Kommt die Kochertalbahn zurück? Was dafür und was dagegen spricht
Seit geraumer Zeit wird die Debatte um eine mögliche Reaktivierung der Bahntrasse zwischen Künzelsau und Waldenburg kontrovers geführt. Was sind die zentralen Argumente der Fürsprecher und Gegner?

Die umstrittene Wiederbelebung der Stadtbahn zwischen Waldenburg und Künzelsau: Am 8. April wird der Kreistag nach den Voten der Kupferzeller und Waldenburger Gemeinderäte, sich nicht an den Planungskosten beteiligen zu wollen, entscheiden, ob und wie das umstrittene Schienenprojekt doch noch aufs Gleis gesetzt werden kann. Kritiker und Befürworter haben dabei viele Argumente. Eine Übersicht.
Reaktivierung der Kochertalbahn: Chancen für Förderung stehen günstig
Man müsse die einmalige Chance unbedingt nutzen, argumentieren die Fürsprecher. Nachdem der Bund die Wirtschaftlichkeit erstmals nicht mehr nur an der Fahrgastzahl, sondern auch am Beitrag zum Klimaschutz bemisst, stehen die Sterne für eine üppige Förderung günstig.
Nie zuvor - und vielleicht auch nicht mehr danach - konnten ländliche Regionen bei Bahnprojekten mit so hohen Fördersummen rechnen. Sowohl für die Erstellung der rund zwölf Kilometer langen Strecke als auch - sofern man beim vielzitierten Windhundrennen vorne dabei wäre - beim späteren Betrieb. Allerdings ist hinsichtlich Letzterem bereits fraglich, ob man es in die erste Runde schafft.
Künzelsaus Bürgermeister sieht "Jahrhundertchance" für Bürger und Wirtschaft
Jedenfalls: Wenn man jetzt nicht zugreife, verspiele man eine, wie Künzelsaus Bürgermeister Stefan Neumann formuliert, "Jahrhundertchance" für Bürger und Wirtschaft. Ansonsten fließe das viele Geld eben schlicht in andere Regionen, heißt es. Ein weiteres Kernargument ist der Beitrag zum Klimaschutz: Auch wenn sich die Elektromobilität mittelfristig - mit einer möglichen Inbetriebnahme der Kochertalbahn rechnet man erst um 2045 - durchgesetzt haben wird, bleibt der Ressourcenverbrauch beim Individualverkehr per E-Auto größer als auf der Schiene.
Dass Berufspendler und Schüler - zahlreiche wichtige Bildungseinrichtungen sowie auch das Landratsamt würden durch die Trasse angebunden - profitierten, stellen auch die Gegner nicht in Abrede. Und noch mehr scheint denkbar: Zwar ist "klassischer" Gütertransport nicht möglich, allerdings könnten die kompakten Produkte vieler Firmen längs der Trasse im Paketabteil der Stadtbahn transportiert werden.
Unternehmen und Landkreis Hohenlohe sollen profitieren
All dies würde auch für Entspannung auf den Straßen - zuvorderst der B19 - sorgen. Für den Gewerbepark könnte das Projekt ein Segen sein: Nicht nur, weil man perspektivisch mit weniger Parkflächen auskäme - die Befürworter gehen von einer deutlich positiven Wirkung auf die ansässigen Unternehmen aus.
Besonders profitieren würde aber natürlich Künzelsau. Stefan Neumann sieht den Nutzen jedoch globaler: "Für den Landkreis ist es zusammen mit dem Ausbau der Hohenlohebahn ein zukunftsweisendes und strategisch wichtiges Element der Mobilitätswende."
Kommt die Kochertalbahn? Was gegen Strecken-Reaktivierung spricht
Und da wäre denn auch direkt der erste wichtige Punkt der Skeptiker: Künzelsau habe viel von der Kochertalbahn, andere Kommunen aber nur wenig, argumentieren sie. Elektrobusse könnten die steigende Nachfrage nach klimafreundlicher kollektiver Beförderung früher und preiswerter bedienen. Ohnehin sei die Zugfrequenz zu gering - und ein dichterer Takt mit noch höheren Investitionen verbunden.
Überhaupt die Kosten: Mit bis zu 274 Millionen Euro für die Tunnel-Variante und einem diesbezüglichen Eigenanteil der Kommunen von rund 24 Millionen Euro - wobei der entsprechende Verteilschlüssel noch gar nicht fix ist, stelle das Vorhaben finanzschwache Gemeinden wie Waldenburg über die Jahre vor zu große Aufgaben. Denn es gilt ja auch noch, sich an der Finanzierung der Elektrifizierung der Hohenlohebahn zwischen Öhringen-Cappel und Hall-Hessental zu beteiligen. Damit nicht genug: "Wir verschlechtern die Chance, mit der Hohenlohebahn in die Förderung zu kommen, wenn die Hohenlohebahn wie vorgesehen mit der Kochertalbahn gekoppelt wird", so Waldenburgs Rathauschef Bernd Herzog.
Nicht nur in Waldenburg sind Viele skeptisch
Das sogenannte Parallelbedienungsverbot könnte sich ebenfalls fatal auswirken: Denn es droht der Wegfall von Busverbindungen, insbesondere im Schülerverkehr nach Künzelsau. "Große Fragezeichen" sehen manche bei der - bislang einzigen - zentralen Untersuchung: der Machbarkeitsstudie. Die Kernthese hier: Man habe intransparent und mit einem unzutreffenden CO2-Preis kalkuliert, behauptet etwa der Waldenburger Rat Rolf-Dieter Kempis. Denn der sogenannte Fahrgastnutzen sei in der Analyse künstlich schöngerechnet und zu hoch angesetzt. In puncto Klima gilt es - auch dies ist klar - ebenfalls Emissionen und Ressourcenverbräuche zu berücksichtigen, die im Zuge der mehrjährigen Bauphase entstehen. Die Verlegung des Radwegs missfällt den Gegnern überdies - und kostet Geld. Gleiches gilt für die Schaffung von Parkplätzen an den bis zu neun avisierten Haltestellen.
"Die Gemeinderatsbeschlüsse in Kupferzell und Waldenburg müssen zu 100 Prozent respektiert werden", sagt BI-Chef Christian von Stetten. In den vergangenen Tagen gab es diverse Gespräche. Deren Inhalt auch: Wollen sich Waldenburg und Kupferzell lediglich nicht an der Planungs-Finanzierung beteiligen - oder lässt sich das Votum der Gemeinderäte als Ablehnung des Projekts als solches lesen? Waldenburgs Rathauschef Bernd Herzog jedenfalls sagt: "Ich gehe davon aus, dass es weitergedreht wird."