So schmeckt es im neuen Crossover-Restaurant Kleinod in Öhringen
Hohenlohe trifft Anatolien - so könnte man die Ausrichtung des neuen Restaurants Kleinod beschreiben. Serkan Güzelcoban möchte mit dem Restaurant in der ehemaligen Orangerie im Öhringer Hofgarten wieder nach dem Michelin-Stern greifen. Kann er seinen hohen Anspruch halten?

Mit seinem kulinarischen Crossover aus Orient und Okzident hat er im November 2014 im Restaurant Handicap den ersten Stern nach Künzelsau geholt und ihn ein Jahr später bestätigt. Das war umso bemerkenswerter, als Serkan Güzelcoban in Küche und Service mit gehandicapten Menschen zusammenarbeitete und Sterneküche mit sozialer Verantwortung verband.
Überraschend verließ er im Sommer 2016 das Handicap, um sich mit gewohnt hoher Schlagzahl neuen Projekten zu widmen. Im Öhringer Ö-Center eröffnete er im Dezember 2016 die Bistronomie Schöner Hirte, im März 2017 das Restaurant Filiae.
Seit vier Wochen ist nun Güzelcobans neues Restaurant Kleinod in der ehemaligen Orangerie im Öhringer Hofgarten geöffnet und – wie er sagt - „sehr gut angelaufen“. Was bietet das Kleinod den Gästen? Kann Güzelcoban seinen hohen Anspruch halten? Ist er vielleicht schon bald Kandidat für den ersten Stern in Öhringen?
Ambiente: zeitlos, schlicht und licht

Noch ist Güzelcoban in seiner Küche Einzelkämpfer, was bei Komplexität und Vielfalt seiner Gerichte keine leichte Aufgabe ist. In Kürze wird ihn jedoch ein Kollege mit Hör-Handicap unterstützen, der bereits im Künzelsauer Handicap mit ihm zusammengearbeitet hatte. Im Service arbeitet bereits eine Mitarbeiterin mit Handicap, die von Restaurantleiter Panagiotis Adiopoulos gerade eingearbeitet wird und bereits einen recht guten Job macht.
Klar, auch der Guide Michelin hat Güzelcobans neues Öhringer Gourmet-Baby beobachtet. Bereits eine Woche nach der Eröffnung war ein Michelin-Inspektor zum Testessen vor Ort. Kurz vor knapp, denn im September ist beim Guide Michelin Redaktionsschluss. „Ich habe ein grundsätzlich gutes Gefühl, er hat sich im anschließenden Gespräch recht positiv geäußert“, sagt Güzelcoban. „Es wäre durchaus möglich, genauso aber auch nicht“, schätzt er seine Chancen ein, fürs Kleinod den ersten Stern nach Öhringen zu holen.
Die Karte: Hundert Prozent Serkan

„Der Gast muss schmecken, da ist hundert Prozent Serkan drin“, sagt der Küchenchef über seine alle acht Wochen wechselnde Karte. Sprich: „Hohenlohe trifft Anatolien“. Unter diesem Motto hat der Gast die Wahl zwischen drei Vorspeisen (16 bis 19 Euro), zwei Zwischengerichten (18, 22 Euro), vier Hauptgerichten, darunter ein vegetarisches (26 bis 33 Euro), einem Käse-Gang (14 Euro) und zwei Desserts (14 Euro). Alle Gerichte können einzeln bestellt oder im Baukastensystem zu drei- (54 Euro), vier- (64 Euro), fünf- (74 Euro) oder sechsgängigen (84 Euro) Menüs kombiniert werden.
Mit wenigen Ausnahmen wie Oktopus oder Jakobsmuscheln fokussiert sich Serkan Güzelcoban stark auf Produkte aus der Genießerregion Hohenlohe und füllt große Teile seines Einkaufskorbs gleichsam vor der Haustüre. So bezieht er seine Lachsforellen von der Forellenzucht Merz in Eckartsweiler, Lamm, Joghurt und Schafskäse vom Bioland-Schafhof Jauernik in Weißlensburg, Kaninchen von Bauer Kaninchen in Neuenstein, Demeter-Landgockel vom Brunnenhof in Mäusdorf und Fleisch von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall.
Die von Sommelier Panagiotis Adiopoulos zusammengestellte Weinkarte listet zwölf offene Weine (rot, weiß, rosé, Süßweine) zu Preisen ab 5 Euro pro 0,1 Liter, darunter auch Raritäten wie ein 2002er Nuits-Saint-Georges (29 Euro) oder ein 2007er Chateau d'Issan (24 Euro). Wer keine Flasche trinken möchte, findet hier genügend Möglichkeiten, zu seinem Menü eine passende Weinbegleitung zu finden.
So schmeckt's im Kleinod

