Stimme+
Interview
Lesezeichen setzen Merken

Leiter Klima-Zentrum Hohenlohe: "Kommunale Wärmeplanung ist die Königsdisziplin im Klimaschutz"

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

Seit einem Jahr betreibt der Hohenlohekreis ein Klima-Zentrum. Joachim Schröder leitet es und gibt Auskunft darüber, was das Zweier-Team leisten kann und welche Ziele dahinterstecken

Joachim Schröder an seinem Arbeitsplatz in Künzelsau. So strukturiert und vernetzt wie möglich will er den Klimaschutz im Hohenlohekreis forcieren.
Joachim Schröder an seinem Arbeitsplatz in Künzelsau. So strukturiert und vernetzt wie möglich will er den Klimaschutz im Hohenlohekreis forcieren.  Foto: Reichert, Ralf

Das Klima-Zentrum des Hohenlohekreises hat sein erstes Jahr hinter sich. Was seitdem geschah und in Zukunft noch alles passieren soll, erklärt Leiter Joachim Schröder (50).

 

Klima-Zentrum - Das klingt ziemlich groß. Sie sind aber nur zu zweit und teilen sich ein Büro. Reicht das, um dieses Megathema zu beackern?

Joachim Schröder: Es gibt für das Klima-Zentrum diese zwei Stellen und 40 000 Euro im Jahr. Da bin ich gebunden an den Kreistagsbeschluss. Wir wollen der erste Ansprechpartner im Kreis sein, wissen aber auch, dass der Klimaschutz an vielen anderen Stellen im Landratsamt eine wichtige Rolle spielt.

 

Was können Sie überhaupt leisten?

Schröder: Unsere Aufgabe ist es, Bürgern, Kommunen und Firmen Mut zu machen, in den Klimaschutz zu investieren. Umsetzen müssen sie es selbst. Wir wollen Leute zusammenführen, Erfolge transportieren, Förderchancen aufzeigen.

 

Wo liegen also Ihre Grenzen?

Schröder: Wir können beispielsweise keine privaten PV-Anlagen planen, stehen aber für eine Erstberatung zur Verfügung. Das müssen wir den Bürgern erklären.

 


Mehr zum Thema

Das ist einer der drei neuen Riesen zwischen Hirrweiler und Wüstenrot, die sich im Schneegestöber drehen. Die Windräder haben eine Nabenhöhe von 164 Metern, einen Rotordurchmesser von 149 Metern und eine Höhe von 238,5 Metern.
Stimme+
Obersulm/Bretzfeld
Lesezeichen setzen

Windpark Bretzfeld-Obersulm: Punktlandung bei Erzeugung von Ökostrom


Ihr erster Aufschlag war der Hinweis auf das brachliegende Solarpotenzial.

Schröder: 86 Prozent der bestehenden Dachflächen im Kreis sind noch nicht mit Solarmodulen bestückt.

 

Nun besteht seit 2022 die Pflicht, PV-Anlagen auf die Häuser zu bauen.

Schröder: Zunächst galt das für neue Wohngebäude, dann für größere Parkplätze, seit 2023 ist es auch bei grundlegenden Dachsanierungen Pflicht. Viele Gebäude im Kreis wurden vor 1977, dem Jahr der ersten Wärmeschutzverordnung, gebaut, deshalb müssen sie energetisch saniert werden - in einem Zug mit Solaranlagen, wäre ideal.

 

Wie laufen Ihre Solarberatungen?

Schröder: Sie werden fantastisch angenommen. Bei einem unserer Webinare hatten wir 340 Teilnehmer, das war ein echtes Gänsehaut-Gefühl. Als immer mehr mitbekamen, dass es uns gibt, wurden wir von Anfragen überrannt.

 

Wo steht der Hohenlohekreis bei der Produktion von Solarenergie?

Schröder: Summiert man alle Solaranlagen und die Freiflächen-PV, belegen wir einen Spitzenplatz im Land. Rechnet man die jährlich neu entstehende Zubau-Leistung pro Einwohner herunter, landen wir aber nur bei 30 Watt Solarenergie. Das entspricht einer Glühbirne, die man zum Leuchten bringt. Es gibt also noch einiges zu tun.

 

Was genau?

Schröder: Wir denken vom Bestand her, weil es da kaum Nutzungskonflikte gibt: Dächer von Privatbauten oder Gewerbe- und Industrieanlagen ebenso wie bereits versiegelte Flächen oder PV-Anlagen auf Parkplätzen, Randstreifen von Autobahnen oder Lärmschutzwälle.

 


Mehr zum Thema

Der städtische Anteil des mit Photovoltaik erzeugten Stroms in Heilbronn liegt bei sechs Prozent. Einen Beitrag leistet die Anlage auf dem Technischen Rathaus.
Foto: privat
Stimme+
Heilbronn
Lesezeichen setzen

Großes Photovoltaik-Projekt auf Dach der Luise-Bronner-Schule in Heilbronn


Wie stehen Sie zu Freiflächen-PV?

