Kochertalbahn-Reaktivierung: Warum sind entscheidende Fragen noch nicht geklärt?
Schneckentempo statt Sprint im Wettlauf um die begrenzten Fördergelder? Im Prozess hin zur sogenannten Standardisierten Bewertung – ein Meilenstein der Wiederbelebung der Stadtbahn bis nach Künzelsau – ist man in den vergangenen Wochen nur bedingt vorangekommen.

Das Rennen um die Förderung ist längst eröffnet - doch auch nach dem Kreistags-Beschluss von Ende Juli, den rund drei Millionen Euro teuren Weg zur sogenannten Standardisierten Bewertung zu gehen, sind bei der geplanten Kochertalbahn-Wiederbelebung aktuell weiter noch viele Fragen offen: Mit welcher Trassenführung will man antreten - mit oder ohne Tunnel? Wie werden die Kosten zwischen Künzelsau, Waldenburg und Kupferzell aufgeteilt? Und wie sehen die Förderbedingungen genau aus?
Die Zeit läuft: Denn laut aktueller Liste der Landesregierung konkurrieren im Ländle mittlerweile 34 Projekte mit einer Gesamtlänge von rund 500 Kilometern in besagtem "Windhundrennen". Bei acht davon läuft noch die Machbarkeitsuntersuchung. 23 rangieren offiziell im selben Status wie die Kochertalbahn: "Vertiefte Planung/Abgeschlossene Machbarkeitsuntersuchung".
Kochertalbahn-Reaktivierung Gespräche ja, Ergebnisse noch nicht
Das Verkehrsministerium wird nur für die ersten rund 100 Kilometer die Betriebskosten tragen (wir berichteten). Es gilt also: Nur wer schnell ist, kann damit rechnen, dass diese essenzielle Landes-Beteiligung fließt. Wie präsentiert sich der Wettlauf aktuell? "Bei vier der Vorhaben liegt unserer Kenntnis nach bereits eine Standardisierte Bewertung vor", teilt Wenke Böhm, Sprecherin des Verkehrsministeriums, auf Stimme-Anfrage mit.
Die eingangs genannten Fragen wollte man, so hieß es Mitte August vonseiten des Landratsamts, "in den nächsten Wochen" mit den beteiligten Akteuren erörtern. Was ist seitdem passiert? Viel zu wenig, findet etwa Kreisrat Peter Lemke (FWV): "Das ist hier kein Windhundrennen, sondern läuft im Schneckentempo. Ich kann kein gesteigertes Interesse erkennen, dass etwa die Einigung über die Kostenverteilung zeitnah über die Bühne geht." Dabei sei Zeit doch im Wortsinne Geld: "Wenn die anderen schneller sind, ist das Projekt tot", sagt Lemke. Und mutmaßt: Eine Verschleppung des Prozesses markiere "vielleicht für manch einen die Möglichkeit eines Rückzugs, ohne dabei das Gesicht zu verlieren".
Nach Stimme-Informationen sollen die - für die Standardisierte Bewertung grundlegenden - Entscheidungen großteils noch nicht gefallen sein. Auch in den Gemeinderäten wurde noch nicht über die fortgeführten Pläne debattiert - weder öffentlich noch nicht-öffentlich.
Führt die Kochertalbahn womöglich an Kupferzell vorbei?
Und: Was die Trassenführung angeht, ist womöglich nun sogar eine dritte Variante im Rennen. Weil es in Kupferzell weiterhin Vorbehalte gegen das Projekt gibt, wird als Alternative jetzt auch über eine Strecke nachgedacht, die Kupferzell gar nicht anbindet, sondern an der B19 entlang bis nach Gaisbach führt. Nach Informationen unserer Redaktion könnten so mindestens 30 Millionen Euro eingespart werden.
Vom Landratsamt heißt es auf Nachfrage zum Fortgang der Dinge, ein Austausch habe durchaus bereits stattgefunden. Aber: "Weitere Gespräche sind noch notwendig." Die Frage der Kostenverteilung solle in einem "absehbaren" Zeithorizont erörtert werden. Themen rund um die Förderkulisse würden "unter anderem beim nächsten Termin mit der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) nochmals angesprochen".
Die Vertreterin der Landesregierung, Wenke Böhm, sagt unserer Zeitung: "Das Verkehrsministerium, die NVBW und der Hohenlohekreis befinden sich in einem ständigen und konstruktiven Austausch auf Fachebene zu Fragen, die die Reaktivierung der Kochertalbahn betreffen. Das nächste gemeinsame Gespräch zum weiteren Vorgehen findet voraussichtlich Ende Oktober statt." Sie wirbt um Geduld: "Diese Abstimmungen benötigen in der Regel eine gewisse Zeit."
Recht gelassen zeigt sich auch CDU-Kreisrat Christian von Stetten, als ihn die Heilbronner Stimme/Hohenloher Zeitung auf den Stand seines Herzensprojekts anspricht, das er als Vorsitzender der Bürgerinitiative "Wir bauen die neue Kochertalbahn" aufs Gleis setzen will. "Das Projekt ist im Prinzip im Plan", so der CDU-Bundestagsabgeordnete.
Dass Landrat Matthias Neth unlängst öffentlich äußerte, er habe "das Bauchgefühl, das Projekt kommt eher nicht"? Christian von Stetten: "In der Tat - es ist nicht jeder begeistert davon." Er, so von Stetten weiter, sei indes "fest überzeugt", dass es gelinge, die Reaktivierung umzusetzen. Aber es müsse jetzt "mit Hochdruck" gearbeitet werden. Und die Idee, Kupferzell auszusparen? "Wenn das so käme, wäre es ein Schildbürgerstreich," sagt von Stetten. Schließlich werde so einer großen Zahl örtlicher Pendler die Chance genommen, mit der Bahn zur Arbeit fahren zu können.