-Strompreis umgelegt – wenngleich laut Statistik des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) im Bereich der Regelzone von TransnetBW hierfür in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den anderen Netzbetreibern noch die geringsten Kosten entstanden sind und die Bundesregierung nun erstmals mit einem Zuschuss helfen möchte. Für Stromtransport und auch Stromhandel – im seit nun 25 Jahren liberalisierten gesamteuropäischen Markt – ist aber künftig auch der Bau neuer und unpopulärer Stromtrassen nötig, der nur schleppend anläuft.
Netzbooster soll helfen
Alle geschilderten problematischen Aspekte – drohende Netzüberlastung, massiven Leitungsausbau und weiteren Strompreis-Anstieg – sollen Pilotprojekte wie der Kupferzeller 250-Megawatt-Booster reduzieren helfen: Die vier großen deutschen Netzbetreiber haben das entsprechende Konzept gemeinsam vorangetrieben und auf die Anforderungen des deutschen Strommarktes zugeschnitten. Der große Vorteil laut Transnet: Booster seien schneller realisierbar als der Leitungsausbau und zögen einen „geringeren Eingriff in die Umwelt“ nach sich. Bewähren sich die insgesamt drei von der Bundesnetzagentur nunmehr bestätigten Modellprojekte, könnte das Prinzip frühestens ab 2030 flächendeckend in ganz Deutschland zum Einsatz kommen.
Die Funktionsweise: Netzbooster schießen im Störfall blitzschnell – der Startvorgang läuft innerhalb von Millisekunden – hinter dem Engpass der überlasteten Leitung für die Dauer von ein bis zwei Stunden Reserve-Energie ins Netz.
So können laut Transnet „präventive Schutzmaßnahmen wie die Geringauslastung von Netzen oder Redispatch-Maßnahmen teilweise ersetzt“ und das Stromnetz entlastet und effektiver ausgenutzt werden.
Aktuell weltweit größtes Projekt dieser Art
Die in Kupferzell geplante Anlage ist qua Aussage des jüngst ernannten Generalunternehmers Fluence Energy das aktuell weltweit größte diesbezügliche Projekt. Aber auch der Netzbetreiber Tennet plant im bayerischen Ottenhofen (Landkreis Erding) eine solche Riesenbatterie, die mit 100 Megawatt allerdings deutlich kleiner bemessen ist. Das dritte deutsche Batteriespeicher-Pilotprojekt soll in Osterrönfeld (Schleswig-Holstein) entstehen.
Warum sowohl Transnet als auch Tennet ihre Booster weder selbst bauen noch betreiben werden? Dies hat bei Kritikern für Spekulationen gesorgt. Der Grund ist schlicht ein juristischer: Das Energiewirtschaftsgesetz und die europäische Binnenmarktrichtlinie untersagen laut Bundesnetzagentur den Netzbetreibern ebendies getreu der in nationales Recht umgesetzten EU-Entflechtungsvorgaben.