Schröder: Das wird eine große Rolle spielen. Allerdings treten wir damit in einen Nutzungskonflikt mit der Landwirtschaft, mit dem Gewerbe und mit anderen Investoren.

 

Noch viel anspruchsvoller wird die Wärmeversorgung. Sie ist sehr energieintensiv und verbraucht noch mehr CO2 als die Stromerzeugung.

Schröder: Für mich ist das Thema Wärme die Königsdisziplin im Klimaschutz. Es gibt ein Landesförderprogramm zur kommunalen Wärmeplanung. Jede Stadt über 20 000 Einwohner ist dazu verpflichtet, dies betrifft bei uns nur Öhringen. Wir setzen zusätzlich auf die freiwillige Schiene. Gemeinden können sich in Konvois zusammenschließen.

 

Wie viele Konvois gibt es schon?

Schröder: Niedernhall, Weißbach und Forchtenberg sind dabei, Künzelsau, Kupferzell, Bretzfeld und Zweiflingen haben die Teilnahme beschlossen, Waldenburg und Pfedelbach sind interessiert.

 

Wo steckt bei dieser vereinten Wärmeplanung das größte Potenzial?

Schröder: Bei der Verknüpfung zur Industrie. Es gibt so viele Wärmequellen von Firmen, die Verbraucher zum Heizen nutzen können. Das müssen wir noch viel stärker vernetzen.

 

Wie werden die Potenziale ermittelt?

Schröder: Über Rohdaten, lokal heruntergebrochen. Sie sind das Kapital der Zukunft. Wir müssen wissen: Wo wird wie viel Energie verbraucht, wo können Wärmequellen angezapft und für andere nutzbar gemacht werden?

 

Was ist mit Bioenergiedörfern?

Schröder: Wir brauchen noch viel mehr Bürgerprojekte, die zum Beispiel ein Hackschnitzelkraftwerk bauen und die Häuser über ein dezentrales Leitungsnetz mit Wärme versorgen.

 

Die Speicherung von erneuerbarer Energie ist ebenso wichtig. Wie kann das kommunal umgesetzt werden?

Schröder: Da wird noch viel kommen. Wir haben bereits die Wasserstoff-Insel Öhringen, wo überschüssiger Strom intelligent genutzt wird.

Auch in jedem Privathaus kann Solarstrom gespeichert werden.

Schröder: Ja, genau das empfehlen wir. Jeder, der auf dem Dach eine Solaranlage hat, sollte gleichzeitig einen Speicher mit einbauen. Das bidirektionale Laden von Elektroautos wird ebenfalls immer wichtiger.

 

Was können Kommunen tun?

Schröder: Deutschlandweit gibt es schon etliche Pilotprojekte. Beispielsweise bauen Stadtwerke riesige Tanks, in denen Wasser durch Strom aufgeheizt wird und die an Fernwärmenetze angedockt sind.

 

Sie bieten seit Juni kostenlose Erstberatungen für Bürger an. Wie läuft es?

Schröder: Wir haben 18 Energieexperten, die Bürger 30 Minuten neutral beraten. Mittlerweile bieten wir das in fast allen 16 Kommunen an.

 

Wie viele Bürger haben Sie erreicht?

Schröder: 2022 haben wir über 100 Gespräche vermittelt, 245 weitere sind es im ersten Halbjahr 2023.

 

Was muss noch besser werden?

Schröder: Die Terminbuchung wurde digitalisiert. Nun müssen die Gespräche noch effizienter werden.

 

Das Klimaschutzkonzept des Kreises ist von 2017. Wie läuft das Update?

Schröder: Die 42 Einzelprojekte haben wir übersetzt und gehen die wichtigsten sofort an. Es gilt, schneller ins Handeln zu kommen.

 

Was wird als nächstes umgesetzt?

Schröder: Die Klimaanpassung wird immer wichtiger. Mit dem Förderprogramm Klima-Fit wollen wir auch in der Industrie einen Teilnehmerverbund bilden.

 

Zur Person

Joachim Schröder wurde am 12. April 1972 in Rothenburg ob der Tauber geboren. Er wuchs in Niederstetten auf und besuchte das Gymnasium in Weikersheim. Er war zwei Jahre Zeitsoldat und studierte Geografie in Tübingen. Dabei kam er auch mit der globalen Klimaentwicklung in Berührung. Ein Schwerpunkt waren Kipp-Punkte im Erdzeitalter. Dann ging er zurück in die Heimat, arbeitete in einem Büro für Umweltberatung und wechselte zur Firma Bass. Dort war er Vertriebsleiter. Seit 1. April 2022 leitet er das Klima-Zentrum des Hohenlohekreises.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben