Corona-Impfungen: Mangelverwaltung ist nun Sache der Hausärzte
Nach Ostern sollte das Impfen in den Praxen anlaufen. Viele Hausärzte haben aber keinen Impfstoff erhalten. Impfberechtigte sind froh über kurze Wege und bekannte Gesichter.

Längst wird niemand mehr als Pessimist beschimpft, der Aussagen des Landes in Sachen Impfen mit Fragezeichen versieht. Das gilt auch für Impfen in Hausarztpraxen. Nach Ostern sollte es Fahrt aufnehmen. Das tut es tatsächlich in einigen Praxen. Sehr viele aber haben diese Woche keinen Impfstoff erhalten, berichtet Dr. Andreas Kühn, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung im Altkreis Künzelsau. Viele seiner Kollegen, egal, ob in Künzelsau, Ingelfingen oder Niedernhall, seien bisher leer ausgegangen.
Lieferung über Apotheken
Als Lieferweg für Arztpraxen dienen Apotheken. Die Hausärzte bestellen ihren Bedarf selbst über das System der Regelversorgung. Das kann aber nicht jeder Arzt. Die neueste Impfverordnung des Bundes sieht vor, dass ausschließlich Vertragsärzte Impfstoff beziehen können. Privatärzte und Betriebsärzte, die keine Zulassung durch die Kassenärztlichen Vereinigung haben, können das aktuell noch nicht.
"Die Verärgerung in den Webinaren mit der Kassenärztlichen Vereinigung ist groß", weiß auch seine Kollegin im Altkreis Öhringen, Dr. Susanne Bublitz. Sie gehört zu denen, die Impfstoff erhalten hat. Mit zwei weiteren Kollegen impft sie nun in der Nobelgusch in Pfedelbach. "Die Halle ist für diese Zwecke ideal", sagt sie. Dort können die Impfberechtigten gut erfasst, aufgeklärt und in den Künstlerkabinen geimpft werden. Mit einem kleinen Wecker dürfen sie dann in einen größeren Saal, in dem sie noch 15 Minuten zur Beobachtung bleiben. Vor allem letzteres ist in normalen Praxen schwieriger zu organisieren. Roland Baumgartl, Jahrgang 1950, ist am Donnerstagnachmittag der Erste, der dort nach erfolgter Impfung Platz nimmt und sich freut, einen kurzen Heimweg zu haben.
Vorteil der Halle nutzen
Geimpft werde quasi in Schichten, jeder der Kollegen bringe sein Personal mit. Die notwendige Infrastruktur und medizinische Ausstattung aber bleibt vor Ort. Durch den externen Impfort werden die Praxen entlastet, erklären die Hausärzte. Verimpft wird Biontech. Diese Woche. Am Mittwoch hat Dr. Susanne Bublitz 70 Personen geimpft, am gestrigen Donnerstag war sie am Nachmittag wieder in der Nobelgusch, um etwa 30 Patienten von ihrer Liste zu impfen.
Ihr Plan ist, 210 Erst- und 210 Zweitimpfungen pro Woche machen zu können. Die Zweitimpfungen beginnen ab dem 19. Mai. 70 Personen hat sie am Mittwoch in fünf Stunden geimpft. Deshalb rechnet sie für die 210 Erstimpfungen mit zwei Tagen. Die gleiche Anzahl Zweitimpfungen geht schneller: "Da braucht man keine Aufklärungsgespräche mehr."
Das ist der Grund, weshalb Dr. Andreas Kühn sehr bedauert, dass so viele seiner Kollegen keinen Impfstoff erhalten haben. "Wir kennen unsere Patienten, wissen, wer die Impfung dringend bedarf und auch für wen welcher Impfstoff besser geeignet ist", sagt Dr. Kühn. Er ist Facharzt für Schmerztherapie. "Aber selbst ich kenne meine Patienten und ihre Krankengeschichten und ihr familiäres Umfeld", plädiert er dafür, auch schnell die Fachärzte einzubeziehen. "Wir brauchen Geschwindigkeit, nicht Gründlichkeit", sagt Dr. Kühn.
Patienten fragen nach Terminen
Und wie nehmen die Patienten das Angebot an? "Es haben schon viele gefragt", sagt Dr. Kühn. Dr. Susanne Bublitz hat mit der Pilotpraxis bereits Erfahrung gesammelt und so ihre hochbetagten Patienten schon geimpft. Sie kann nur unterstreichen, dass ein Hausarzt seine Patienten kennt. Auch ihre Liste enthält die Namen derer, die am dringendsten geimpft werden müssen.
Wie schaffen die Ärzte dieses zusätzliche Pensum an Testen und Impfen? "Es hat praktisch keine Grippewelle gegeben", verweist Dr. Kühn auf dadurch freie Kapazitäten. "Aber wir versuchen auch, beim Regelprogramm Luft zu schaffen."
Wenn Dr. Susanne Bublitz in der Nobelgusch fertig ist, kommt Dr. Robert Wagner. Seine Öhringer Praxisgemeinschaft Baumann-Wagner hat 54 Dosen Biontech erhalten, sechs Dosen wurden bereits Anfang der Woche verimpft, die restlichen 48 nun am Freitag. "Wir haben sprechen gezielt unsere Impfberechtigte an", erklärt Dr. Robert Wagner.