Tierärzte schaffen neues Modell für Notdienst in Heilbronn und Hohenlohe
Weite Fahrt mit krankem Tier? Mediziner sehen anhand von Patientenaufkommen und Praxissterben keinen anderen Ausweg.

Viele Tierbesitzer erschrecken beim Blick auf die neu geordnete tierärztlichen Notversorgung in Heilbronn und Hohenlohe. Bei genauerem Hinsehen wird aber deutlich: Nur so können kranke Tiere auch nach Feierabend langfristig noch versorgt werden.
Über zentrale Nummer zur zuständigen Praxis
Sabine Lehmann ist Tierärztin in der Tierarztpraxis in Öhringen-Cappel und hat neben fünf anderen Ärzten den neuen Plan mitentwickelt. Sie erklärt, wie er funktioniert: Der Hohenloher Notdienst wird seit 10. April in den Heilbronner Notdienst integriert. Das bedeutet: Wer am Wochenende und nach den Sprechzeiten am Tag einen Tierarzt braucht, wählt eine zentrale Nummer und wird dann zur zuständigen Praxis verwiesen. Der Tierbesitzer fährt aber nicht mehr ins Kleintierzentrum nach Heilbronn, wie es bislang unter der Woche der Fall war.
Je nachdem, wer Dienst hat, kann es ein weiter Weg sein. Die beteiligten Praxen haben ihren Sitz zwischen Schwäbisch Hall und Sinsheim, erklärt der Heilbronner Tierarzt und Geschäftsführer des AniCura Kleintierzentrums in Heilbronn, Joachim Fritz. Sein Zentrum ist eine der wenigen Praxen, die noch einen 24-Stunden-Notdienst hatte. Klinikstatus hat auch seine Praxis nicht mehr, wie die meisten anderen auch. Anfang 2000 waren es noch vier Kliniken im Heilbronner Raum. Die Mitarbeiter dort seien schon in den letzten Jahren und vor allem 2021 immer mehr an ihre Belastungsgrenze gestoßen. "So waren wir bei der Versorgung der Notfälle gezwungen, eine Priorisierung in der Behandlung nach Dringlichkeit durchzuführen", so Fritz. Wartezeiten, selbst in der Nacht, von bis zu sechs Stunden seien für Patienten und vor allem für Mitarbeiter nicht mehr machbar.
Mehr Patienten verteilen sich auf weniger Praxen
Warum ist das Aufkommen so groß? Grund sei zum einen die steigende Anzahl von Patienten verteilt auf immer weniger Praxen. Gerade in den Pandemiejahren hätten sich mehr Menschen Haustiere angeschafft. Zum Teil seien es monatlich bis zu 100 Neukunden gewesen, erklärt Sabine Lehmann. Kamen vor einigen Jahren vielleicht 40 Patienten pro Tag auf einen Tierarzt, seien es derzeit zum Teil 80.
Dazu komme: Das Tier wird zum Familienmitglied. "Da spielen Emotionen natürlich eine große Rolle", meint Lehmann verständnisvoll. Zudem sei die Anspruchshaltung der Besitzer besonders in den letzten Jahren enorm gestiegen. "Viele investieren viel Zeit und auch Geld in ihr Tier." Die Zahl der Bagatellfälle, vor allem nachts habe stark zugenommen. "Viele wollen jede Zecke sofort behandelt haben", ergänzt Lehmann. Tierärzte würden mehr als Dienstleister gesehen. Man habe beobachtet, dass mindestens 75 Prozent keine Notfälle waren.
Echte Notfälle
Nun habe man auch die Hoffnung, dass nur noch echte Notfälle die Wege in Kauf nehmen. Sicher, ergänzt Lehmann, sei es keine gute Lösung für Notfälle, die schnell Hilfe benötigen. Diese Zahl sei jedoch glücklicherweise sehr gering. Insgesamt beteiligen sich rund 40 Praxen an dem Notdienstring. Damit wird die Arbeit auf mehr Schultern als früher verteilt. Unterm Stich habe man nun etwas weniger Dienste als bisher, so Lehmann. Bislang galt der Notdienstplan für Tierarztpraxen an den Wochenenden.
Deutschlandweit schließen immer mehr Tierkliniken. Deutschlandweit organisieren sich viele Kreise mit dieser Nummer. Das Projekt aus Hohenlohe gibt es zum Beispiel auch in Schleswig-Holstein. "Eine ideale Lösung" sei es laut Lehmann nicht. Dennoch könne man nur so einem kompletten Zusammenbruch des Systems entgegenwirken.




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