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Kreistagssitzung in Künzelsau
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Theater um Kochertalbahn: Beste Unterhaltung ganz ohne Eintritt

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Kreistagssitzungen sind dröge und langweilig? Weit gefehlt, wie das jüngste Spektakel um die Reaktivierung der Kochertalbahn zeigt. Eine heitere Betrachtung.

Tische rücken für das große Schauspiel: Auch die Hauptdarsteller Achim Beck (Zweiter von links) und Rainer Züfle (rechts) legen kräftig Hand an.
Tische rücken für das große Schauspiel: Auch die Hauptdarsteller Achim Beck (Zweiter von links) und Rainer Züfle (rechts) legen kräftig Hand an.  Foto: Reichert, Ralf

Der Unterhaltungswert von Kreistagssitzungen hält sich in der Regel in Grenzen - nicht so beim Thema Kochertalbahn. Hier toppt ein Akt den nächsten. Und seitdem der Landrat den Zwist um die Reaktivierung mit Werken von Shakespeare verglichen hat, ist das natürlich ein gefundenes Fressen, auch das jüngste "Spektakel" (O-Ton Neth) dahingehend zu betrachten.

Kreistagssitzung in Künzelsau: Theaterreifes Stück zwischen Drama, Tragödie und Komödie

In der Tat ist es erneut ein theaterreifes Stück, irgendwo zwischen Drama, Tragödie und Komödie. Vielleicht sollte Achim Beck, der Fraktionschef der Freien Wähler, mit seiner Idee noch energischer hausieren gehen, "am Eingang 16 Euro Eintritt zu verlangen". Die Besucher kämen sicher auf ihre Kosten, und der Kreis hätte ohne viel Tamtam jene 1,6 Millionen Euro in der Tasche, die er nun für die so umstrittene Standardisierte Bewertung samt Infrastrukturplanung ausgeben muss. Nur müsste der Kreis dafür eine Arena bauen, die 100.000 Besucher und damit einen Großteil der Kreisbevölkerung fasst. Oder aber er müsste diese Hauptaufführung in 200 Akte splitten, wenn man das Fassungsvermögen einer durchschnittlichen Sporthalle mit 500 Plätzen zum Maßstab nimmt.

 


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Auftakt dramaturgisch perfekt gewählt, doch dann regt sich Widerstand

Doch richten wir unsere Aufmerksamkeit nun voll und ganz auf jenes Schauspiel, das den etwa 50 Besuchern an diesem Mittwoch in der Künzelsauer Stadthalle ganz umsonst geboten wurde. Und betrachten es vom Anfang bis zum Ende. Der kuriose Auftakt, er ist dramaturgisch perfekt gewählt. Eigentlich sollten die Damen und Herren Kreisräte nur auf eng aneinandergestellten Stühlen Platz nehmen - so wie die Gemeinderäte von Künzelsau, Kupferzell und Waldenburg direkt zuvor, als sie über den aktuellen Stand informiert wurden.

Dann aber regt sich plötzlich Widerstand: "Wir haben aus den Fraktionen einige Rückmeldungen, dass diese Sitzung nicht ohne Tische stattfinden kann", ruft der Landrat in die Runde. Doch wen man auch fragt, der zuckt mit den Schultern. Bis CDU-Kreisrat Stefan Neumann kopfschüttelnd erklärt: "Nur die Freien Wähler wollten das, und da auch nicht alle." Jene Freien Wähler also, die bald schweres Geschütz auffahren gegen die Reaktivierung der Bahn und am Ende fast geschlossen dagegen stimmen. Doch gesagt, getan: Also schleppt man fraktionsübergreifend Tische heran und rückt die Bühne nach dem Willen der FWV zurecht.

 


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Gleich neun Hohenloher Kreisräte fehlen

Dann stellt sich heraus, dass gleich neun Kreisräte fehlen. Und einer munkelt: Wenn das hier und da mal nicht Taktik ist. Nun zu den Hauptdarstellern: Landrat Neth meistert seine Rolle souverän. Während zwei Nachwuchshoffnungen zeigen, was in ihnen steckt. Zunächst schreitet CDU-Fraktionschef Michael Foss ans Rednerpult, um sofort klarzustellen, dass er dies nicht tue, weil er Landrat werden wolle. Achim Beck, der so fesche wie forsche FWV-Häuptling,tut es ihm später nicht gleich, sondern platziert sich inmitten des Gremiums, um den Befürwortern die Leviten zu lesen. Und er sagt bei dieser Gelegenheit auch nicht, dass er nicht vorhabe, Landrat zu werden.

Dann, als alle Fraktionen ihre Speerspitzen aufgeboten hatten, reckt Foss beide Fäuste nach oben: ein Antrag zur Geschäftsordnung. Man möge die Debatte bitte beenden. Aber seine Forderung wird knapp abgelehnt, was ganz im Sinne Becks war, der andernfalls einen "Tritt gegen die Demokratie" verspürt hätte. Und so tritt einer nach dem anderen nach vorn, und sie reden und reden und reden. Was zwar mitunter dramatisch klingt, die Handlung aber nicht immer stringent nach vorne treibt. Bis Achim Beck den erlösenden Einfall hat: Er beantragt, geheim abstimmen zu lassen, wegen all der Emotionen. Doch auch daraus wird nichts.

 


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Der Höhepunkt der Kreistagssitzung naht: die Abstimmung

So steuert das Stück seinem Höhepunkt entgegen: der Abstimmung, in aller Öffentlichkeit. Und als der Autor dieser Zeilen seine Kamera zückt, ist es dem FWV-Kreisrat Jochen Kienzle ganz mulmig zumute, und er insistiert: Darf er das, hier so einfach fotografieren? Der Landrat schmunzelt, blickt zum xten-mal in die Geschäftsordnung, und zitiert: Er darf das, wenn er die Sitzung nicht stört. Was er dann mit dem möglichst leisen Auslösen seines Apparats hoffentlich beherzigt hat. Dann stimmen sie ab: Die CDU (außer dem ewigen Bruddler Rolf Weibler) mit der AfD (ja, ja, das gibt es in der Kommunalpolitik längst, liebe Merz-Kritiker) und mit den Grünen (größter natürlicher Feind der AfD) für die weiteren Prüfungen: Was für ein Plot! Die Freien Wähler senken daraufhin die Köpfe.

Der gefallene Held begehrt noch einmal final auf

Doch so ganz will sich einer noch nicht geschlagen geben, der diese Vorführung erst möglich gemacht hatte, indem er mit einer juristischen Volte dafür gesorgt hat, dass der Punkt am 26. Juni gar nicht beraten und beschlossen wurde: Rainer Züfle. Er will unbedingt das letzte Wort haben, das ihm der Landrat prompt gewährt. Er wolle, dass dezidiert vermerkt werde, dass er gegen diesen, wie er vorher meinte, "ökonomischen und ökologischen Nonsens" gestimmt habe – "damit das nachfolgende Generationen auch noch lesen können". Der tragische Held, der final aufbegehrt – was für ein Ende, Shakespeare hätte es nicht besser hingekriegt. Und das Beste ist: Fortsetzung folgt. Im Zeitalter der Serien heißt das dann wohl: Die nächsten Staffeln sind schon bestellt.

Freuen wir also auf weitere "Spektakel" und beste Unterhaltung. Ob mit oder ohne Eintritt.

 

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