Wir haben den Test gemacht und uns für ein Fünf-Gänge-Menü entschieden. Vorab reicht Panagiotis Adiopoulos, ein selbstgebackenes, noch warmes Sauerteigbrot, dazu eine milde Tomaten-Salsa, griechisches Olivenöl und eine fluffig aufgeschlagene Meersalzbutter.
Danach grüßt der Küchenchef mit zwei aufwendigen Amuse bouches. Überraschungseffekt inklusive. Hat man die geschmacksintensive Kürbiscreme vom Deckel gelöffelt und hebt diesen von der Schale, erfreuen butterzarte Würfel von geschmortem Rinderbäckchen, getrüffelter Kartoffelschaum und eine intensive, aber alles andere als schwere Jus den Gaumen. Für Leichtigkeit, Frische und knackigen Texturen-Kontrast sorgen marinierte Bleichsellerie-Streifen. Volltreffer. Das trifft für das folgende Amuse leider nur mit Einschränkung zu: Die in der Schale gereichte, im Tempurateig knusprig ausgebackene Schwertmuschel ist doch etwas arg zäh.
Zur Vorspeise: Variationen von der Lachsforelle

Nach diesem erfreulichen Auftakt wächst die Vorfreude auf die Vorspeise.
Mezze: Heimische Lachsforelle in Variationen, Kohlrabi, Schwarzkümmel, Kopfsalat. Im Mittelpunkt die Lachsforelle vom Forellenhof Merz, die durch absolute Frische besticht. Streiten kann man sich, ob auf die Lachsforelle der Begriff „Variationen“ auch geschmacklich zutrifft. Denn der extrem mild gebeizte Fisch unterscheidet sich nahezu nicht vom rohen Tartar.
Manti: gefüllte Teigtaschen vom Bauernkaninchen, Sommertrüffel, Pfifferlinge, blaue Garnele eröffnen den Reigen von zwei deutlich mutiger abgeschmeckten (Zwischen-)Gerichten und katapultieren den Gast mit Gewürzen wie Ras-el-Hanout, Kreuzkümmel und Nelke mit deutlich schmeckbarem „Serkan-Touch“ ins pralle Gewürz-Universum des Orients. Die drei mit einer Kaninchen-Farce gefüllten Teigtäschchen (Manti) arrangiert Güzelcoban mit knackig gebratenen Pfifferlingen, geraspeltem violetten Blumenkohl und fein gehobeltem Sommertrüffel.
Betont orientalisch geht das Menü weiter mit Tarhana: dehydrierte Paprika-Joghurt-Suppe à la Mama Güzelcoban, Jakobsmuschel, Pfirsich, Kichererbsen. Ein Gericht, in dem Güzelcoban Kindheitserinnerungen kulinarisch aufarbeitet. Knackige Zuckererbsen, fruchtiger Pfirsich in Würfeln und dünnen Scheiben, begleitet von einer scharf in Nussbutter angebratenen glasigen Jakobsmuschel werden mit der leicht säuerlichen, kräftig gewürzten Suppe aufgegossen.
Die Portionen sind üppig
Mittlerweile hat sich bereits ein deutliches Sättigungsgefühl eingestellt, denn Serkan Güzelcobans Portionen sind recht üppig. Doch es folg der Hauptgang. Des Sultans Freude 2.0: heimisches Lamm, Auberginen-Sesam-Pürree, Okraschoten, Bulgur, Granatapfelkerne. Butterzart thront ein prächtiges Stück rosa Lammfilet – sous-vide gegart und mit Aromaten kurz nachgebraten - auf buttrigem Bulgur, flankiert von abgeflämmten Okraschoten, fruchtig-knackigen Granatapfelkernen und cremigem Auberginen-Sesam-Pürree.
Nach einer weiteren Pause und ohne das in dieser Ess-Klasse obligatorische Pré-Dessert naht das süße Finale.
Künefe: gebackenes Engelshaar, Manchego, Brombeere, Ananas. Käse im Dessert? Kann das funktionieren? Als mild und leicht säuerlich entpuppt sich der spanische Schafskäse, hat man ihn vom knusprig ausgebackenen Engelshaar - Millimeter dünnen süßen Teigstreifen – befreit. Das muss man mögen, zumindest in einem Dessert. Keinerlei Fragezeichen setzen wir hinter die weiteren Komponenten: Nussig-milde Pistaziencreme, Brombeeren als Früchte und zartschmelzendes Sorbet. Ungewöhnlich, aber klasse.
Nach diesen Genüssen kann ein Espresso nicht schaden. Doch der entpuppt sich leider nur als starker kleiner Kaffee mit einer mehr als dünnen Crema. Schade. Etwas verwundert vermisst der Gast auch das eine oder andere Häppchen an begleitender Patisserie, die in der Gourmetgastronomie und dieser Preisklasse eigentlich zum Standard gehören.
Fazit: Hoher Genussfaktor mit Luft nach oben

Auch im Öhringer Kleinod bleibt Serkan Güzelcoban seiner aus dem Künzelsauer Handicap bekannten, mit einem Stern dekorierten Autorenküche treu, zeigt eine eigene Handschrift und spielt gekonnt mit Aromen, Texturen und ungewöhnlichen Kombinationen. In seinen Gerichten spiegeln sich Produkte aus der Genießerregion Hohenlohe genauso wie seine familiären anatolischen Wurzeln und klassisches Küchen-Handwerk.
Auch in Öhringen gesellt sich zu dieser kulinarischen Inklusion eine soziale, indem er in Küche und Service Menschen mit Handicap beschäftigt. Das verdient Respekt und Anerkennung. Schon in den ersten Wochen zeigt sich, dass das Kleinod zu den besten Restaurants der Region zählt. Es zeigt sich aber auch, dass Serkan Güzelcoban im Detail noch etwas kulinarisches Feintuning braucht und an der einen oder anderen Stellschraube drehen muss, um sein Potenzial voll auszuschöpfen. Da geht noch was, schöner Hirte!
Öffnungszeiten
Dienstag 18 bis 22 Uhr, Mittwoch und Donnerstag 12 bis 14.30 und 18 bis 22 Uhr, Freitag 12 bis 14.30 und 18 bis 23 Uhr, Samstag 18 bis 23 Uhr. Sonntags und montags ist geschlossen. Mittags bietet das Kleinod einen wöchentlich wechselnden zweigängigen Business-Lunch an (25 Euro inklusive Kaffee und Wasser).
TV-Dokumentation: „Vom Außenseiter zum Sternekoch“
Unter diesem Titel sendete die ARD am 17. September 2017 in der Reihe „Gott und die Welt“ eine 30-minütige Dokumentation über Serkan Güzelcobans Öhringer Gastro-Projekte. Dazu hat ihn der Filmemacher Ilyas Mec vom Hessischen Rundfunk ein halbes Jahr lang begleitet. Der ARD-Film über Güzelcoban und das Restaurant Kleinod ist in der Mediathek weiterhin zu finden.
Weitere Infos finden sich auf der Facebookseite des Kleinods.
Kommentare öffnen
Stimme.de
Kommentare
am 17.11.2017 18:22 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren,
Respekt vor der Leistung des Handwerkers vorab ! Ich kenne ihn und gönne ihm seinen Erfolg !
Dennoch sticht mir eine Frage in die Seele aus Sicht der Steuerzahler !!!
Wer bitte von uns "normalsterblichen" Bürgern kann sich ein Business - Lunch für 25 Euro leisten ?
Welcher durchschnittliche Bürger kann sich Menüs in dieser Höhe leisten und wie bitte kommt eine Stadt auf
die Idee einen selbstständigen Gastronomen mit 150.000 Euro Steuergeldern zu unterstützen, obwohl die
Gastronomie an sich nicht mal auf einen 10 % Anteil der Steuerzahler, welche das letztendlich finanziert haben
zielgerichtet ist ???!!!
Warum nicht eine Gastronomie für ALLE ! Für die Parkbesucher, Eltern, Rentner, Spaziergänger und Menschen die das gerne als Zwischenstopp genießen würden für einen durchschnittlichen Preis mit durchschnittlicher Qualität ???!!!
Was soll das ?
Welcher Gastronom in Öhringen bekommt noch eine Förderung bzw. Startbasis in dieser Kategorie ?
Sei es "Herrn schönen Hirten" allemal gegönnt dort Erfolg zu haben !
Aber was ist mit dem Normalbürger ? Soll er von außen wie in einem Zoo zuschauen ???
Wo kommen die Gelder her ?